Zwei starke Frauen: Parlamentarischer Abend mit SOLWODI Deutschland e.V. und der Ausstellung GlasKLAR
Dienstag, 10. Oktober 2017
„Heute spürt man ganz viel weibliche Energie“, stellte Moderatorin Andrea Kammhuber am Dienstagabend im Senatssaal fest. Rund 400 Gäste waren der Einladung von Landtagspräsidentin Barbara Stamm gefolgt, um zwei ganz besondere Frauen auf dem Podium zu erleben: Schwester Dr. Lea Ackermann, die erste Vorsitzende und Gründerin der Menschenrechtsorganisation Solwodi Deutschland, sowie Dr. Mahbuba Elham Maqsoodi, Künstlerin und erste Vorsitzende des Vereins Afghanischer Frauen in München. Was die beiden erzählten, war teils traurig, teils schön, teils lustig – und in jedem Moment spannend.
„Solidarity with women in distress“ bedeutet Solwodi ausgeschrieben, Solidarität mit Frauen in schlimmen Lebenssituationen. Lea Ackermann hatte die Organisation gegründet, nachdem sie in den 80er Jahren als Lehrerin in Kenia erleben musste, wie sich dort Frauen aus reiner Not prostituierten. Seit 1987 hilft Solwodi Frauen aus aller Welt, die von Sklaverei, Prostitution, Menschenhandel, Zwangsehen, Genitalverstümmelung oder Ehrenmord bedroht sind – auch hier in Deutschland.
„In vielen Ländern mit traditionellem Rollenverständnis erhalten Frauen keine oder nur eine geringe schulische Ausbildung“, erläuterte Landtagspräsidentin Barbara Stamm in ihrer Begrüßung. „Später verfügen sie dann nicht über die Mittel, um ihr Leben eigenständig zu gestalten. Sie geraten in die Hände von Kriminellen oder in die Abhängigkeit von Ehemännern, die sie körperlich oder seelisch misshandeln.“
Solwodi-Unterstützer Dr. Georg Ringsgwandl sprach das Grußwort zum Thema, wobei er deutlich zu mehr Engagement aufforderte. „In unserem Land ist die Sensibilität für die Lage der Frauen weltweit nicht sehr ausgeprägt“, kritisierte der Musiker und Autor. „Das Thema ist in all unserer Selbstzufriedenheit unangenehm. Es ist ein großer Verdienst von Solwodi, trotzdem immer wieder darauf hinzuweisen.“ Ihm sei schleierhaft, wie wenig dezidiert der Staat mit Leuten umgehe, die Frauen misshandelten. „Wenn ich von einer befreundeten Gynäkologin höre, ein Zuwanderer aus Somalia will bei uns seine beiden jüngsten Töchter beschneiden lassen, dann möchte ich den Mann direkt übers Mittelmeer wieder zurückschicken“, sagte er. „Aber ich bin ja nur Künstler.“
Ehrenamt reicht nicht
Von erschreckenden Fällen berichtete schließlich auch Lea Ackermann selbst. Alleine in diesem Jahr habe es in Bayern 89 Fälle von Menschenhandel gegeben, 17 Vergewaltigungen, 21 Genitalverstümmelungen und 55 von Ehrenmord bedrohte Frauen. Von jungen Mädchen erzählte sie, die in Deutschland mit romantischen Lügen zur Sexarbeit gezwungen werden, und von Asylbewerberinnen, die jede Nacht schreiend mit Alpträumen erwachen, aus Angst, zurück in die heimatlichen Misshandlungsstrukturen zu müssen. 456 Frauen suchten dieses Jahr Hilfe bei den Beratungsstellen von Solwodi. Die quicklebendige 80-Jährige stellte unmissverständlich klar, was hilft: „Diese traumatisierten Frauen mit Kindern brauchen qualifiziertes, fest angestelltes Personal. Viele benötigen Therapie, juristische Hilfe, Sprachkurse. Das geht nicht ehrenamtlich!“
Des Weiteren seien Frauentrakte in Gemeinschaftsunterkünften keine Lösung gegen Gewalt, kritisierte Ackermann. Solwodi unterhält Schutzwohnungen für bedrohte Frauen, ein zusätzliches Haus in oder bei München sucht die Organisation gerade zu kaufen, erfuhren die Zuhörer. In Kenia führt Solwodi 34 Beratungsstellen, sorgt für Schulen und Ausbildungsplätze ebenso wie für Sport. „Es gibt dort inzwischen 65 Mädchenfußballteams“, freute sich Ackermann.
Unterdrückung ist immer noch Alltag
Ein Beispiel dafür, dass Bildung und Gleichberechtigung selbstbewusste, patente und charmante Frauen schafft, saß der Geistlichen auf dem Podium direkt gegenüber: Mahbuba Maqsoodi. 1957 im afghanischen Herat geboren hatte die Malerin, anders als viele ihrer Landsmänninnen, das Glück, mit einem weltoffenen Vater aufwachsen zu dürfen. „Er gründete in den 70ern in unserem Dorf eine Mädchenschule“, berichtete sie, „und wir durften erst heiraten, nachdem wir studiert hatten.“ Die Familie emigrierte, und über einen Aufenthalt in Sankt Petersburg gelangte die mit einem Künstler verheiratete Maqsoodi – damals noch Chemikerin und Biologin – zu ihrem eigenen, religiösen, doch stark dem Menschen verhafteten Stil. 1994 kamen die Maqsoodis als politische Asylsuchende nach München. Seither lebt und arbeitet die Afghanin an der Isar. Ihr Rezept gegen die Misshandlung von Frauen formulierte sie eher philosophisch denn politisch. „Genauso wie der blaue afghanische Schleier nicht mehr ins 21. Jahrhundert gehört, so sollten auch die Schleier der Menschen vor dem geistigen Auge verschwinden“, sagte sie, „diesen Schleier tragen leider immer noch viele Menschen.“
Maqsoodis Werke konnten die Gäste im Landtag im Anschluss an die Veranstaltung live bewundern: Die Bilder der Ausstellung „Glasklar“ sind von großer Strahlkraft, bringen jedoch auch Verdruß, weil Maqsoodi viel mit dem Element der Verschleierung arbeitet. Immerhin die Glasmalereien leuchten frei in den verdunkelten Ausstellungsraum hinein, Motive von alten Männern, Weisen, Menschengruppen, aber auch ein Kind im Blutbad.
Buchtipps:
Lea Ackermann: „Der Kampf geht weiter – Damit Frauen in Würde leben können. Ein biografisches Porträt“. Patmos, 15 Euro.
Mahbuba Elham Maqsoodi: „Der Tropfen weiß nichts vom Meer. Eine Geschichte von Liebe, Kraft und Freiheit. Mein afghanisches Herz“. Heyne, 19,99 Euro.
Die Ausstellung ist vom 11. bis 25. Oktober 2017 jeweils Montag bis Donnerstag von 09.00 bis 16.00 Uhr und Freitag von 09.00 bis 13.00 Uhr sowie während der Hausführungen im Rahmen des Sonntagscafés Sonntag von 13.00 bis 15.00 Uhr zu besichtigen.
Der Eintritt ist frei.