Neue Wege der Begegnung mit der Vergangenheit: Landtag eröffnet Ausstellung „KZ überlebt“

Donnerstag, 16. April 2015
– Von Katja Helmö –



Vor 70 Jahren, im April 1945, befreiten alliierte Verbände die bayerischen Konzentrationslager Flossenbürg und Dachau. Zur Erinnerung an diese Jahrestage

23. April 1945 und 29. April 1945


zeigt das bayerische Parlament bis zum 11. Mai das Photoprojekt „KZ überlebt“ von Stefan Hanke. Landtagspräsidentin Barbara Stamm eröffnete die Ausstellung gemeinsam mit Karl Freller, dem Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Neben dem Blick zurück auf die NS-Vergangenheit und dem Gedenken an deren unvorstellbare Verbrechen eröffnete die Veranstaltung im Senatssaal zugleich Perspektiven auf das jüdische Leben der Gegenwart: I</b>n einer szenischen Darstellung veranschaulichte d</b>ie Europäische Janusz Korczak Akademie e.V. das breite Spektrum des Judentums in Bayern heute.<br />

„Unsere Geschichte hat uns ein schweres Erbe auferlegt – ein Erbe der Verpflichtung und der Verantwortung für alle kommenden Generationen“, sagte Landtagspräsidentin Barbara Stamm mit Blick auf den Zivilisationsbruch und die unmenschliche Barbarei durch die Nationalsozialisten. Zugleich wies sie auf eine sich zunehmend wandelnde Gedenk- und Erinnerungskultur hin: Während über Jahrzehnte hinweg Zeugen und Opfer des Holocaust unmittelbar schildern konnten, was sie gesehen, erlebt und durchlitten haben, wird es in der Gegenwart zunehmend schwieriger, Zeitzeugen noch befragen zu können. „Umso wichtiger“, so Barbara Stamm, „werden neue Wege, die eine Begegnung mit unserer Vergangenheit auch künftig möglich machen.“

Einen dieser Wege, die Erinnerung an das Geschehene wach zu halten, beschreitet der Regensburger Fotograf Stefan Hanke. Mit seinem Projekt „KZ überlebt“ porträtierte er in sieben Ländern über 120 KZ-Überlebende und reflektiert deren Lebensgeschichte nicht nur in sehr persönlichen Bildern, sondern auch mit Zitaten und biographischen Texten. Im Landtag werden aus diesem Fundus nun 26 Portraits gezeigt, Begegnungen mit 26 bewegenden Einzelschicksalen werden so möglich.

Wie erging es diesen Menschen? Wie lebten sie mit dieser Last des Unfassbaren weiter? Diese Fragen begleiteten Stefan Hanke, wenn er Überlebende aller noch erreichbaren Verfolgtengruppen an ihrem Lebensabend aufsuchte. Viele, so der Fotograf, hätten ein Leben lang über ihr Schicksal geschwiegen oder erst im hohen Alter über das erlebte Leid gesprochen. Manche haben die Kraft gefunden und, wie Stefan Hanke ausführte, immer wieder neu bis zum heutigen Tag Zeugnis abgelegt als Erinnerung und Mahnung für die Zukunft.

„Von einer unvorstellbar großen Zahl von Menschen sind keine Fotos im Alter möglich, weil sie jung ermordet wurden. Stefan Hanke bringt uns mit seinen Porträts diejenigen nahe, die die europäischen Konzentrationslager überlebt haben“, erklärte dazu Karl Freller. Der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten zeigte seine Freude darüber, dass es heute, 70 Jahre nach dem Holocaust, wieder etliche jüdische Gemeinden in Deutschland und Bayern gibt: „Der Stoff, aus dem Bayern gewebt ist, ist wieder durchwirkt von jüdischer Kultur!“ Freller machte deutlich, dass alle vier Landtagsfraktionen politisch gemeinsam für das jüdische Leben in Bayern einstehen.

Im Freistaat gehören derzeit wieder über 20.000 Menschen jüdischen Gemeinden an. Ein Großteil davon stammt aus der ehemaligen Sowjetunion oder ihren Nachfolgestaaten, einige wenige sind auch Nachkommen von Juden, die schon vor dem Krieg in Deutschland lebten. Dazu kommen Einwanderer aus anderen Ländern, insbesondere aus Israel und den Vereinigten Staaten.

Wie vielfältig und facettenreich jüdisches Leben in Bayern in der Gegenwart ist – das führte im Landtag die Europäische Janusz Korczak Akademie in Form einer szenischen Darstellung mit Menschen verschiedener Generationen und verschiedener Hintergründe vor Augen. Im Mittelpunkt standen dabei die bewegten Lebensläufe von Roman Haller und Josef Strzegowski.

Beschreibung einer Identität: „Davidstern und Lederhose“

Roman Haller wurde 1944 in einem Waldstück in der Nähe von Tarnopol in der heutigen Ukraine geboren und wuchs als Shoah-Überlebender nach dem Krieg in München auf. Er fasst seine Identität in zwei Worten zusammen: „Davidstern und Lederhose“. Josef Strzegowski wurde 1955 im polnischen Nowa Ruda geboren und kam mit vier Jahren nach Augsburg. Dort engagiert sich der Architekt heute in der Jüdischen Gemeinde und unterrichtet Hebräisch. In der Fuggerstadt gründete er zudem das interreligiöse Klezmer-Musikensemble „Feygele“.

An der Veranstaltung im Senatssaal nahmen auch viele junge Menschen teil – darunter rund 160 Schülerinnen und Schüler des Dante-Gymnasiums in München, der Staatlichen Berufsschule Dachau, des Luitpold-Gymnasiums aus München, der Sinai-Ganztages-Grundschule der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern sowie des Dossenberger-Gymnasiums aus Günzburg. Auch Zeitzeugen sowie drei in der Ausstellung porträtierte KZ-Überlebende – Mano Höllenreiner, Leon Weintraub und Herzog Franz von Bayern, dessen Familie 1939 aus Bayern emigrieren musste und 1944 von der SS nach Sachsenhausen sowie Flossenbürg und Dachau verschleppt worden war – befanden sich unter den vielen Gästen. 



Die Ausstellung „KZ überlebt“ ist vom 17. April bis 11. Mai 2015 im Kreuzgang des Maximilianeums zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 9 bis 16 Uhr, Freitag von 9 bis 13 Uhr. An Wochenenden sowie an Feiertagen kann die Ausstellung nicht besichtigt werden. Verkehrsverbindung Linien U4 / U5 Station Max-Weber-Platz oder Tram Linie 19, Haltestelle Maximilianeum.
Der Eintritt ist frei.

Randspalte

Seitenanfang