„Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ – Landtag eröffnet Ausstellung im Erinnerungsjahr 2014

Dienstag, 21. Oktober 2014
– Von Katja Helmö –

1914, 1939, 1989 und 2004 markieren Schicksalsjahre der europäischen Geschichte, die sich allesamt 2014 runden: Vor 100 Jahren brach der Erste Weltkrieg aus, vor 75 Jahren entfesselte Deutschland den Zweiten Weltkrieg. 25 Jahre sind seit den friedlichen Revolutionen und zehn Jahre seit der EU-Osterweiterung vergangen. Eine neue Ausstellung im Maximilianeum, die bis zum 12. Dezember 2014 im Foyer der Eingangshalle West zu sehen ist, wirft Schlaglichter auf diese bedeutenden historischen Wendepunkte im Europa des 20. Jahrhunderts.

Landtagspräsidentin Barbara Stamm würdigte bei der Ausstellungseröffnung die Arbeit des Münchener Instituts für Zeitgeschichte, des Deutschlandradios Kultur und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die die Dokumentation konzipiert haben: „Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Information der Besucherinnen und Besucher im Maximilianeum.“ Information sei die Währung der Demokratie erklärte Barbara Stamm und zitierte hierbei den amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson. Neue Medien böten im 21. Jahrhundert ungeahnte Möglichkeiten. Angesichts der Fülle und Flut von Nachrichten sei für das Funktionieren der Demokratie allerdings Medienkompetenz, also das Einordnen von Informationen, notwendig.

Genau dazu leistet die Ausstellung „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“ einen wertvollen Beitrag. Anhand 26 großformatiger Plakate wird gezeigt, wie die „Urkatastrophe“ des Ersten Weltkriegs mit ihrer Gewalterfahrung den Aufstieg der totalitären Bewegungen im 20. Jahrhundert begünstigt und die neuen Demokratien schließlich in die Defensive bringt. Die Ausstellung nimmt damit vor allem die langen Linien der europäischen Geschichte in den Blick. Die multimediale Schau mit zeithistorischen Tondokumenten von Deutschlandradio Kultur zeigt Zusammenhänge auf und regt dazu an, über Europa – seine Vergangenheit und die Zukunft, die sich daraus ergibt – nachzudenken.


Ein „Deutungsangebot“ machte bei der Vernissage Prof. Dr. Andreas Wirsching, Autor der Ausstellung und Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin. Im Zeitalter der Extreme hätten totalitäre Ideologen und Diktatoren versucht, die Probleme der modernen Welt durch konkrete Schuldzuschreibungen scheinbar zu vereinfachen, erklärte er. „An die Stelle der Akzeptanz von Komplexität trat die Einteilung der Welt in Freunde und Feinde.“ Prof. Wirsching stellte die Frage in den Raum, ob die Europäer nicht schon in der Zwischenkriegszeit eine materiell und politisch überlegene Macht von außen gebraucht hätten, einen Patron gewissermaßen, der ihre zum Teil kleinlichen, widerstreitenden Interessen zugunsten einer Lösung der großen Probleme in die Schranken gewiesen hätte. Aus seiner Sicht ist die Europäische Union in die Rolle jenes Patrons hineingewachsen, die den Europäern vor 1914 und nach 1918 fehlte. „Wir sind aufgerufen, das bestehende Europa pfleglich zu behandeln, seine Komplexität zu akzeptieren und Kräften der Selbstzerstörung entgegenzuwirken“, appellierte er.

Jahrhundertperspektive auf die gesamteuropäische Geschichte

Zu einem Blick auf die gesamteuropäische Geschichte rief Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin, auf: „Wir möchten mit der Ausstellung dazu einladen, die Geschichte der kommunistischen Diktaturen in Russland und Ostmitteleuropa als Teil der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zu begreifen.“ Die Teilung Europas, so Eppelmann, wirke bis heute im europäischen Geschichtsbewusstsein fort. Wer über den Ersten Weltkrieg spricht, müsse sich bewusst sein, dass dieser Krieg in ein Zeitalter der Extreme führte. Für Westeuropäer sei die zentrale Wegmarke zwischen Diktatur und Demokratie das Jahr 1945, für Osteuropäer jedoch erst das Jahr 1989 gewesen. Die Ausstellung, so Eppelmann, führe das geteilte europäische Gedächtnis zusammen.

Eppelmann zeigte sich zufrieden mit der bisherigen Resonanz der Ausstellung. Bundesweit sei diese „Jahrhundertperspektive“ mehr als 2000mal, allein in Bayern 120mal, sowie international in über zehn Sprachfassungen an öffentlichen Orten – etwa Foyers von Rathäusern, in Volkshochschulen, Stadtbibliothken, Schulen oder Kirchen – gezeigt worden.

Die Vernissage im Maximilianeum wurde musikalisch eindrucksvoll umrahmt vom Jugendsymphonieorchester Oberfranken unter der Leitung von Dirigent Till Fabian Weser, das u. a. „Lilli Marleen“, das berühmte Soldatenlied, mit der Mezzosopranistin Mareike Braun sowie „Letter from Home", also zwei Stücke aus dem Zweiten Weltkrieg, zur Aufführung brachte. /kh

Vom 22. Oktober 2014 bis 12. Dezember 2014 kann die Ausstellung kostenlos im Bayerischen Landtag besichtigt werden (Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 16.00 Uhr, Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr).

 

Weitere Informationen zur Ausstellung: „Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme“

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