75 Jahre Bayerische Verfassung

Podiumsdiskussion der Landeszentrale für politische Bildung

MÜNCHEN. Die Bayerische Verfassung wird heuer 75 Jahre alt: Im Juli 1946 kam die Verfassunggebende Landesversammlung in München zusammen, im Dezember nahmen die Bürgerinnen und Bürger sie in einem Volksentscheid an, wenige Tage später trat sie in Kraft. Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit hat dieses Jubiläum zum Anlass genommen, Bilanz zu ziehen.

In einer online übertragenen Podiumsdiskussion sprachen die Präsidentin des Bayerischen Landtags Ilse Aigner, der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Peter Küspert, der Historiker Professor Ferdinand Kramer, die Demokratieforscherin Professor Barbara Thiessen und Rupert Grübl, Direktor der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (blz) über die Inhalte der Verfassung, ihre Geschichte und die Gegenwart – moderiert von Monika Franz, stellvertretende Leiterin der blz und Dr. Ludwig Unger, Referatsleiter an der blz.

Entstehung: Bayerische Verfassung als Leitplanke

Landtagspräsidentin Ilse Aigner bezeichnete die bayerische Verfassung als "Goldstandard". Dem Zeitgeist zu folgen sei für viele in der Politik verlockend. Doch der sei ein "windiger Verbündeter". Die bayerische Verfassung sei eine wichtige, feste Leitplanke: „Sie setzt Werte, die nicht verhandelbar sind.“Ein Blick ins Ausland zeige, dass das keine Selbstverständlichkeit sei. Auch in Deutschland seien die Feinde der Verfassung lauter und sichtbarer geworden.  

Anders als das Grundgesetz sei die bayerische Verfassung dem Volk vorgelegt und von ihm angenommen worden, so der Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert. Sie sei geprägt von der Betonung von Eigenstaatlichkeit sowie Rechtsstaatlichkeit und Wehrhaftigkeit. Mit ihren plebiszitären Elementen sei sie eine Verfassung, die dem Volk viel zutraut.

Ein Ziel der Verfassung sei Stabilität gewesen, so der Historiker Ferdinand Kramer zu den Rahmenbedingungen, unter denen die Verfassung entstanden ist. Kurz nach Kriegsende sei die Rede gewesen von einer "Zusammenbruchsgesellschaft", eine Flüchtlingswelle sei absehbar gewesen. Die Gesellschaft sei gespalten gewesen und das Reich existierte faktisch nicht mehr. Doch die Verfassungsväter seien hochgebildete Menschen mit weitem Horizont gewesen, nicht nur die Ausnahmesituation 45/46 habe die Verfassung geprägt.

75 Jahre Bayerische Verfassung

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Aktuelle Herausforderungen: Partizipation und Diskussionskultur

Von den Moderatoren ins Spiel gebracht wurden Fragen nach der Akzeptanz von Demokratie und nach möglichen Reaktionen auf die Zunahme von Gewaltbereitschaft und Antisemitismus sowie auf die zum Teil enthemmten Diskussionen auf Social Media-Plattformen.

Demokratie müsse gelebt werden und könne auch gelehrt werden, so Demokratieforscherin Barbara Thiessen. Das könne schon in der Kita beginnen, aber auch in Unternehmen passieren. Thiessen sprach sich aus für Partizipation im Alltag, bei der etwa Partizipationsbeauftragte Bürgerinnen und Bürger unterstützen könnten. Gewalt und Kriminalität gingen eigentlich eher zurück - der Ton aber sei rauer geworden, so Thiessen.

Es gebe Anzeichen, dass die Demokratie in Gefahr ist und sie bereiteten ihm Sorge, sagte Rupert Grübl. Hier müssten Politik und politische Bildungsarbeit einhaken. Ein Beispiel war nach Ansicht Grübls der sogenannte "Sturm auf den Reichstag" im vergangenen Sommer, als Teilnehmer nach einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen versucht hatten, über Absperrungen in das Gebäude zu gelangen. Auf die Frage nach möglichen Reaktionen auf die Zunahme von Gewaltbereitschaft und Antisemitismus sagte er, es werde versucht, die Grenze des Sagbaren zu verschieben – aber: "Ja, es gibt eine Grenze", so Grübl.

Gerade in der Pandemie sei deutlich geworden, dass die individuelle Freiheit und das Wohlergehen des Einzelnen vom Zusammenwirken abhängt, sagte Peter Küspert. Freiheit sei die eine Seite der Medaille, Rücksicht die andere, so Ilse Aigner. „Freiheit kann nicht grenzenlos sein. Sagen darf man natürlich alles, aber Widerspruch muss man dann schon aushalten.“

/ Anna Schmid

 

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