Präsidium des Landtags auf Informationsfahrt in Kanada

Québec, 16. Mai 2015

– Von Anton Preis –

Das Landtagspräsidium hat bei seiner Informationsfahrt durch Kanada erste Kontakte zum Parlament der kanadischen Provinz British Columbia geknüpft. In Victoria, der Hauptstadt der Provinz an der kanadischen Westküste, trafen die bayerischen Abgeordneten Parlamentspräsidentin Linda Reid und weitere Abgeordnete sowie den Bildungsminister der Provinz, Peter Fassbender.


Das Präsidium des Bayerischen Landtags besuchte Kanada eine Woche lang. Neben Landtagspräsidentin Barbara Stamm nahmen die Vizepräsidenten Reinhold Bocklet, Peter Meyer und Ulrike Gote an der Reise teil, zudem die Präsidiumsmitglieder Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Hans Herold, Angelika Schorer, Reserl Sem und Sylvia Stierstorfer.

Barbara Stamm erklärte zum Auftakt der Reise in British Columbia: „Wir feiern heute Premiere: Es ist der erste Besuch des Präsidiums des Bayerischen Landtags in British Columbia. Im Rahmen der Partnerschaft der Parlamente habe es zwar schon den einen oder anderen Aufenthalt hier gegeben und auch einige Ausschüsse des Bayerischen Landtags waren bereits in British Columbia, jedoch seien noch nie Kontakte von Parlament zu Parlament direkt geknüpft worden. „In einer Welt, in der längst nicht mehr allein die Wirtschaft global agiert, in der wir uns über Grenzen hinweg den Herausforderungen stellen müssen, brauchen wir mehr denn je eine bi- und multilaterale Zusammenarbeit“, betonte die Landtagspräsidentin und lud die Gastgeber aus British Columbia in den Bayerischen Landtag ein. Parlamentspräsidentin Linda Reid begrüßte den Vorschlag zum parlamentarischen Austausch. Gerne, so versprach Reid, werde man mit einer Delegation nach Bayern kommen.

Die Gäste aus Bayern hatten zudem die Gelegenheit, an einer Plenarsitzung im Parlament in Victoria auf der Ehrentribüne teilzunehmen und wurden von der Präsidentin vor der Fragestunde im Plenum begrüßt. Diese Fragestunde im Plenum hat einen für die bayerischen Parlamentarier ungewohnten, nämlich britisch orientierten, Ablauf. In schnellem Wechsel und kurzen Wortbeiträgen mussten Kabinettsmitglieder nahezu spontan Oppositionsabgeordneten Rede und Antwort stehen.
Darüber hinaus informierte sich das Präsidium über das Parlamentsfernsehen in British Columbia. Neben einem Live-Stream werden die Plenardebatten in Victoria auch verschiedenen Fernsehsendern zur Verfügung gestellt, die diese dann landesweit ausstrahlen.

In Québec findet die 8. Sitzung der parlamentarischen Kommission Bayern-Québec statt

Nach der ersten Station in Kanada reisten die Abgeordneten nach Québec, der Hauptstadt der gleichnamigen Partnerregion Bayerns. Landtagspräsidentin Barbara Stamm eröffnete in der dortigen Nationalversammlung gemeinsam mit ihrem Amtskollegen Jacques Chagnon die mittlerweile schon 8. Sitzung der gemischten parlamentarischen Kommission Bayern-Québec. Chagnon lobte die enge Freundschaft zwischen beiden Ländern: „Ich sehe einige vertraute Gesichter in der bayerischen Delegation. Das beweist die Nachhaltigkeit unserer Beziehungen.“ Zugleich zählte er die breite Palette an gemeinsamen Themen auf, die in den vergangenen parlamentarischen Kommissionen behandelt wurde. Barbara Stamm erklärte ihrerseits in ihrer einführenden Rede: „Unsere Partnerschaft zwischen unseren Parlamenten ist eine ganz besondere. Sie besteht nicht allein auf dem Papier. Sie wird gelebt, wächst und gedeiht. Wir brauchen den Blick über den Tellerrand hinaus.“ Dieses Mal wolle die Delegation unter anderem beim Thema demographischer Wandel, Pflege, Einwanderungspolitik und Inklusion wissen, wie es den Freunden Bayerns in Québec ergeht, welche Probleme sie haben, welche Ideen sie antreiben und was Bayern daraus lernen könne, so Stamm. 
Bei der anschließenden Plenardebatte im Parlament hieß Jacques Chagnon die bayerischen Gäste auf der Ehrentribüne herzlich willkommen und kündigte die gemeinsamen Fachsitzungen an.

In der ersten Arbeitssitzung stellte Denis Royer, Direktor am Generalsekretariat des Landeswahlleiters von Québec, Vorstöße zur Modernisierung des Wahlrechts vor. Interessant dabei war, dass die "Wahlurnen zu den Wählern" kommen, beispielsweise werden in großen Einrichtungen wie etwa Altenheimen eigens Wahlurnen an Wahltagen aufgestellt. Francois Arsenault, Direktor für parlamentarische Arbeiten der Nationalversammlung, erläuterte Ausschuss- und Plenararbeit. Ausschüsse müssen dabei nicht notwendigerweise im Parlament tagen, sie treffen sich oft auch an anderen Orten zur regulären Sitzung. Bei Petitionen ist interessant, dass sich jeder Petent einen Parlamentarier suchen muss, der die Petition vorstellt. Dabei muss dieser Abgeordnete aber nicht notwendigerweise diese Position auch teilen. Beim Thema "Bürgerbeteiligung" waren sich beide Seiten einig, wie wichtig die politische Bildungsarbeit für Jugendliche ist.

Aktuelle politische Themen vorgestellt

Im Anschluss stellten Abgeordnete unter Führung von Norbert Morin und Stéphane Bergeron, Vize-Chefs der DANRBA, der Delegation der Nationalversammlung für die Beziehungen mit Bayern, aktuelle politische Themenfelder Québecs vor, darunter Versuche, das Rentensystem zu reformieren, die Erschließung des Nordens der Provinz durch den Plan Nord oder die Gesundheitspolitik. Ebenso gab die bayerische Seite einen Überblick über die politischen Themenschwerpunkte im Freistaat.

Neben den Arbeitssitzungen standen Gespräche mit den Parteiführern der Oppositionsparteien im Parlament auf dem Programm. Francois Legault (Avenir Québec) und Stéphane Bédard (Parti québecois) begrüßten die Bayerische Delegation und erläuterten ihre politischen Schwerpunkte. Bédard war dabei nur noch wenige Tage im Amt, denn während des Besuchs der Bayern in Québec stand eine Neuwahl des Parteiführers an, die Pierre-Karl Péladeau für sich entschied.

Einer der Höhepunkte des Besuchs war das Gespräch mit Premierminister Philippe Cuillard. Landtagspräsidentin Barbara Stamm überbrachte die Grüße des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und berichtete von dessen anstehender Italienreise und den damit zusammenhängenden Flüchtlingsfragen. Neben diesen Themen interessierte Cuillard besonders die Energiepolitik und die Ratifizierung des Freihandelsabkommens der EU mit Kanada (CETA). „Die Beziehungen zu Bayern gehören zu den wichtigsten internationalen Beziehungen Québecs“, lobte der Premier abschließend. Stamm versprach, weiterhin alles zu tun, was von Seiten des Bayerischen Landtags zur Vertiefung der Freundschaft möglich sei.

Best-Practice-Beispiele vor Ort angeschaut

Neben Fachgesprächen im Parlament standen auch Vor-Ort-Termine auf der Tagesordnung. Dabei besuchte die Delegation zuerst das Unternehmen TAQ, das mit über 70 % Anteil von Menschen mit Behinderung an der Gesamtbelegschaft von 200 Beschäftigten eine wichtige Vorbildfunktion einnimmt. Die Inklusion im Bildungswesen war Thema einer Arbeitssitzung in Baie St-Paul, eine Stadt nordöstlich von Québec am Sankt-Lorenz Strom. Vertreter der dortigen École Sir-Rodolphe-Forget erläuterten die Maßnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung. Ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der Vorgehensweise ist dabei der so genannte „Interventionsplan“, der zusammen mit Pädagogen, Eltern und nach Möglichkeit mit den betroffenen Schülern  erarbeitet und immer wieder modifiziert wird. Darüber hinaus überzeugten sich die Abgeordneten von der Leistungsfähigkeit der örtlichen Betriebe, so stand ein Besuch in einer Käserei und in einer lokalen Brauerei auf dem Programm.

Der Zugang zur Gesundheitsversorgung und Palliativmedizin war Thema im Centre d’hébergement du Boisé in Ste-Foy mit Führung durch die örtliche Pflegeeinrichtung. Ein weiterer Höhepunkt der Reise war - auch aufgrund der politischen Aktualität in Bayern - der Besuch der Konzerthalle in Montréal. Sie heißt „Maison symphonique de Montréal und beherbergt das Montrealer Symphonieorchester, das unter der Leitung des in München wohlbekannten Kent Nagano steht. Präsentiert wurden das Haus und die Orgel von Jean-Willy Kunz, Franzose mit österreichischen Wurzeln und Cheforganist des Orchesters. Rund 190 Millionen Euro teuer und mit öffentlich-privatem Beteiligungsmodell finanziert gilt der Konzertsaal als ein herausragendes Beispiel seiner Art weltweit.

Nach einer Woche reich an Arbeit und Eindrücken konnte die Delegation mit Fug und Recht behaupten, dass die Partnerschaft Bayern-Québec stark, tief und absolut erhaltenswert ist.

 

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