"Wir sind Sparringspartner"

Die deutsch-tschechischen Beziehungen haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten verändert. Wie wichtig die Partnerschaft heute ist und wie sie sich entwickelt hat, darüber diskutierten Akteure beider Länder im Bayerischen Landtag.

"Meine Maxime lautet: die deutsch-tschechischen und sudetendeutschen-tschechischen Beziehungen machen Spaß. Uns vereint, dass wir uns nichts mehr vormachen und uns als Partner schätzen", sagte Tomáš Kafka, Außenministerium der Tschechischen Republik. Kafka gab auf dem Symposium "Europäische Dialoge Vaclav Havels" im Bayerischen Landtag gemeinsam mit Bernd Posselt (MdEP a. D.) und Karel Schwarzenberg, Mitglied des Abgeordnetenhauses des tschechischen Parlaments und ehemaliger Außenminister der Tschechischen Republik, einen Rückblick zur Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehung. Denn das Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien sei nicht immer einfach gewesen, erinnerte sich Karel Schwarzenberg. "Auf beiden Seiten beherrschten Vorurteile die Szene, das hat sich völlig verändert. Heute werben Unternehmen in Tschechien mit Plakaten auf denen steht: "Ein durch und durch deutsches Produkt". Was heute bei uns als Qualitätsmerkmal gilt, wäre früher nicht verkaufbar gewesen", sagte er.

Am Anfang war Euphorie

Bernd Posselt erlebte die samtene Revolution 1989 selbst in Prag mit. "Am Anfang war die Euphorie, dass die lebendigen Beziehungen zwischen beiden Ländern jetzt nicht mehr unter dem geheimen Deckmantel des Kommunismus geführt werden müssen. Doch das Problem war: beide Länder waren nicht aufeinander vorbereitet und überfordert", sagte Posselt. Kafka fügte hinzu: "Es herrschte eine Art Naivität. Sowohl Deutsche als Tschechen dachten: Wenn jetzt der gemeinsame Gegner, das totalitäre Regime, nicht mehr existiert, dann können wir uns nahtlos verständigen. Doch diese Annäherung bedeutete Arbeit von beiden Seiten. Jetzt sind wir füreinander eine Art Sparringspartner. Das heißt, wir lernen in Diskussionen voneinander und auch von uns selbst."

Gemeinsame Ziele

Landtagspräsidentin Ilse Aigner nannte Erfolge der gemeinsamen Partnerschaft: "Besonders bemerkenswert ist es, dass wir in diesen Jahren imstande sind, nicht nur in der Gegenwart freundschaftlich zusammenzuwirken und gemeinschaftlich die Zukunft zu gestalten, sondern dass wir sogar in der Lage sind, uns gemeinsam der dunklen Vergangenheit zu stellen, wie 2017 in Theresienstadt und am 24. Januar 2020 zum gemeinsamen Gedenkakt in Passau." Aigner deutete aber auch daraufhin, dass beide Länder ganz unterschiedliche Perspektiven, Erlebnisse und Erfahrungen sowie Narrative hätten. "Es ist eine der großen Errungenschaften Europas, dass wir den Versuch wagen, von unterschiedlichen Perspektiven zu einer gemeinsamen Vision zu gelangen – zu gemeinsamen Erzählungen, gemeinsamen Zielen", sagte sie. Vor der Veranstaltung tauschte sie sich bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Botschafter Tomáš Jan Podivínský und Karel Schwarzenberg aus.

Alle Säulen im Blick

Zusammenarbeit ist beispielsweise in der Agrarwirtschaft gefragt. Tomáš Ignác Fénix, Mitglied des Europäischen Rats der Junglandwirte, schlug eine Brücke zu seinen Vorrednern, die sich auf die gemeinsame europäische Geschichte bezogen. "In der Landwirtschaft stehen sich verschiedene Positionen gegenüber. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir auf europäischer Ebene gemeinsam Ziele verfolgen", sagte der junge Landwirt. Wichtig sei dabei: "Wir dürfen nicht nur die Wirtschaftsförderung im Blick haben. Die EU-Agrarpolitik beruht auf drei Säulen. Dazu zählen die wirtschaftliche, ökologische und soziale." Doch gerade soziale Aspekte geraten immer mehr ins Hintertreffen. Ignác Fénix führte beispielsweise die Gegensätze zwischen Stadt und Land auf.

Austausch auf allen Ebenen

"Mit Veranstaltungen wie diesen, treten wir entschlossen Kritikern der Europäischen Union entgegen", fasste die Landtagspräsidentin die Bedeutung für gemeinsame Diskussionen und Begegnungen zusammen und erntete dafür Zwischenapplaus aus dem Publikum. Eine offene Frage sprach Aigner jedoch noch an: Wer braut das bessere Bier? Die Chance darauf eine Antwort zu finden, bieten sich im Rahmen von gemeinsamen Veranstaltungen immer wieder.

Anja Schuchardt

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