Kino im Landtag zeigt "Hundswut"
Drama im Dialekt – Wie weit kann eine Gemeinschaft gehen, wenn Gerüchte und Vorurteile zur Selbstjustiz führen?
9. Oktober 2024
MÜNCHEN. Im gut besuchten Senatssaal des Maximilianeums zeigte die Reihe Kino im Landtag eine Sondervorstellung des Films "Hundswut" von Regisseur und Drehbuchautor Daniel Alvarenga. Das düstere Historiendrama ist inspiriert von einem der letzten Hexenprozesse und spielt in einem bayerischen Dorf in der unruhigen Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.
Eine bayerische Produktion, gedreht mit bekannten bayerischen Schauspielerinnen und Schauspielern, an bayerischen Drehorten - dieser Film gehört für Landtagspräsidentin Ilse Aigner auf die Leinwand des Bayerischen Landtags. Aigner warnte aber in ihrer Begrüßung vor der Präsentation des Dramas zugleich, es sei ein Film, der einem nahe- und nachgeht. Es werde das Bild einer Dorfgemeinschaft gezeichnet, in der soziale Strukturen toxisch wirkten, Gerüchte Stimmungen vergifteten, Autoritäten brutal ihre Macht missbrauchten, "in der Menschen zu Gewalt fähig sind – in einer Unmenschlichkeit, wie man es ihnen nicht zugetraut hätte". Aigner sagte, "der Film ist dunkel, er ist düster", er lasse berührend und bedrückend in menschliche Abgründe blicken.
Folter und Erpressung statt Rechtsstaat
Bewegt habe sie vor allem die Dynamik des Films von Stimmungsmache und Gerüchten über die Suche nach einem Sündenbock bis hin zur Eskalation von Gewalt, wobei der Rechtstaat bewusst umgangen werde - ohne gerechtes Verfahren, Beweise und Verteidigung, stattdessen Folter und Erpressung. Der Film zeige "wie überlebenswichtig unser demokratischer Rechtsstaat ist." Für die Landtagpräsidentin ein aktuelles Thema: Die Kraft der Wut und des Hasses könne Undenkbares möglich machen, damals wie heute, hier und woanders.
Film ohne Förderung
Realisiert wurde der Film ohne Unterstützung von Streaminganbietern, Fernsehsendern oder staatliche Förderung. Ein Low-Budget-Projekt, produziert an lediglich 20 Drehtagen, möglich nur durch das Entgegenkommen der Schauspielerinnen und Schauspieler sowie der Filmcrew. Der anwesende Drehbuchautor und Regisseur Daniel Alvarenga erklärte, als sich herausgestellt habe, dass es keine Unterstützung gibt, hätten dennoch alle vor und hinter der Kamera weitergemacht.
In dem historischen Drama spielen unter anderen Markus Brandl, Christine Neubauer sowie Christian Tramitz und Max Schmidt. Auch Konstantin Wecker, der die Filmmusik komponierte stand mit seinem Sohn Tamino vor der Kamera. Gedreht wurde im Bayerischen Wald sowie in den Freilichtmuseen Finsterau (Niederbayern) und auf der Glentleiten (Oberbayern).
Darum geht es in dem Historiendrama
Der zweistündige Genre-Film spielt im Jahr 1932. Vier Jugendliche aus einem kleinen bayerischen Dorf werden ermordet. Um die Bewohner zu beruhigen, beschließt der Gemeinderat (Christian Tramitz, Sepp Schauer, Heio von Stetten, Max Schmidt, Christian Swoboda und Joachim Zons), die Tat einem Wolf zuzuschieben. Doch die Gerüchte werden immer lauter, dass der Täter ein Mensch oder gar ein Werwolf gewesen sein müsse. Verdächtigt wird der Einsiedler Joseph Köhler (Markus Brandl), der mit seiner Tochter am Waldrand, außerhalb der Dorfgemeinschaft wohnt. Um das Geschehen nicht nach München melden zu müssen, wo die Nationalsozialisten die Oberhand gewinnen, entsteht die Idee, Köhler nach Kirchenrecht als Werwolf anzuklagen. Als der sich weigert, die Tat zu gestehen, schlägt die Stimmung im Gemeinderat um. Nach Vorgabe des "Hexenhammers", einer mittelalterlichen Anleitung zur Verfolgung vermeintlicher Hexen, schrecken die Männer im Dorf auch vor Gewalt nicht zurück. Als der Einsiedler gefoltert wird, versuchen die Frauen des Dorfes, angeführt von Mini, der Ehefrau des Wirts (Christine Neubauer), das Schlimmste zu verhindern.
Aigner: "Das packt mich vom ersten Moment bis zum letzten"
Im anschließenden Filmgespräch moderiert von Timo Frasch, Bayern-Korrespondent der F.A.Z., erläuterte die Präsidentin des Bayerischen Landtags, warum sie sich den Film schon zur Premiere im April angeschaut hat. Allein schon die Entstehungs-Geschichte habe sie beeindruckt, vor allem, dass es ein Gemeinschaftswerk war, das durch Verzichte der Filmcrew möglich wurde. Die Produktion zeichne sich zudem durch unglaubliche Bilder aus. "Ich bin wieder ziemlich geplättet", sagte die Präsidentin. Das habe sie nun, beim zweiten Mal Anschauen noch stärker empfunden. "Der Film beruht ja leider auf wahren Vorkommnissen", so Aigner. "Die Geschichte mit dem Drehbuch dahinter, das packt mich vom ersten Moment bis zum letzten."
Alvarenga: "Den Film nimmt man so mit nach Hause"
Befragt, ob die Gewaltszenen nötig seien, antwortete der Drehbuchautor und Regisseur Daniel Alvarenga: "Eine böse Geschichte muss man böse erzählen." Sein Anliegen sei es gewesen, die Geschichte konsequent zu Ende zu erzählen. Man solle realisieren, wenn man den falschen Leuten zuhört, dann könne etwas passieren. "Ich glaube, den Film nimmt man so mit nach Hause."
Um den Film zu finanzieren und vermarkten sei die Thematik nicht einfach gewesen, gab Produzent Thomas Gottschall zu. Auch, dass Dialekt gesprochen werde, es Gewaltszenen gebe, aber er könne auch differenziert und damit ebenfalls künstlerisch denken. Wichtig für einen guten Film sei die Basis, er müsse nachvollziehbar sein.
Neubauer: "Der Film im Landtag macht mich saustolz!"
"Bei diesem Drehbuch wollte man nicht nicht dabei sein", brachte es Schauspieler Max Schmidt auf den Punkt. "Man wollte am Ende sagen können: Ich war dabei!
Die Frage des Geldes war keine." Unterstützung kam von Schauspielerin und Co-Produzentin Christine Neubauer. Alle hätten emotional gespürt: "Das ist genau der Kinofilm, den ich sehen will!" Alle Schauspieler hätten mitgemacht, weil ihnen das Buch gefallen habe. "Dass wir mit unserem Film im Landtag sein dürfen macht mich saustolz!", sagte Neubauer, begleitet von heftigem Applaus aus dem Publikum. Für sie persönlich sei einer der schönsten Drehmomente gewesen, als ihr der Wolf aus der Hand gefressen habe.
Ungeklärt blieb die Frage nach dem Mörder. Selbst die Schauspieler wissen es nicht. Alvarenga betonte allerdings, es sei eigentlich egal, wer der Mörder sei. Der Film habe eine machtkritische Aussage, die zeitlos und mehr denn je aktuell sei.
Das Bayerische Fernsehen strahlt den Film "Hundswut" am Samstag, 26. Oktober 2024 um 22 Uhr aus. Vom 25. Oktober bis 24. November 2024 ist er in der ARD Mediathek abrufbar.
Mit der Veranstaltungsreihe „Kino im Landtag“ bietet das Maximilianeum seit 2010 eine Plattform für die Begegnung zwischen Filmschaffenden, Abgeordneten und Fach-Journalisten.
Weitere Bilder des Abends in den ⇢ Pressefotos.
/ Miriam Zerbel