Rede zur Verleihung der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold an Dr. Joachim Gauck am

Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat dem ehemaligen Bundespräsidenten Dr. Joachim Gauck bei seinem Besuch im Maximilianeum die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold verliehen. Corona-bedingt war ein großer Festakt 2020 ausgefallen.

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Gauck,

vor rund zwei Jahren haben Sie gesagt:

„Länder wie Bayern aber haben es geschafft,
eine Verbindung zwischen ihrer Tradition
und dem Neuen zu schaffen,
Eigenes, Bewährtes weitgehend zu erhalten und gleichzeitig Neues zu schaffen. […]

Bayern hinkt ja nicht hinterher, weil es vielleicht etwas konservativer ist als andere Bundesländer,
im Gegenteil: Es geht voran.“

 

Ich muss an dieser Stelle eindeutig klarstellen:

Ihre Auszeichnung heute ist nicht etwa eine Gegenleistung für diese lobenden Worte.

Aber dankbar sind wir Ihnen natürlich schon.

 

Vor allem sind wir Ihnen zutiefst dankbar, weil Sie ein famoser Fürsprecher der Freiheit sind.

 

Sie haben auf all Ihren Lebensweg-Stationen,
in Positionen, Mandaten und Ämtern –

nicht zuletzt dem höchsten Staatsamt der Bundesrepublik – die Freiheit zum zentralen Thema gemacht.

 

Und dabei haben Sie sich nicht verloren in Selbstverständlichkeiten.

Nicht verloren in Diplomatie oder fremden Sphären.

Das Gegenteil war der Fall:

Selten tritt neben so klugen Geist so viel flammendes Herz.

Sie haben das Volk adressiert und Sie haben bei den Menschen Gehör gefunden.

Ja, ich habe Sie als Menschenfischer im besten Sinne erlebt.

Ihre Beiträge waren und sind stets eine Inspiration.

 

Wie könnte es auch anders sein?

Im Rückblick scheint alles so logisch, so konsequent.

  • Des Vaters beraubt, erst von Hitlers Krieg und dann von Stalins Schergen.
  • Engagiert als Pastor – im Gefängnis DDR.
  • Der Widerstand gegen Mauern, Leid und Unrecht.
  • Vom individuellen Schicksal hin
  • zum Blick für das große Ganze.

Sie sind fest verankert in christlichen Werten.

Kritisch gegenüber politischer Ideologie.

Kämpferisch gegen politische Gewalt.

Glaubend auch an die Kraft friedlichen Protests.

Ihr Handeln war immer Werte-geleitet und für uns Bürgerinnen und Bürger Werte-setzend:

Ein Aufruf zur Freiheit.

 

In diesem Sinne haben Sie Kirchentage gemacht.

Haben Friedensgebete geleitet.

Haben das Neue Forum mitbegründet.

Sie haben in der Widerrede der SED-Diktatur die Stirn geboten.

Und Sie haben damit schließlich auch Ihren Beitrag zur Deutschen Einheit geleistet.

 

Was heute so logisch, so konsequent erscheint,
war es damals keineswegs.

Es brauchte enormen Mut, die Stimme
für die Freiheit zu erheben und
gegen Bespitzelung, Haft und Unfreiheiten aller Art.

Als Geistlicher, als Bürger, als Mensch für seine Überzeugungen einzustehen gegen Druck und Unterdrückung.

Die Sehnsucht nach Freiheit kann enorme Kräfte entfesseln – das haben Sie uns mit Ihrem Wirken gelehrt.

Kurz auch als Abgeordneter, als einer von uns.

 

Und dann die Aufarbeitung des DDR-Unrechts als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Sie haben Licht ins Dunkel gebracht.

Sie haben Rehabilitation, Gerechtigkeit, ermöglicht.

Haben gegen Legendenbildung, gegen Verharmlosung, gegen Leugnung gearbeitet.

Sie haben den Menschen die Augen geöffnet. 

Sicher war es für viele schmerzhaft.

Doch Gewissheit zu haben, war auch heilsam.

 

Ich meine:

Man kann nicht frei sein, wenn man im Dunkeln tappt oder die Augen verschließt.

Sie haben in der „Gauck-Behörde“ Ihren Dienst
für die Freiheit fortgesetzt, haben ihn klar im Urteil und zugleich nicht unversöhnlich gestaltet.

Schlussstrich? Nicht mit Ihnen.

Die Diktatur aufzuarbeiten war ein Dienst für unsere Demokratie – und zwar allerersten Ranges!

 

Als Bundespräsident wussten Sie die Macht des Wortes, Ihres Wortes, zu nutzen:

Sie haben es vermocht,

das Selbstbewusstsein der Deutschen zu stärken,

ihnen Mut zuzusprechen.

Aber ohne Hybris, ohne Übermut.

 

Ich habe mir als Präsidentin des Bayerischen Landtages – um ehrlich zu sein – Ihre Worte zu eigen gemacht.

Mich an Ihnen angelehnt.

 

Denn Sie sagten damals:

„Die Bundesrepublik ist das beste Deutschland,
das wir je hatten“.

Und ja, ich bin mit Ihnen der festen Überzeugung –
trotz all der Herausforderungen und Krisen –,
auch heute gilt:

Dieser Staat ist der beste, den wir je hatten!

 

Sehr geehrter Herr Dr. Gauck,

Sie haben uns gefordert, über all die Jahre.

Dass wir uns auseinandersetzen mit uns selbst.

Sie haben uns aufgefordert, in der Stimmungsdemokratie nicht jeder Stimmung nachzugeben.

Sie haben uns aufgefordert, nicht den Extremen auf den Leim zu gehen.

Und – Sie haben uns auch aufgefordert zur Gesprächsbereitschaft.

 

Zuhören. Austauschen.
Kompromisse nicht verächtlich machen.

Ausgrenzung kann in einer Gesellschaft,
die auf den Zusammenhalt angewiesen ist,
kein Mittel der Wahl sein.

 

So nehme ich Ihre Beiträge auch heute wahr.

Jeder Ihrer Beiträge ist eine Bereicherung für den Debattenraum in Deutschland.

 

Als, ja, famoser Fürsprecher der Freiheit haben Sie immer die „Freiheit für etwas“ betont.

Diesen konstruktiven Grundton schätzen wir sehr.

Weil unser Gemeinwesen, unsere Demokratie, von der Mitwirkung lebt.

 

Sehr geehrter Herr Dr. Gauck,

Freiheit darf nicht banal, darf nicht selbstverständlich werden.

Für dieses Selbstbewusstsein der Demokratie und der Demokratinnen und Demokraten braucht es Vorbilder.

Sie sind ein solches Vorbild.

Und deshalb ist es mir eine große Ehre, Sie mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Go

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