Landtag diskutiert über die Lage des Handwerks in Bayern
Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion
MÜNCHEN. Mit rund einer Million Beschäftigten in mehr als 200 000 Betrieben zählt das Handwerk zu den Stützen der bayerischen Wirtschaft. Allerdings sieht sich die Branche mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Auf Antrag der SPD-Fraktion beriet der Landtag in einer Aktuellen Stunde zum Thema "Handwerk schafft Zukunft für Bayern" über Unterstützungsmöglichkeiten durch die Politik.
Nach Einschätzung von SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer gibt es Lücken in der Handwerksförderung des Freistaats. "Wir brauchen eine echte Zukunftsstrategie für das Handwerk, im Doppelhaushalt fehlt dafür die klare Prioritätensetzung", sagte der Maler- und Lackierermeister aus Oberfranken. Nachholbedarf sah er bei der Unterstützung der sich zunehmend schwieriger gestaltenden Unternehmensnachfolge. Hier schlug Grießhammer einen "Nachfolgebonus" vor. Wegen des rasant verlaufenden technischen Fortschritts müssten auch die handwerklichen Schulungsstätten besser ausgestattet werden. Diese kostspieligen Investitionen könnten die Handwerkskammern nicht alleine leisten. Zudem falle der Digitalbonus gerade für kleine Betriebe zu niedrig aus.
SPD: Nachbesserung beim Bürokratieabbau nötig
Handlungsbedarf erkannte Grießhammer auch beim Bürokratieabbau. Die von der Staatsregierung bislang vorgelegten Modernisierungsgesetze reichten noch nicht aus. Sie müssten speziell unter dem Blickwinkel des Handwerks nachgebessert werden. Um dem Fachkräftemangel im Handwerk entgegenzuwirken, plädierte der SPD-Fraktionschef für eine breit angelegte Imagekampagne, die weitere Aufwertung der beruflichen Bildung und ein Qualifizierungsprogramm für Quereinsteiger. Zudem müsse die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse schneller ablaufen. Die Attraktivität der Handwerksberufe müsse durch "gute Tarifabschlüsse" gesteigert werden. Dazu gehöre dann auch ein Tariftreuegesetz, nach dem öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden dürften, die nach Tariflohn bezahlten.
Auf die vorhandenen Förderprogramme des Freistaats für das Handwerk verwies Martin Wagle (CSU). Diese reichten vom Meister- über den Digitalbonus bis hin zu Ausbildungshilfen. Man unterstütze damit den "Unternehmergeist", während die SPD für eine "Umverteilung zu Lasten der Leistungsträger" stehe. Wagles Fraktionskollegin Martina Gießübel betonte die Bedeutung der vom Freistaat geförderten dualen Ausbildung, die Chancen für beruflichen Aufstieg im Handwerk eröffne. "Es ist kein Makel, kein Abitur zu haben", betonte sie. Kein Verständnis für Grießhammers Kritik an der Staatsregierung zeigte auch Markus Saller (FREIE WÄHLER). Diese gewähre dem Handwerk unter anderem Investitionszuschüsse, fördere die Digitalisierung und beteilige sich an der Beratung bei Betriebsübergaben.
AfD will kostenlosen Führerschein für Azubis
Als unglaubwürdig ordnete Johannes Meier (AfD) die Initiativen der SPD ein. Die Problemfelder aus Sicht des Handwerks wie hohe Energiepreise, Bürokratie sowie Steuer- und Abgabenlast seien Folge der Berliner Regierungspolitik mit langjähriger SPD-Beteiligung. Hier müsse Grießhammer ansetzen. Zur Attraktivitätssteigerung der Handwerksberufe verwies Meier auf den Vorstoß seiner Fraktion, die Führerscheinkosten für erfolgreiche Azubis im Handwerk vom Freistaat zu übernehmen. Der AfD-Abgeordnete Markus Striedl ergänzte, Handwerk brauche Freiheit statt Vorgaben, Verordnungen und Förderrichtlinien.
Um den Fachkräftemangel im Handwerk zu lindern, forderte Andreas Birzele (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) die aktive Integration von zugewanderten Menschen. Dort schlummere ein "enormes Potenzial". Oft fehle es aber an der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse oder schlicht an der Arbeitserlaubnis. Zugleich betonte Birzele die Rolle des Handwerks bei der Umsetzung der Klimapolitik, weshalb es “nach Kräften” unterstützt werden müsse, beispielsweise durch Fortbildungsmöglichkeiten. Birzeles Fraktionskollegin Barbara Fuchs sprach sich für eine gezielter auf das Handwerk ausgerichtete Schulpolitik aus. Jedes Jahr verließen rund fünf Prozent der Schulabgänger die Schulen ohne Abschluss, knapp 15 Prozent der jungen Menschen bis 35 hätten keinen Berufsabschluss. Hier müsse angesetzt werden, um mit entsprechender Förderung dem Handwerk mehr Nachwuchskräfte zuführen zu können.
Aiwanger: “Bayern tut, was es kann”
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) verortete die Verantwortlichen für die Sorgen des Handwerks in Berlin. So habe die Bundesregierung mit ihrer "verfehlten Wirtschaftspolitik" und ihrer "Leistungs- und Eigentumsfeindlichkeit" Verunsicherung im Handwerk geschürt und für zusätzliche Belastungen gesorgt. "Wir in Bayern tun, was wir tun können", betonte Aiwanger. Neben dem Abbau belastender Kosten und Vorschriften verlangte er eine Flexibilisierung der Arbeitszeitregelungen. Diese seien vor allem für Außenberufe mit ihrer Wetterabhängigkeit zu starr. "Man muss einen Handwerker nicht vor selber schützen", urteilte Aiwanger. Zudem sprach er sich dafür aus, die Zahl der meisterpflichtigen Handwerksberufe wieder zu erhöhen. Die falsch verstandene Liberalisierung in diesem Punkt gefährde die Qualität im Handwerk.
/Jürgen Umlauft