Zweite Befragung der Staatsregierung in der Coronakrise

Zahlreiche Abgeordnete nutzten auch dieses Mal das neue parlamentarische Kontrollinstrument

10. Dezember 2020

MÜNCHEN.      Wie kann die Corona-Pandemie eingedämmt werden? Vor dem Hintergrund einer in ganz Bayern kritischen Lage stand im Bayerischen Landtag am vergangenen Donnerstag zum zweiten Mal die Regierungsbefragung zur Corona-Krise auf der Tagesordnung. Seit diesem Dezember haben die Parlamentarier einmal pro Sitzungswoche die Möglichkeit, die Mitglieder der Staatsregierung direkt zur Corona-Pandemie und den damit in Zusammenhang stehenden Themen zu befragen.

Während der voraussichtlich letzten Sitzung des Bayerischen Landtags im Jahr 2020 war die Lage in der Corona-Krise einmal mehr im Fokus der Abgeordneten. Die Corona-Zahlen steigen auch in Bayern weiter an: Binnen eines Tages wurden nach den Angaben des Leiters der Staatskanzlei Florian Herrmann (CSU) 4983 Neuinfektionen gezählt. Zudem habe es 105 Todesfälle gegeben.

Herrmann warnte in seinem einführenden Bericht eindringlich vor einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems. "Die Wahrscheinlichkeit, dass wir an die Grenzen der Belastbarkeit kommen, steigt“, so Herrmann. Das Virus folge weder dem Kirchenjahr noch unseren persönlichen Plänen. Mit Blick auf die Pandemie ginge es nicht nur um Bettenplätze und Beatmungsgeräte, sondern vor allem um die Menschen, die das Gesundheitssystem tragen würden. Diese Menschen dürfe man nicht aus dem Blick zu verlieren, mahnte Herrmann. Je länger die Pandemie dauere, desto höher sei auch die Belastung und das Ausfallrisiko des medizinischen Personals. In diesem Zusammenhang appellierte Hermann nochmals an die Um- und Vorsicht der Bürger. Es gelte das Feuer im Ofen einzuhegen, bevor das Haus in Vollbrand stünde. Gleichzeitig hob Herrmann hervor, dass die nunmehr vorhandene Verfügbarkeit eines wirksamen Impfstoffes eine enorme Errungenschaft der Medizin darstelle und den Weg aus der Krise zeige. Allerdings dürfe der Lichtblick "Impfstoff" jetzt nicht leichtfertig verspielt werden.

Katherina Schulze (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) eröffnete die Fragerunde und erkundigte sich danach, warum noch keine einheitliche IT-Struktur bei den Gesundheitsämtern etabliert worden sei. So hätte eine Anfrage der GRÜNEN ergeben, dass bei 69 Gesundheitsämtern die Nutzung der Software "SORMAS" noch nicht möglich sei, mit der Infizierte schneller identifiziert werden könnten. Lediglich fünf Gesundheitsämter hätten diese Software eingerichtet. Bei seiner Antwort verwies Herrmann darauf, dass der Einsatz von Software immer wieder an die dynamische Infektionslage angepasst werden müsse, was Zeit in Anspruch nehme. Der wichtigste Punkt für die Gesundheitsämter sei indes eine ausreichende Personalausstattung sowie geringere Fallzahlen. Bei den derzeit hohen Infektionszahlen stoße jedes Gesundheitsamt an sein Grenzen, gleichgültig welche Software als Hilfsmittel eingesetzt werde.

Auf die Frage von Manfred Eibl (FREIE WÄHLER) nach dem aktuellen Stand bei der heimischen Produktion von Atemschutzmasken erläuterte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER), dass die Staatsregierung zur Beschaffung der besonders sicheren FFP2-Masken eine sehr erfolgreiche Kooperation mit einem bayerischen Automobilzulieferer eingegangen sei. Hierdurch sei es gelungen, eine rein bayerische Lieferkette von FFP2-Masken aufzubauen – vom Rohstoffgranulat bis hin zur Produktion. Bis Jahresende sollen auf diesem Wege 70.000 FFP2-Masken pro Tag produziert werden. In diesem Zusammenhang appellierte Aiwanger an die Bayerische Bevölkerung, zertifizierte FFP2-Masken zu kaufen, da diese "wenig Geld kosten und sehr effektiv sind". So könne jeder Bürger seinen Beitrag bei der Bekämpfung des Corona-Virus leisten.

Im Anschluss wollte Uli Henkel (AFD) von der Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, Melanie Huml (CSU) wissen, inwiefern sich Bayern auf Reiserückkehrer – speziell im Pflegeberich – vorbereite, die über Weihnachten ihre Familien in Hochrisikogebieten im Ausland besuchten und nach ihrer Rückkehr ein gesteigertes Risiko zum Beispiel für Bewohner von Pflegeheimen darstellten. Huml verwies diesbezüglich auf eine intensive Testung des Pflegepersonals, das präventiv zwei Mal pro Woche auf das Virus getestet würde. Außerdem seien in Bayern Corona-Tests für die Bevölkerung nach wie vor gratis, sodass sich Reiserückkehrer – vergleichbar zur Situation im Spätsommer – wieder an Autobahnen, Flughäfen und Bahnhöfen kostenfrei testen lassen könnten. Zudem würden Pflegeheime zusätzlich mit FFP2-Masken versorgt.

Magret Wild (SPD) richtete an Kultusminister Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER) die Frage, aus welchen Gründen nicht allen Lehrern im Rahmen des individuellen Arbeitsschutzes FFP2-Masken zur Verfügung gestellt würden. Auch erfolge die Versorgung der Schulen mit FFP2-Masken zu langsam, kritisierte Wild. Hierauf entgegnete der Kultusminister, dass unter gewöhnlichen Umständen der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern zwischen Lehrern und Schülern im Schulalltag gewahrt sei. Aus seiner Sicht machten daher lediglich besondere Situationen, wie das Pausengeschehen oder der Schutz von Risikolehrkräften den zusätzlichen Einsatz von FFP2-Masken notwendig. In jedem Fall setzte er sich aber für die Bestellung einer zweiten Tranche hochwertig zertifizierter Masken nach den Weihnachtsferien ein, so Prof. Dr. Piazolo.

Anschließend fragte Sebastian Körber (FDP) die Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, Kerstin Schreyer, wie dem Ansturm von Pendlern in den Öffentlichen Verkehrsmitteln begegnet werden solle. Ihn habe die Aussage der Ministerin irritiert, wonach die Masken in Bussen und Bahnen den Abstand ersetze könne. Nach dieser Logik könnten, so Körber, aktuell geltende Beschränkungen, etwa im Einzelhandel ebenfalls wieder aufgehoben werden. Staatsministerin Schreyer antwortete darauf, dass man trotz geringerer Auslastungen der öffentlichen Verkehrsmittel aktuell "Volllast" fahre und bereits zusätzliche Busse und Transportmittel in Kooperation mit Reisebusunternehmen zur Verfügung gestellt habe. Das Tragen einer Maske sei jedoch das Gebot der Stunde in öffentlichen Verkehrsmitteln, da Sicherheitsabstände nicht immer eingehalten werden könnten.

Beate Merk (CSU) erkundigte sich bei Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nach dem aktuellen Stand in den Kliniken. Sie mache sich sorgen, dass die Dramatik der aktuellen Lage noch immer in der Bevölkerung unterschätzt werde, betonte Merk. Dieser Befürchtung mochte die Staatsministern nicht widersprechen. "Aktuell spitzt sich die Lage in den Krankenhäusern zu, das muss man so deutlich sagen", antwortete Huml. In einigen Regionen kämen die Intensivstationen bereits an ihre Belastungsgrenze. Rund 3300 Corona-Patienten würden derzeit auf Normal- und Allgemeinstationen behandelt und 663 Patienten auf Intensivstationen mit Beatmungsmöglichkeit. Diese Zahlen seien erheblich höher als noch vor einigen Wochen.

Vor dem Hintergrund zunehmender häuslicher Gewalt in der Pandemie fragte Doris Rauscher (SPD) nach effektiven Hilfsmöglichkeiten für Frauen und Kinder. Ihr bereite Sorge, dass während der Pandemie viele Vorsorge- und Hilfeeinrichtung geschlossen blieben. Carolina Trautner, Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, wies in ihrer Antwort darauf hin, dass insoweit versucht werde, das digitale Angebot auszuweiten. Zusätzlich hätten Betroffene die Möglichkeit, sich an die Initiative „Bayern gegen Gewalt" zu wenden und das sogenannte Hilfetelefon in Anspruch zu nehmen. Selbstverständlich sei Betroffenen in zugespitzten häuslichen Situationen auch jederzeit erlaubt, trotz Ausgangssperren das Haus zu verlassen, unterstrich die Staatsministerin am Ende der Fragestunde.

/ Eva Mühlebach

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