Gedenken an ehemalige Landtagspräsidentin Barbara Stamm

Würdigung in der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags

12. Oktober 2022

MÜNCHEN.      Zu Beginn der heutigen Plenarsitzung hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner Leben und Wirken ihrer Amtsvorgängerin Barbara Stamm gewürdigt. Stamm ist vergangene Woche nach längerer Krankheit in Würzburg verstorben.

Die Rede von Landtagspräsidentin Ilse Aigner im Wortlaut:

"Bevor wir in die Tagesordnung eintreten,
wollen wir auch hier, gerade hier –
im Zentrum ihres langjährigen Wirkens –
Abschied nehmen von der ehemaligen Landtagspräsidentin Barbara Stamm.
Sie ist am 5. Oktober mit 77 Jahren verstorben.

Ich darf Sie bitten, sich zum Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
das ist ein besonderer Abschied.
Er geht mir auch persönlich sehr nahe.
Für viele hier war Barbara Stamm über Jahre unsere Präsidentin. Wegbegleiterin. Ratgeberin. Freundin.
Im Maximilianeum hat sie wichtige Weichen gestellt:
Sie hat das Hohe Haus noch viel stärker als zuvor für die Öffentlichkeit geöffnet; und dafür auch neue Veranstaltungsformate eingeführt.
Auch die Erinnerungskultur des Parlaments hat sie auf eine neue Ebene gehoben.
Hunderte Bürgeranliegen hat sie sich direkt auf ihren Schreibtisch geholt, durch ihr Büro aufklären lassen – und sich selbst mit Autorität und Einsatz dahintergeklemmt.
Mit dem Kinderhaus „MiniMaxi“ initiierte sie die erste Kindertagesstätte in einem Landesparlament; und mit dem Konferenzbau eines der ersten Bürogebäude im Passivhaus-Standard in Bayern.  
Weil auch sie der Auffassung war, dass das Parlament in Sachen Energieeinsparung vorangehen sollte.
Sie hat die Herzkammer der bayerischen Demokratie zu einem hochmodernen Arbeitsparlament gemacht
– mit Vorbildcharakter.
Weil sie wusste, was sie tat.
42 Jahre war sie selbst Mitglied des Bayerischen Landtags – das hat Seltenheitswert.
Keinen Tag hat sie vergessen,
welche Verantwortung mit ihrem Mandat einhergeht – aber auch: welche Chancen.  
Stadträtin, Abgeordnete, Beauftragte der Staatsregierung, Staatssekretärin, Staatsministerin, stellvertretende Ministerpräsidentin
– stets machte sie aus ihren Möglichkeiten mehr.
Sie machte das Beste daraus
– das Beste für die Menschen in Bayern.

Dasselbe gilt für die Vielzahl ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten – etwa an der Spitze der Caritas, der Lebenshilfe, der Volkshochschulen, des Health Care Bayern, der Kinderhilfe Rumänien und der Landesstiftung.
Ihr Blick ging dahin, wo andere die Augen zumachen.
Wo Not ist, Schmerz, Behinderung, Krankheit, Tod.
Wo die Welt nicht heil ist.
Genau da hat sie Hand angelegt.
Hand gehalten.
Sie hat sich gekümmert.

Barbara Stamm war buchstäblich Landesmutter.
Die erste in Bayern.
Nächstenliebe, Fürsorge, Empathie – Emotionen – heute ist die Politik voll davon.
Wie echt das alles ist, steht auf einem anderen Blatt.
Bei Barbara Stamm war es immer echt.
Jede Träne – aber auch jedes Lachen.
Und auch daran will ich erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Barbara Stamm war ein ungemein fröhlicher Mensch – dem Schicksal zum Trotz.
Sie hat gerne gefeiert, nicht nur im Fasching.
Oft wurde es spät – besser gesagt, früh.
Und sie war viel unterwegs – im ganzen Land.
„Bei die Leut.“
Bis zuletzt.

Geboren wurde sie noch im Krieg, am 29. Oktober 1944 in Bad Mergentheim.
Sie arbeitete als Erzieherin und folgte nach der Geburt ihres ersten Kindes zunächst der klassischen Rollenverteilung: Haushalt, Teilzeit.
Das aber blieb eine kurze Episode in ihrem Leben.

Über die Kommunalpolitik im Würzburger Stadtrat führte sie ihr Weg 1976 in den Bayerischen Landtag.
Sie übernahm führende Aufgaben – in ihrer Fraktion, in der Staatsregierung, im Landtag und in vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Was wie eine gerade Karriere-Linie aussieht – war alles andere als vorgezeichnet.
Und das ist es, was für mich neben ihrer zutiefst menschlichen Art so bewundernswert bleibt.
Ihr Erfolg war ihr eben nicht in die Wiege gelegt.
Sie hat hart kämpfen müssen in ihrem Leben.
Sie hat hart kämpfen müssen,
um zu werden, wer sie war.
Sie hat hart kämpfen müssen, um so Großartiges leisten zu können –
für uns, für den Parlamentarismus, für Bayern, für die Menschen in unserem Land.

Es war ihr eben nicht in die Wiege gelegt.
Und vielleicht war sie genau deshalb keinen Moment beliebig, unentschieden, still.
Sie war sehr klar in ihrer Haltung.
Beherzt, couragiert, kämpferisch, leidenschaftlich.
In ihrem Einsatz für die Chancengleichheit von Frauen in unserer Gesellschaft,
In ihrem Einsatz für Demokratie.
In Ihrem Einsatz für Freiheit.
In Ihrem Einsatz für Menschlichkeit und Nächstenliebe in unserer Gesellschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Barbara Stamm war über Jahre die Seele dieses Hohen Hauses, die Seele unseres Landes.
Sie war, sie bleibt ein Leuchtturm für Demokratie und Menschlichkeit in Bayern.
Auch nach ihrem Ausscheiden war sie nie wirklich weg aus dem Bayerischen Landtag.
Sie blieb eine tragende Säule.
Sie blieb ein Teil von uns.
Und so werden wir uns an sie erinnern.

Der Bayerische Landtag trauert mit ihren Angehörigen und wird ihr ein ehrendes Gedenken bewahren."

/ PR

Randspalte

Seitenanfang