Landtag debattiert über Migrationspolitik

Aktuelle Stunde im Plenum

13. Dezember 2022

MÜNCHEN.   Auf Vorschlag der AfD haben die Abgeordneten die Themen Asyl- und Migrationspolitik im Plenum debattiert. Schwerpunkte der Diskussion waren die Herausforderungen bei der Integration, die Begrenzung der illegalen Migration, die Fachkräfteeinwanderung sowie die Frage, ab wann Zugewanderte die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollen.

Richard Graupner (AfD) eröffnete die Aktuelle Stunde mit einem Hinweis auf den Mord in Illerkirchberg. In dem Baden-Württembergischen Ort hatte ein 27-jähriger Eritreer zwei Schülerinnen auf dem Schulweg angegriffen und mit einem Messer schwer verletzt. Eines der Opfer, ein 14-jähriges Mädchen, starb später in der Klinik. Graupner wertete in seinem Redebeitrag die Tat als direkte Folge einer fehlgeleiteten Migrationspolitik. Die Menschen in Bayern würden merken, dass „ihre Heimat Stück für Stück unwiederbringlich verloren geht.“ Gleichzeitig trauten sich die Bürger nicht, ihre kritische Meinung offen zu äußern, um nicht stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. „Täglich sind Bayerns Bürger und Bürgerinnen gezwungen, dabei zuzusehen, wie Städte zunehmend in Parallelgesellschaften zerfallen“, so Graupner. Einwanderungspolitik verkomme dabei immer mehr zur Sozialeinwanderung. Dass Grenzen nicht gesichert werden könnten, sei ebenso eine „eine Lüge“, wie die Behauptung, dass vor allem „die Schwachen, Verfolgten und Schutzbedürftigen nach Bayern“ kämen. Ebenfalls als Lüge bezeichnete Graupner, dass vor allem gut ausgebildete Fachkräfte einwanderten. Um diese „migrationspolitische Irrfahrt“ zu stoppen, forderte Graupner eine sofortige Schließung der deutschen Grenzen. So müsse „jeder Illegale“ an der Grenze strikt zurückzugewiesen werden. Zudem bedürfe es einer konsequenten Abschiebung aller abgelehnten und straffällig gewordenen Asylbewerber, einer Unterbindung des Familiennachzugs sowie der Umstellung von Geld auf Sachleistungen im Asylbereich. Abschließend plädierte Graupner für eine Rückkehr zu einem Staatsangehörigkeitsrecht wie es bis 1999 in Deutschland Gültigkeit hatte.

Forderungen nach geordneter Fachkräfteeinwanderung und konsequenter Rückführung Ausreisepflichtiger

Karl Straub (CSU) hielt Graupner entgegen, dass in diesem Jahr rund 1,1 Mio. Personen als schutzbedürftige Menschen aus der Ukraine geflohen seien. Diesen Menschen müsse Schutz gewährt werden. Gleichzeitig fügte Straub hinzu, dass Einwanderung nicht nur positive Effekte habe. Problematisch sei momentan die Unterbringung und Integration, insbesondere vor dem Hintergrund, dass aktuell „so viele Menschen nach Bayern kämen“. So seien allein im vergangenen November 30.000 Asylanträge gestellt worden. Dies mache sich insbesondere im Bildungsbereich bemerkbar, so Straub: Verschiedene Studien in der jüngsten Zeit besagten demnach, dass viele Kinder in der vierten Klasse nicht ausreichend rechnen und schreiben könnten. Dies sei eindeutig ein Problem der Migrationspolitik der letzten Jahre, folgerte Straub. Auch im Hinblick auf Rückführungen sieht Straub Verbesserungspotential. „Leute hierzulassen, die über Jahre ihre Identität verschleiert haben“, löse, nur weitere „Pull-Effekte“ aus, die es zu verhindern gelte. Geordnete und konsequente Rückführungen könnten laut Straub dazu beitragen, die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger hinsichtlich der Asly- und Migrationspolitik zu steigern. Abschließend wandte sich Straub mit Nachdruck gegen die Möglichkeit mehrerer Staatsbürgschaften: Bayern sei zwar immer Einwanderungsland gewesen, so Straub, aber „jemand, der Deutscher werden will, muss auch bereit sein, seine bisherige Staatsbürgerschaft abzugeben“, hob Straub hervor.

Einwanderung als Chance gegen den Fachkräftemangel

Gülseren Demirel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) konstatierte zu Beginn ihrer Rede, dass jeder Fünfte in Bayern eine Migrationsgeschichte habe und Menschen mit Migrationshintergrund seit Jahrzehnten in Bayern erwerbstätig seien. Bayern als Einwanderungsland zu bezeichnen, reiche ihrer Ansicht nach aber nicht aus: Ein Einwanderungsland brauche vielmehr „klare Strukturen für Integration“ und müsse sich mit dem Thema Einbürgerung auseinandersetzen, so Demirel. Konkret forderte Demirel unter anderem ein strukturiertes Verfahren zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Aus Sicht der GRÜNEN litten derzeit zu viele „junge, kräftige Männer und Frauen“ darunter, nicht arbeiten dürfen, obwohl die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sehr hoch sei, betonte Demirel. Aus den Unternehmen in Bayern sei derzeit zu hören, dass nicht nur Fachkräfte, sondern auch generell Arbeitskräfte benötigt würden. „Ohne Migration, ohne Einwanderung würden in Bayern viele, viele Arbeitsbereiche stillstehen bzw. nicht funktionieren“, konstatierte Demirel. Trotzdem seien Menschen mit Duldung jahrelang gezwungen, Sozialhilfe zu beziehen, weil sie nicht arbeiten dürften bzw. keine Arbeitserlaubnis bekämen. Das Chancen-Aufenthaltsgesetz sei nun endlich ein Lichtblick. Einwanderer müssten jetzt nicht im Sozialhilfebezug bleiben, sondern dürften arbeiten, forderte Demirel.

Ehrenamtliches Engagement als wichtige Säule gelingender Integration

Alexander Hold (FREIE WÄHLER) dankte in seinem Debattenbeitrag zunächst den Ehrenamtlichen in Bayern. „Gerade jetzt in der Adventszeit“ könne man wieder überall beobachten, so Hold, „wie die Menschen in Bayern zusammenstehen und ein ganz tolles Zeichen der Solidarität setzen“. Holds Dank gebührte auch der Schulfamilie in Bayern. Dem Kultusministerium sei es nämlich gelungen, innerhalb kürzester Zeit 30.000 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine in sogenannten Willkommensgruppen aufzunehmen. Hold sprach sich außerdem deutlich dafür aus, dass „Menschen, die seit vielen Jahren hier sind, Deutsch gelernt haben, sich vielleicht gar im Verein engagiert haben, nicht straffällig geworden und bereit sind, eine Ausbildung zu machen“, es verdient hätten, in Bayern eine Chance zu bekommen. Es sei aus seiner Sicht „geradezu aberwitzig, Geflüchtete zurückzuschicken und gleichzeitig Fachkräfte im Ausland händeringend anzuwerben“. Integration funktioniere schließlich wie eine Treppe, sagte Hold: „Die erste Stufe sei Sprachkompetenz und die Vermittlung von Werten und der Rechtsordnung. Die nächste Stufe sei dann die strukturelle Eingliederung in den Bildungs- und Arbeitsmarkt; damit gehe auch die soziale Integration über Vereine, Sport, Freundschaften und über persönliche Beziehungen einher. Zuletzt käme die „Identifikation mit dem Gastland“. Erst dann mache es Sinn, über eine Einbürgerung nachzudenken. Der Pass sei demnach „kein Geschenk für fünf Jahre legalen Aufenthalt“, so Hold. Nicht die deutsche Staatsbürgerschaft sei der Katalysator für Integration, sondern es sei genau andersherum: „Integration ist die Voraussetzung für die deutsche Staatsangehörigkeit“ machte Hold geltend.

Arif Taşdelen (SPD) betonte zu Beginn seines Redebeitrags, dass es der AfD nicht um das ermordete Mädchen und dessen Familie ginge: Er unterstellte der AfD im Gegenteil „Teilnahmslosigkeit“. „Die Art, wie Sie hier teilweise auch lächelnd sitzen“, so Taşdelen, spreche „Bände“. „Unsere Gedanken“, so Taşdelen weiter „sind bei den Eltern, dem Zwillingsbruder, der Schwester, bei allen Angehörigen, und auch bei den Angehörigen der schwerverletzten Freundin. Unsere Gedanken sind bei den Bürgerinnen und Bürgern in Illerkirchberg“. Den Mord an dem Mädchen für „parteipolitische Propaganda zu missbrauchen“, sei „schäbig und unanständig“, so Taşdelen. Er schloss seinen Redebeitrag mit den Worten, dass ehrliche Trauer keine Bühne für „Rechts“ sei.

Dem demographischen Wandel durch Einwanderung entgegenwirken

Martin Hagen (FDP) betonte, dass anstehende Herausforderungen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nur dann zu meistern seien, wenn Bayern Einwanderung forciere und diese im Interesse des Arbeitsmarktes steuere. Dies sei es ein Akt des „Eigeninteresses“, so Hagen. Zum Thema Rückführungen merkte Hagen an, dass die Bundesländer für den Vollzug verantwortlich seien. Der Bund könne aber zum Beispiel durch das Aushandeln von Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsstaaten die Länder in ihren Bemühungen unterstützen. Genau das solle nun der Beauftragte der Bundesregierung für Rückführungen tun, so Hagen: „Dieser ist im Koalitionsvertrag verankert. Wir erwarten, dass er jetzt zeitnah benannt und besetzt wird.“

Abschließend äußerte sich der Staatsminister des Inneren, Joachim Herrmann (CSU). Die Beiträge der AfD seien ein „Rundumschlag“, die von eigenen substanziellen Problemen der Partei ablenken sollten. Dass in der vergangenen Woche eine frühere Bundestagsabgeordnete der AfD wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden sei, stelle „einen weiteren Höhepunkt im Hinblick auf die Umtriebe dar, derer sich Mitglieder der AfD immer wieder schuldig machen“ würden, so Herrmann. Im Moment gehe es zwar nur um Verdachtsmomente. Gleichwohl müsse man den Menschen in Deutschland deutlich machen, dass solche Mitglieder der AfD wie die verhaftete Bundestagsabgeordnete „in der Tat eine Gefahr für diese Demokratie und diese Republik“ seien, so Herrmann abschließend.

/ Eva Mühlebach

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