Debatte über Miteinander von Bund und Freistaat bei der Bewältigung der Folgen des Ukraine-Konflikts

Aktuelle Stunde im Plenum

15. März 2022

MÜNCHEN.     Die SPD-Fraktion sieht in den vielen Attacken vor allem der CSU auf die neue Bundesregierung in Berlin ein Ablenkungsmanöver von eigenen Defiziten. In einer Aktuellen Stunde zum Thema "Statt destruktiver Oppositionspolitik in Berlin - Hausaufgaben in Bayern machen und Kommunen für Herausforderungen rüsten" machte die SPD ihre Einschätzung zum Debattenthema im Landtagsplenum.

Der SPD-Abgeordnete Klaus Adelt hat Ministerpräsident Dr. Markus Söder (CSU) und anderen führenden Vertretern der bayerischen Regierungskoalition regelmäßiges "Berlin-Bashing" vorgeworfen. Man arbeite sich vor allem an vermeintlichen Fehlern der SPD ab. Adelt verwies auf aus seiner Sicht unzutreffende Vorwürfe bezüglich Grundsatzentscheidungen zu verstärkten Energielieferungen aus Russland oder zur Ausstattung der Bundeswehr. Verschwiegen werde dabei jedoch die Beteiligung von Regierungsvertretern der Union in den vergangenen Jahrzehnten. Statt von eigenen Fehlern abzulenken, sei in der aktuellen Krisensituation mit der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine konstruktive Sachpolitik gefordert, erklärte Adelt.

"Flüchtlingsparagraphen" im Baugesetzbuch aktivieren

Dies betreffe insbesondere die Hilfe für die bayerischen Kommunen, die durch die Flüchtlinge vor logistischen, sozialen und finanziellen Herausforderungen stünden. Hier müsse die Staatsregierung zunächst für eine gerechte Verteilung auf das ganze Land sorgen. Adelt verwies auf die Probleme bei der Unterbringung und Betreuung der Geflüchteten sowie der Bereitstellung von Kita-Plätzen und Räumlichkeiten für die Beschulung der in großer Zahl ankommenden Kinder und Jugendlichen. Wenn der Freistaat den Kommunen die anfallenden Kosten erst nach einer Schlussabrechnung ersetze, komme das zu spät. Adelt regte an, nicht benötigte Mittel aus dem Corona-Sonderfonds für die Unterstützung der Kommunen einzusetzen. Nachdem absehbar sei, dass viele Geflüchtete angesichts der jetzt schon vorhandenen Kriegsschäden länger oder gar für immer in Bayern bleiben würden, müsse für diese Menschen bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Adelt sprach sich für die Aktivierung des "Flüchtlingsparagraphen" im Baugesetzbuch aus. Vorbild könnte die Wohnraumschaffung für Spätaussiedler in den 1980er Jahren sein.

CSU-Fraktionsvize Tobias Reiß kritisierte "staatspolitische Taschenspielertricks" der Berliner Ampel-Koalition. Sowohl bei der Bewältigung der großen Zahl an Schutzsuchenden, als auch bei den künftigen Corona-Schutzmaßnahmen treffe die Bundesregierung Beschlüsse zulasten der Länder. Das sei "destruktive Politik". Bayern leiste dagegen gerade bei der Flüchtlingsaufnahme "Erhebliches". Rund ein Drittel der bislang nach Deutschland gekommenen Ukraine-Flüchtlinge sei im Freistaat registriert worden. "Bayern hilft, Bayern organisiert, unsere Arbeit ist nicht destruktiv", betonte Reiß.

Schuldzuweisungen helfen in der Krise nicht

Kein Verständnis für den Schlagabtausch zwischen SPD und CSU brachte Johannes Becher (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) auf. "In dieser Lage helfen keine gegenseitigen Schuldzuweisungen - schon gar nicht den Kommunen und den vielen ehrenamtlichen Helfern", stellte er klar. Nötig seien vielmehr enge Abstimmung und klare Krisenkommunikation zwischen den politischen Ebenen. Ihm dränge sich der Eindruck auf, "dass noch nicht alle im Katastrophenmodus angekommen sind". Becher plädierte aufgrund der von Adelt angeführten großen Herausforderungen für die Kommunen für pragmatisches Handeln. "Es kann nicht gleich alles perfekt sein, man muss auch mal mit Notlösungen leben", meinte er.

Nach Einschätzung von Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER) müsse es das Ziel sein, die große Zahl an Flüchtlingen besser zu bewältigen als 2015. Deshalb brauche es eine gerechte Verteilung der Geflüchteten, die Sicherstellung von Unterbringung und Betreuung sowie eine rasche Feststellung ihrer beruflichen Qualifikationen. Franz Bergmüller (AfD) nahm auch die Folgen des Ukraine-Kriegs für die bayerische Bevölkerung in den Blick. Er forderte die Entlastung von den hohen Energiepreisen. Alexander Muthmann (FDP) verlangte, die Verwaltungsverfahren für Geflüchtete zu vereinfachen. Es brauche eine "One-Stop-Agency", Geflüchtete dürften nicht von Amt zu Amt geschickt werden.

100 Prozent Kostenerstattung für die Kommunen

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versprach den Kommunen, die für Unterkunft, Betreuung und Verpflegung der Geflüchteten entstehenden Kosten "unter Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit" zu 100 Prozent zu ersetzen. Man trete damit gegenüber dem Bund in Vorleistung. Von diesem forderte Herrmann die bundesweit gerechte Verteilung der Geflüchteten sowie schnellere Informationen über die Ankunft von Flüchtlingszügen. Gemeinsam mit den Kreisverwaltungsbehörden und den Kommunen arbeite der Freistaat mit Hochdruck an der Akquirierung von Wohnraum. Bislang seien rund 16 000 Geflüchtete im Freistaat behördlich untergebracht worden.

/ Jürgen Umlauft

 

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