Landtag diskutiert über wirtschaftliche Entwicklung und Folgen der Inflation

Aktuelle Stunde im Plenum

19. Juli 2022

MÜNCHEN.      Wie können die Folgen einer steigenden Inflation und eine gar drohende Rezession für die Bürgerinnen und Bürger abgefedert werden? Das diskutieren im Rahmen einer von der AfD-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde zum Thema „Inflation-Sanktion-Rezession - Unser aller Wohlstand ist gefährdet“ am vergangenen Dienstag die Abgeordneten im Bayerischen Landtag.

Uli Henkel (AfD) eröffnete die Debatte mit der Feststellung, dass knapp 100 Jahre nach der „traumatischen Hyperinflation von 1923“ die Inflation erneut die größte Sorge der Bürger und Bürgerinnen sei. Vor allem Menschen mit niedrigem würden ahnen, dass „sie sich bald noch mehr einschränken müssten“. So sei vor allem die Teuerung bei Energie und Nahrungsmitteln dafür verantwortlich, dass die Inflation mit knapp 8% ein 70-Jahres-Hoch erreicht hätte, so Henkel.

Der Ukrainekrieg als Brandbeschleuniger für Inflation und Rezession

Der Ukrainekrieg würde zusätzlich dazu beitragen, die Preise für Agrarprodukte in die Höhe zu treiben. Dies stelle eine Katastrophe dar, die Menschenleben konkret gefährde. Die dadurch zu erwartenden Fluchtfolgen würden auch Deutschland treffen, so Henkel. Die Inflation im Kontext des Ukrainekrieges sei jedoch „hausgemacht“, denn es seien die Russlandsanktionen, die zur aktuellen Kostenexplosion führten. In diesem Zusammenhang bezeichnete Henkel die Russlandsanktionen als „Schuss ins eigene Knie“. Während die Sanktionen hierzulande massiven Schaden anrichten würden, „verkaufe Russland sein Öl nun woanders hin und erhalte für deutlich weniger geliefertes Gas den gleichen Erlös wie zuvor“, hob Henkel hervor. Sanktionen, die den sie verhängenden Staat mehr schädigen als den zu disziplinierenden Delinquenten seien „purer Masochismus“. Der Ukrainekrieg sei also „nur der Zündfunke, der den Inflationsflächenbrand entfacht“ hätte, so Henkel.

Des Weiteren kritisierte Henkel, dass der Staat durch die Energiewende gleichzeitig die Kosten für die Energieerzeugung enorm in die Höhe treibe. Der Ausbau von Wind- und Solaranlagen sei nicht nur kostenintensiv, sondern die Anlagen seien als Energieträger zudem auch ausgesprochen unzuverlässig. Das sei für ein Industrieland wie Deutschland nicht akzeptabel, kritisierte Henkel.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie machen sich bemerkbar

Neben dem Kriegsgeschehen in der Ukraine habe auch die Corona-Politik der vergangenen zwei Jahre massiv zur jetzigen Inflation beigetragen, so Henkel. Denn zum einen habe es eine „gewaltige Geldmengenausweitung“ gegeben, mit der „strauchelnde Unternehmen und Privatpersonen im Lockdown „über Wasser“ gehalten worden seien. Zum anderen träfe nun „all das Geld, welches zwei Jahre lang nicht ausgegeben werden konnte, mit einem Schlag auf den Markt“, der ohnehin bereits unter erheblichen Lieferengpässen leide.

Um den drohenden Herausforderungen, die durch Inflation, Sanktionen und Rezession entstehen würden, zu begegnen, forderte Henkel am Ende seiner Rede die sofortige Inbetriebnahme der Gaspipeline ‚North Stream 2‘, gezielte steuerliche Entlastungen für Privathaushalte, den Abbau von Bürokratie, die Förderung von Aus- und Weiterbildung, sowie die Schaffung von attraktiven Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Alexander König (CSU) führte aus, dass die Gefährdung des Wohlstands aus seiner Sicht „ganz maßgeblich von einem Aggressor in Russland“ ausgehe, der einen „grausamen Angriffskrieg gegen ein unabhängiges Land vom Zaun gebrochen“ habe. Dessen Schockwellen erschütterten die Weltwirtschaft, wodurch die Energie- und Getreideversorgung nicht mehr wie bisher gewährleistet werden könne. Die vergleichsweise einfachen Dinge, die man jetzt tun müsste, würden jedoch nicht umgesetzt. Hierzu gehöre allem voran die Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken. Andernfalls riskiere man einen „Stromnotstand“ in Deutschland.

Fehlgeleitete Finanzpolitik der EZB verschärft Krisensituation

Um die Bürger und Bürgerinnen in Bayern zu entlasten, forderte König eine Erhöhung der Pendlerpauschale sowie einen Ausgleich für die fortschreitende kalte Progression bei der Einkommensteuerbelastung. Auch eine Reduzierung der Mehrwertsteuersätze, namentlich auf Energie und Grundnahrungsmittel, könne zusätzliche Entlastung bringen, betonte König. Nicht zuletzt habe auch die Geldpolitik der EZB dazu beigetragen, dass eine finanzpolitisch schwierige Situation entstanden sei. Hier müssten alsbald Korrekturen vorgenommen werden. In der Vergangenheit habe man sich nämlich zu sehr um die hochverschuldeten südlichen EU-Länder gekümmert, und zu wenig auf die Kernaufgabe der EZB konzentriert, nämlich die Erhaltung der Preisstabilität in Europa.

Tim Pargent (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betonte, dass in Anbetracht der steigenden Inflation die Entlastungspakete, wie die Energiepreispauschale, der Kinderbonus, die Spritpreisbremse oder das 9-Euro-Ticket, Schritte in die richtige Richtung gewesen seien. Auch von der ab 1. Oktober 2022 geltenden Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde, „profitieren sechs Millionen Menschen in diesem Land“. Die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung seien damit „zielgerichtet und wirksam“. Die Maßnahmen kämen insbesondere bei Menschen „mit kleinem Geldbeuteln“ an. Je nachdem, wie sich die Gassituation in Deutschland entwickeln würde, könnten jedoch weitere Entlastungsmaßnahmen notwendig werden. Konkret stünden beispielsweise die Anhebung der Hartz-IV-Sätze sowie eine Anschlussfinanzierung des 9-Euro-Tickes im Raum, so Pargent.

Lieferkettenprobleme und Fachkräftemangel

Manfred Eibl (FREIE WÄHLER) unterstrich, dass Bayern mittlerweile annährend eine Milliarde Euro für pandemiebedingte Unterstützungsmaßnahmen ausgegeben habe. Dies habe auch die erhoffte Wirkung entfaltet. Jedoch sei dieser Aufschwung durch den unsäglichen Russland-Ukraine-Krieg innerhalb von nur wenigen Tagen zunichtegemacht worden. Seitdem hätten sich die Probleme bei der Rohstoff- und Materialversorgung und bei den Lieferketten massiv ausgewirkt: Die Energiekosten seien explodiert, und die Inflation habe einen Höchststand erreicht. Der dramatische Fachkräftemangel verschärfe die aktuelle Situation zusätzlich, so Eibl. Um den Herausforderungen der Krise zu begegnen, benötige man jetzt kurz- und mittelfristige Strategien für Energieeinsparungen in allen Bereichen sowie Unterstützungsmaßnahmen für energieintensive Unternehmen. Im Zuge dessen forderte Eibl auch eine klare Ansage des Bundes, „Gas so wenig wie möglich für die Verstromung zu nutzen“. Stattdessen brauche es Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken, um zum Beispiel auch den bayrischen Atomreaktor „Isar 2“ länger am Netz zu halten Darüber hinaus sei auch die Einrichtung eines nationalen Krisenstabs für die Koordinierung der Maßnahmen nötig, hob Eibl hervor.

Forderung nach Entlastung kleiner Einkommen und zukunftsgerichteten Investitionen

Annette Karl (SPD) machte geltend, dass die Gründe für die Teuerungen vor allem darin lägen, dass sich die Güterproduktion und Lieferketten nach der Corona-Pandemie nicht wie erwartet erholt hätten. Der Krieg verschärfe die Situation zusätzlich. Es sei daher wichtig, so Karl, „dass sich die Politik nun Gedanken darüber mache, wie sie Arbeitnehmer, vor allem diejenigen mit einem kleinem Lohn, entlastet werden können, ohne damit eine Lohn-Preis-Spirale wie in den Siebzigerjahren in Gang zu setzen.“

Matthias Fischbach (FDP) stellte fest, dass die jahrelange Niedrigzinspolitik, die Anleihekäufe der EZB, der Brexit sowie die Blockade von Freihandelsinitiativen wie TTIP, die aktuellen wirtschaftlichen Probleme hervorgerufen bzw. verschärft hätten. Neben all den Krisenreaktionen der letzten Jahre braucht es nun vor allem zukunftsgerichtete Reformanstrengungen, forderte Fischbach. Bayern leide unter einem Investitionsstau an allen „Ecken und Enden“. So sei insbesondere „kein Vorankommen bei Großprojekten, kein Konzept gegen Fachkräftemangel und auch keine Ambitionen im Bildungssystem erkennbar“. Mit Blick auf die sich zuspitzende Energiekrise forderte Fischbach ebenfalls eine Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden Atomkraftwerke sowie eine Offenheit gegenüber dem umstrittenen Fracking. Dieses dürfe nicht mehr nur „dogmatisch abgelehnt“ werden. Auch die Senkung der Strompreise durch Abschaffung der EEG-Umlage sowie die Ratifizierung des Freihandelsabkommens CETA seien wichtige Schritte, um die wirtschaftlich schwierige Situation wieder zu verbessern, so Fischbach.

/ Eva Mühlebach

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