"Freiheit in Netz und Medien - für eine offene und freiheitliche Debattenkultur"

Aktuelle Stunde im Plenum

20. Mai 2021

MÜNCHEN.  Die gegenwärtige Situation der Meinungsfreiheit und Debattenkultur in den Online-Medien war Thema der – von der AfD-Fraktion beantragten – „Aktuellen Stunde“ im Bayerischen Landtag. Dabei wurde über die Grenze der Meinungsfreiheit und das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ebenso leidenschaftlich diskutiert, wie über die Rolle des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks bei der Meinungsbildung der Bevölkerung.

Zu Beginn der Debatte hob Gerd Mannes (AfD) die Wichtigkeit einer zensurfreien Medienlandschaft als eine der Grundsäulen einer freiheitlich-demokratischen Ordnung hervor. Vor diesem Hintergrund sei es aus Sicht der AfD besonders problematisch, dass die Bundesregierung mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) den „Grundstein für eine massive Zensur im Internet“ gelegt habe, behauptete Mannes. Demnach sei die Rechtsprechung im digitalen Raum faktisch auf private Digitalkonzerne übertragen worden, so Mannes, wobei diese „Zensur“ im Verlauf Corona-Krise „unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung“ weiter ausgeweitet worden sei. Laut Mannes hätten in der Pandemie Bundesregierung und Online-Medien beispielsweise erklärt, dass sogenannte „Fake News“ Menschenleben gefährdeten und gelöscht werden müssen. Diesbezüglich führte Mannes weiter aus, dass die „Rechtsstaatlichkeit längst auf der Strecke geblieben sei“, wenn Regierung und Digitalkonzerne „jede Gelegenheit nutzten, um den Kreis unliebsamer Meinungen auszudehnen“. Auf diesem Wege werde das Recht auf freie Meinungsäußerung immer weiter eingeschränkt und zusehends abgeschafft. Mannes forderte in diesem Zusammenhang die Staatsregierung auf, den „Medienstaatsvertrag“ zu reformieren, um mehr Transparenz im Umgang zwischen Staat und öffentlich-rechtlichen Medien zu schaffen.

Dr. Marcel Huber (CSU) wies in seinem Debattenbeitrag die von der AFD vorgebrachte Kritik zurück. Die Medien- und Informationsfreiheit sei in Deutschland in jeder Hinsicht gewährleistet. Das Recht, sich vielfältig, aber auch wahrheitsgemäß zu informieren, sei eine wesentliche Grundlage des Willensbildungsprozesses in einer Demokratie. Die Medien bildeten daher auch ein wichtiges Korrektiv. Doch die Wahrnehmung dieser Aufgabe sei in den letzten Jahrzehnten aufgrund der Vervielfältigung der Informationsangebote nicht einfacher geworden: Heute stünden die Bürger und Bürgerinnen nicht nur vor Herausforderung, Informationen zu erhalten, sondern aus einer „Informationsflut das Wahre und Richtige herauszufiltern“. Diesbezüglich käme auch den öffentlich-rechtlichen Medien eine besondere Verantwortung zu. Damit der Rundfunk entsprechend „vielfältig, ausgewogen und sauber“ recherchieren und berichten könne, habe der Gesetzgeber ein konkretes Regelwerk geschaffen. Eine Prüfung der Neutralität und der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei beispielsweise „durch ein plural zusammengesetztes Aufsichtsgremium, in dem auch ein Vertreter der AfD säße, gewährleistet“, hob Huber hervor.

Benjamin Adjei (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) wies in seiner Rede darauf hin, dass Hass und Hetze im Netz zu einem immer größer werdenden Problem würden. Besonders in den vergangenen Wochen hätten antisemitische Kommentare, Tweets und Posts in den sozialen Netzwerken überhandgenommen, so Adjei. Demgegenüber habe sich die Bundesregierung zwar „nach langem Hin und Her beim NetzDG auf einen Kompromiss geeinigt“. Diesem fehle es aber an einer effektiven Durchsetzungsfähigkeit. Auch das NetzDG 2.0., das Anfang Mai im Bundestag beschlossen worden sei, beinhalte „keinerlei echte Lösungen und Maßnahmen“. Vielmehr würde die Verantwortung für den Umgang mit problematischen Inhalten lediglich auf die Medienkonzerne abgeschoben. Laut Adjei müsse diese Aufgabe aber von einer staatlichen oder zivilgesellschaftlich getragenen Institution übernommen werden. Dafür müssten die notwendige technische Ausstattung bereitgestellt und zudem auch erforderliche Schulungen, z.B. für Staatsanwaltschaften, angeboten werden, forderte Adjei.

Alexander Hold (FREIE WÄHLER) betonte, dass der Staat gefordert sei, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie eine gute Debattenkultur durchzusetzen. In dieser Funktion müsse der Staat auch als Vorbild für Toleranz gegenüber Mindermeinungen fungieren, so Hold. Wenn allerdings „Meinungen zu Hass und Hetze werden, wenn die Grundrechte anderer verletzt werden, dann endet das Recht auf freie Meinungsäußerung“, unterstrich Hold. Sei dieser Punkt erreicht, greife das NetzDG. Gleichzeitig ermögliche und schütze der Saat auf vielen Ebenen die offene Debatte, beispielsweise, wenn er die Versammlungsfreiheit auch gegenüber jenen gewährleiste, die die staatliche Ordnung grundsätzlich ablehnten.

Christian Flisek (SPD) machte geltend, dass für eine freiheitliche und auf Fakten basierende Debattenkultur im Netz auf zwei Ebenen angesetzt werden müsse: Zum einen müsse dafür gesorgt werden, dass die Urteilskraft und die Kritikfähigkeit aller Bürgerinnen und Bürger und insbesondere der Kinder- und Jugendlichen gestärkt würden. Zum anderen müsse aber auch geprüft werden, inwiefern Prinzipien wie die Richtigstellungspflicht aus dem Presserecht auf sogenannte „Fake News“ in den Online-Medien übertragen werden könnten.

Helmut Markwort (FDP) verwies in seinem Redebeitrag insbesondere auf eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Allensbach, wonach knapp zwei Drittel der Bürger der Ansicht seien, „dass man sehr aufpassen müsse, zu welchem Thema man sich wie äußere“. Dies lege nicht nur offen, wie angstbelastet die Stimmung mittlerweile in der öffentlichen Debatte sei, sondern bestätige darüber hinaus einen spürbaren Unterschied zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung. Starke Meinungsmacher seien in Deutschland nach wie vor die öffentlich-rechtlichen Sender, die durch die öffentliche Hand finanziert würden, betonte Markwort. Nach verschiedenen Studien könne die Mehrheit ihrer redaktionellen Mitarbeiter als eher „grün-links“ eingestuft werden. Umso wichtiger sei es, dass sich insbesondere die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichteten, stellte Markwort heraus.

Abschließend hob Justizminister Georg Eisenreich die von der bayerischen Staatsregierung getroffenen Maßnahmen zur Hatespeech-Bekämpfung (aus dem Englischen: „Hassrede“) heraus: So habe das Staatsministerium für Justiz – bayern- und bundesweit – den ersten Hate-Speech-Beauftragten ernannt. Dieser sei bei der Generalstaatsanwaltschaft München und dort bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus angesiedelt, was auch die Wichtigkeit dieses Themas unterstreiche. Außerdem sei bei allen Staatsanwaltschaften in Bayern jeweils ein Sonderdezernat zur Bekämpfung von Hasskriminalität eingerichtet, innerhalb derer rund 25 Spezialstaatsanwälte Hasskriminalität bekämpften, führte Eisenreich weiter aus. Die bayerischen „Hate-Speech-Spezialisten“ hätten allein in 2020 insgesamt 1.648 Verfahren wegen Hasskriminalität im Internet geführt, womit Bayern im Bundesvergleich an der Spitze stünde. Der Kampf gegen Hate-Speech in Bayern werde zusätzlich durch unbürokratische Online-Meldeverfahren für betroffene Journalisten, Kommunalpolitiker und Abgeordnete flankiert. Abschließend betonte Eisenreich, dass gleichwohl die Strafverfolgung beim Thema Meinungsfreiheit und Debattenkultur nicht allein im Vordergrund stünde. Wichtig für die Bekämpfung von Hate-Speech seien ebenso eine gute Medienbildung, eine Demokratie- und Werteerziehung sowie das konsequente „Entlarven von Fake News“, hob Eisenreich hervor.

/ Eva Mühlebach

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