Debatte im Plenum über Fachkräftemangel

Aktuelle Stunde auf Antrag der FDP

MÜNCHEN.  Bayerns Wirtschaft steuert auf einen dramatischen Arbeits- und Fachkräftemangel zu. Nach Berechnungen des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages könnten 2035 im Freistaat 1,3 Millionen Stellen unbesetzt sein. In einer von der FDP beantragten Aktuellen Stunde zum Thema "Fachkräfte gewinnen - Bayerns Zukunft sichern" diskutierte der Landtag über Gegenmaßnahmen.

Die FDP-Abgeordnete Julika Sandt hat die Staatsregierung aufgefordert, sich dem wachsenden Fachkräftemangel in Bayern engagierter entgegenzustemmen. Dieser sei eine Gefahr für die wirtschaftliche Stärke Bayerns und für den sozialen Zusammenhalt im Land, erklärte Sandt. Sie würde erwarten, dass in einer solchen Situation bei der Staatsregierung und der sie tragenden Fraktionen "alle Alarmglocken schrillen". Im weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe und die fähigsten Fachkräfte müsse Bayern an allen Hebeln ansetzen. Dies gelte vor allem für eine intelligente Steuerung der Zuwanderung, Informations- und Service-Angebote für ausländische Fachkräfte, die gezielte Qualifizierung von Menschen und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen.

Bildung als Schlüssel zur Fachkräftegewinnung

Stattdessen laufe in Bayern "viel schief", führte Sandt weiter aus. Sie verwies unter anderem auf die oft Monate dauernde Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse, die schlechte Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt und das Fehlen einer ausreichenden Zahl an Kita-Plätzen mit entsprechend langen Öffnungszeiten. Sandts Fraktionskollege Matthias Fischbach ergänzte, es müsse durch beste Bildung das inländische Fachkräftepotenzial besser erschlossen werden. Erforderlich sei ein Bildungssystem, "das niemanden zurücklässt". Gut fünf Prozent Schulabsolventen ohne Abschluss pro Jahr und mehr als 10 000 Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag seien zu viel. "Bayern braucht endlich ein tragfähiges Bildungskonzept, damit wirklich jeder eine Chance auf einen guten Schulabschluss hat", sagte Fischbach. Nötig seien eine "Exzellenzinitiative" für die beruflichen Schulen, eine Verbesserung der Integrationsangebote an allen Schularten und der Ausbau von Ganztagesangeboten vor allem an den Mittelschulen.

Das Ignorieren von Fakten hielt Winfried Bausback (CSU) der FDP vor. Bayern habe bundesweit den höchsten Prozentsatz an Menschen mit Migrationshintergrund im Arbeitsmarkt. Mit der Zentralisierung der Anerkennung ausländische Abschlüsse im Pflegebereich sei ein wichtiger Schritt zur schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt ausländischer Fachkräfte gelungen. Die kostenfreie Meisterausbildung steigere die Attraktivität von Handwerksberufen, der Pakt für berufliche Weiterbildung qualifiziere neue Fachkräfte.

CSU richtet Appell an junge Menschen

Bausback sah Versäumnisse in der Zuständigkeit der Bundesregierung. Diese müsse das Personal an den deutschen Konsulaten im Ausland aufstocken, um die langen Wartezeiten für Arbeitsvisa zu verkürzen und mehr für den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse im Ausland tun. Bausback richtete aber auch einen Appell an die jungen Menschen im Land. "Work-Life-Balance ist auch mit einem Vollzeitjob möglich", sagte er. Zu einem erfüllten Leben gehöre auch Arbeit. Er forderte eine neue Leistungskultur, mit der die Leistung des Einzelnen wieder stärker anerkannt werde. Auch damit könnten Potenziale zur Besetzung freier Stellen gehoben werden. Alexander Hold (FREIE WÄHLER) verwies auf zahlreiche bildungspolitische und berufsvorbereitende Maßnahmen an den Schulen, die Stärkung der dualen Ausbildung und die Programme zur Integration ausländischer Arbeitskräfte. Vieles von dem, was Bayern auf den Weg bringe, werde aber von der Bundesregierung konterkariert.

Dem widersprach Barbara Fuchs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Mit dem neuen Fachkräftezuwanderungsgesetz, mit dem qualizierte Menschen nach kanadischem Vorbild nach Deutschland kommen könnten und dem neuen Chancenaufenthaltsrecht, das Asylbewerbern in Ausbildung oder Beschäftigung ein Bleiberecht in Deutschland ermögliche, habe die Bundesregierung jahrelange Versäumnisse ihrer Vorgänger beseitigt. Auch Fuchs sah die Staatsregierung in der Pflicht. So brauche es an allen Schularten zwei verpflichtende Berufspraktika sowie eine Modernisierung der Berufsschulen und der überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Zudem müsse mehr mietgünstiger Wohnraum für Arbeitskräfte geschaffen werden.

Harsche Kritik an der Staatsregierung übte Diana Stachowitz (SPD). Dass die demographische Entwicklung Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben werde, sei nicht überraschend gekommen. "Die Staatsregierung hat es aber versemmelt und nicht rechtzeitig darauf reagiert", sagte sie. Statt vieler Einzelprojekte brauche es ein strukturiertes politisches Vorgehen gegen den Fachkräftemangel, wozu ihre Fraktion ein von der Parlamentsmehrheit allerdings angelehntes Antragspaket vorgelegt habe.

AfD: Zuwanderung nicht ohne fachliche Qualifikation

AfD-Fraktionschef Ulrich Singer machte die aus seiner Sicht "ungezügelte illegale Masseneinwanderung" für die Probleme mitverantwortlich. Es seien dadurch zu viele unqualifizierte und kaum qualifizierbare Hilfskräfte mit dem Ziel ins Land gekommen, "es sich in unserer sozialen Hängematte bequem zu machen". "Zuwanderung ohne fachliche Qualifikation passt nicht zu unserem Arbeitsmarkt, sagte Singer. Er forderte, die Abwanderung heimischer Fachkräfte ins Ausland zu stoppen und in die Bildung als Schlüssel für mehr Fachkräfte zu intensivieren.

Für den als Gastgeber der Wirtschaftsministerkonferenz verhinderten Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) lobte dessen Parteikollege und Umweltminister Thorsten Glauber den Kurs der Staatsregierung. Man fördere das Ausschöpfen aller heimischen Potenziale, kümmere sich in Anwerbeaktionen um gezielte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland und baue die Kinderbetreuung kontinuierlich aus. "Diese Regierung braucht keine Nachhilfe, dass Bayern ein starkes Bundesland bleibt", betonte Glauber.

/Jürgen Umlauft

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