Corona-Transparenzoffensive und „klare Kante“ des Rechtsstaats

Aktuelle Stunde auf Vorschlag der Fraktion der FREIEN WÄHLER zum Thema "Gesellschaft in der Krise? Einigkeit statt Egoismus - Fakten statt Fakenews!"

24. November 2020

MÜNCHEN.       Seit dem Aufkommen des Coronavirus in Deutschland wurde viel über die gesundheitspolitischen und ökonomischen Folgen debattiert. Die jüngsten gewalttätigen Auseinandersetzungen von Gegnern der Corona-Maßnahmen in Leipzig und Berlin zeigen in den Augen der FREIEN WÄHLER aber deutlich, dass auch dringend über die Folgen für die Gesellschaft gesprochen werden muss. In der Aktuellen Stunde wollte die Fraktion daher im Plenum darüber sprechen, was die Pandemie mit uns macht und wie sich gegensteuern lässt.

Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER) zeigte sich in seiner Rede überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen als „Team Bayern“ hinter dem Kurs der Staatsregierung steht. Der Rest könne natürlich Zweifel und Kritik an den Corona-Maßnahmen äußern. Es sei aber Zeit, gegenüber einer „erkenntnisresistenten Minderheit“, die „ohne Maske, Abstand und Anstand“ allen anderen auf der Nase herumtanze, „klare Kante“ zu zeigen. Außerdem forderte er eine Transparenz- und Kommunikationsoffensive. „Wir haben die Gastronomie nicht aus Zweifeln an deren Hygienekonzepten geschlossen, sondern weil wir die Kontakte um 75 Prozent reduzieren wollten“, erklärt er beispielhaft.

Wenn die Freien Wähler mehr Transparenz und Kommunikation wollen, hätten sie eine Debatte über die geplanten Corona-Maßnahmen nicht verhindern sollen, kritisierte Thomas Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Kurz zuvor war die FDP im Plenum mit einem Antrag gescheitert, vor dem Bund-Länder-Gespräch eine öffentliche Debatte über eine mögliche Lockdown-Verlängerung zu führen. Auch eine von den Grünen geforderte Corona-Kommission, die Maßnahmen begleiten und bewerten sollte, wurde im September mit den Stimmen der Regierungskoalitionen abgelehnt. „Nach acht Monaten ist jetzt wieder die Stunde der Legislative gekommen“, mahnte Gehring.

Prof. Dr. Winfried Bausback (CSU) bezeichnete die Aussagen der „Querdenker“ als „Angriff auf die Grundsubstanz unseres Staates“. „Denen geht es nicht um eine Auseinandersetzung, sondern um die Zerstörung unseres freiheitlich demokratischen Rechtsstaats“, sagte er. Bausback forderte, sie vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Damit sich nicht noch mehr Menschen abschotten und für Argumente nicht mehr erreichbar sind, müssten jetzt alle demokratischen Fraktionen „Einigkeit bewahren und verteidigen“. Das bedeute nicht, dass nicht über Gesundheitswesen, Hochschulreform, Maskenpflicht oder Lockdowns gestritten werden dürfe.

Der Dipl.-Verwaltungswirt Christian Klingen (AfD) kritisierte das Thema der Aktuellen Stunde als „manipulatives Framing“: „Die Worte ‚Einigkeit statt Egoismus‘ suggerieren, dass diejenigen, die kritische Fragen stellen, die Einigkeit der Gesellschaft gefährden, weil sie ihrem vermeintlichen Egoismus frönen“, sagte er. Mit ihrem „Verbots- und Bevormundungswahn“ seien die Freien Wähler zu „Freien Quälern“ mutiert. Klingen kritisierte die Widersprüchlichkeit der Corona-Maßnahmen: Beispielsweise dürften drei Personen zusammen arbeiten, aber abends kein Bier miteinander trinken.

Für Florian Ritter (SPD) klingt der Begriff „Fake News“ viel zu positiv. „Es handelt sich dabei de facto um Propagandalügen“, unterstrich er. Für die Bekämpfung einer Pandemie gebe es keine Blaupause, so komme es zwangsläufig zu Widersprüchen. Ritter hat Verständnis, das dies bei manchen Menschen Ängste weckt. Genau aus diesem Grund müssten Entscheidung nachvollziehbar und transparent gemacht werden. Die Annahme des FDP-Antrags wäre in seinen Augen eine gute Gelegenheit gewesen, damit zu beginnen. „Eine Kommunikationsoffensive bedeutet schließlich nicht, dass alle Maßnahmen unkritisch durchgewunken werden.“

Matthias Fischbach (FDP) begrüßte die angekündigte Kommunikationsoffensive der Freien Wähler ebenfalls. Er wunderte sich daher, warum sein Antrag zu einer Diskussion über die geplanten Corona-Maßnahmen von der Fraktion wenige Minuten vorher noch als „Politklamauk“ abgetan wurde. „Es muss doch möglich sein, gesittet und frühzeitig darüber zu diskutieren, ob die Maßnahmen wirksam und verhältnismäßig sind.“ Im Landtag von Nordrhein-Westfalen sei dies möglich gewesen. Um Fake News zu verhindern, setzt Fischbach auf politische Planspiele in der Schule. Aber auch dieser FDP-Antrag sei von CSU und Freien Wählern im letzten Jahr abgelehnt worden.

Markus Plenk (fraktionslos) betonte, Demokratie zeichne sich durch den Austausch von Argumenten aus. „Daher ist es unentbehrlich, auch andere Positionen zuzulassen und den eigenen Standpunkt zu hinterfragen.“ Gegner von Corona-Maßnahmen pauschal als „Lügner“ zu bezeichnen, sei nicht angebracht.

Die Vertreter der Staatsregierung kritisierten vor allem AfD und Querdenker. Natürlich würde den Bürgerinnen und Bürgern durch die Corona-Maßnahmen viel abverlangt, räumte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) ein. „Aber ich würde mir wünschen, dass eine bestimmte Fraktion im Landtag die Verunsicherung nicht immer wieder schürt.“ Laut Huml ist es daher die Aufgabe des Parlaments, die Menschen zu motivieren, die Pandemie gemeinsam zu durchstehen.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, dass es keineswegs eine „politische Clique“ gebe, die alle Entscheidungen im Alleingang treffe. Alle wesentlichen Maßnahmen würden von den unterschiedlichen Fraktionen und Koalitionen in den 16 Länderparlamenten mitgetragen. Auch sei weder die Judikative, noch die Versammlungs- oder Meinungsfreiheit eingeschränkt. „Die Querdenker müssen sich aber an die Spielregeln halten, Masken tragen und friedlich demonstrieren“, betonte Herrmann.

/ David Lohmann

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