Erste Regierungserklärung des neuen Gesundheitsministers

Auch die Befragung der Staatsregierung in der Corona-Krise stand wieder auf der Tagesordnung

27. Januar 2021

MÜNCHEN.      In seiner ersten Regierungserklärung als neuer bayerischer Gesundheitsminister hat Klaus Holetschek (CSU) genau ein Jahr nach der Bestätigung des ersten Corona-Falles im Freistaat eine positive Bilanz des Krisenmanagements der Staatsregierung gezogen. "Die Maßnahmen sind richtig, sie wirken und sie schützen Menschenleben", sagte Holetschek. Auch der aktuelle Lockdown sei wirksam. Mit einer Sieben-Tages-Inzidenz von 96 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner liege Bayern nun wieder deutlich unter dem bisherigen Höchststand von 217 am 20. Dezember. Dennoch müsse der Lockdown aus Vorsorgegründen bis Mitte Februar verlängert werden. Die Erfahrungen des vergangenen Jahres sowie die Sorge um die Ausbreitung hochansteckender Virus-Mutationen mahnten zur Vorsicht. Die Opposition kritisierte in der Aussprache unter anderem die fehlende Öffnungsstrategie sowie Defizite bei der Impfvorbereitung.

Verärgert zeigte sich Holetschek über den schleppenden Fortgang der Impfkampagne. In Bayern stehe die Logistik, theoretisch könnten täglich 38.000 Impfungen vorgenommen werden. Dafür aber gebe es nicht genug Impfstoff. Tatsächlich sind seit Impfstart vor vier Wochen im Tagesdurchschnitt nur rund 15.000 Impfungen erfolgt. "Der Impfstoff ist der Flaschenhals", sagte Holetschek. Er forderte vom Bund und der EU mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit bei der Impfstoffversorgung. Zudem sei es nicht hinnehmbar, dass die Pharmakonzerne Lieferzusagen nicht einhielten. "Das macht unser System kaputt und sorgt bei den Menschen für Verunsicherung", klagte er. Um die logistischen Voraussetzungen für schnelleres Impfen zu verbessern, erwägt Holetschek den Einsatz von landesweit bis zu 70 Impfbussen, die das Angebot der kommunalen Impfzentren mobil ergänzen sollen.

Ernüchternd fiel die Corona-Jahresbilanz von Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze aus. "Die Staatsregierung liefert bei ganz vielen Themen nicht", urteilte sie. So sei es noch immer nicht gelungen, die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen vor Infektionen zu schützen, auch die Gesundheitsämter seien personell und technisch weiter nicht ausreichend ausgestattet. Zudem vermisste Schulze eine inzidenzbasierte Öffnungsstrategie mit klarer Priorität für Kinder und Jugendliche. Mit entsprechenden Hygienekonzepten ist aus ihrer Sicht der Regelbetrieb in Kitas und Wechselunterricht für Erst- und Zweitklässler bei einer Inzidenz von unter 100 möglich.

Rückendeckung erhielt die Staatsregierung von Tanja Schorer-Dremel (CSU). Staatskanzlei und Ministerien leisteten in der Krise gute Arbeit, viele Bundesländer würden bei ihren Corona-Maßnahmen dem Vorbild Bayerns folgen. Schorer-Dremel warnte vor voreiligen Öffnungsdiskussionen. "Es ist nicht die Zeit für Lockerungsversprechen oder mit Öffnungsterminen Hoffnung zu wecken", sagte sie.

Fabian Mehring (FREIE WÄHLER) erklärte, der "Weg zu mehr Normalität und Freiheit" führe über Ein- und Beschränkungen. Der Lockdown müsse verlängert werden, weil man trotz sinkender Corona-Zahlen noch in einem diffusen Infektionsgeschehen stecke. Ungeachtet dessen müsse aber schon jetzt an einer "Strategie für vertretbare Öffnungen" gearbeitet werden.

Roland Magerl (AfD) warf der Staatsregierung "viel Aktionismus" vor. Sie sollte sich auf den Schutz von Risikogruppen konzentrieren. Er kritisierte zudem, dass aus den regionalen Inzidenzzahlen die Infektionen in Alten- und Pflegeheimen nicht herausgerechnet würden, obwohl deren Bewohner das Virus außerhalb der Einrichtungen nicht verbreiten würden. Damit werde die "gesamte Bevölkerung in Geiselhaft genommen", sagte er.

Nach Einschätzung von Ruth Waldmann (SPD) ist der Impfstoff nicht der einzige Flaschenhals. Vielmehr habe die Staatsregierung bei der Impfvorbereitung ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Sie vermisste eine zentrale Informationskampagne und einheitliche Anmelderegeln, die auch für ältere Menschen problemlos anwendbar seien.

FDP-Fraktionschef Martin Hagen forderte, alle positiven Corona-Tests auf Mutationen zu prüfen. Dann könnten sich die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung von Infektionsketten auf diese Fälle konzentrieren. Hagen bemängelte, dass die Staatsregierung weiter Öffnungsperspektiven schuldig bleibe. So sei Corona-sicherer Schulunterricht bei entsprechenden Schutzmaßnahmen "möglich und geboten".

In einer Regierungsbefragung hatte zuvor Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) den durch den aktuellen Lockdown verursachten wirtschaftlichen Schaden in Bayern auf bis zu 900 Millionen Euro pro Woche beziffert. Man müsse vor diesem Hintergrund die "richtige Balance zwischen Infektionsschutz und gezielten Öffnungen" finden, sagte er auf Anfrage seines Fraktionskollegen Manfred Eibl. Die Auszahlung von Hilfen für vom Lockdown betroffene Unternehmen sah Aiwanger inzwischen auf einem guten Weg. Die Überbrückungshilfe I und II sei in Bayern zu rund 90 Prozent ausbezahlt, von den 53.000 Anträgen auf November-Hilfe seien 36.000 final bearbeitet, mehr als 700 Millionen Euro seien ausbezahlt. Voraussichtlich könne noch im Januar die Abrechnung der Dezember-Hilfe über die bereits geleisteten Abschlagszahlungen hinaus begonnen werden.

Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) wies Vorwürfe der Abgeordneten Volkmar Halbleib (SPD) und Wolfgang Heubisch (FDP) zurück, die Studierenden in Bayern würden wegen des zweiten Online-Semesters in Folge Nachteile erleiden. Sibler betonte, er herrsche durch Beschlüsse der Staatsregierung "Klarheit und Sicherheit" bezüglich des Studienfortgangs und der Prüfungen. So seien die Regelungen aus dem Sommersemester 2020 verlängert worden, zudem gebe es nun eine Fernprüfungsverordnung für Fälle, in denen Präsenzprüfungen nicht möglich seien. Der AfD-Abgeordnete Ralf Stadler wollte wissen, ob für Bürger strengere Regeln zum Tragen einer FFP2-Maske gelten würden als es der Arbeitsschutz für Beschäftigte vorschreibe. Dazu erklärte Innenminister Joachim Herrmann (CSU), die Vorschriften des Arbeitsschutzes gerade bei körperlicher Arbeit seien nicht auf Vorschriften für Gottesdienste oder das Einkaufen übertragbar. Es sei deshalb verhältnismäßig, wenn Bürger im täglichen Leben die FFP2-Masken länger am Stück tragen müssten als Beschäftigte bei der Ausübung ihres Berufs.

/ Jürgen Umlauft

 

 

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