Landtag debattiert über Bildung

Aktuelle Stunde auf Vorschlag der Fraktion der FDP

27.10.2022

MÜNCHEN. In einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde hat die Fraktion der FDP nach „Bayerns Strategie gegen den Lehrer- und Erziehermangel“ gefragt. Die Fraktionen diskutierten über Defizite in bayerischen Schulen und Kitas und wie sie behoben werden sollten.

Die FDP sieht in der Versorgung mit Lehrkräften und Erziehern an Bayerns Schulen und Kitas „große Lücken“. Matthias Fischbach (FDP) kritisierte, Kultusminister Michael Piazolo (FREIE WÄHLER) habe „die von der CSU geerbten Mängel in der Lehrkräfteversorgung“ nicht richtig bemerkt und die Reform der Erzieherausbildung „teilnahmslos laufen lassen“. 4000 Lehrkräfte fehlten laut Bayerischem Lehrer- und Lehrerinnenverband allein an Grund- und Mittelschulen. Ähnlich sei es bei den Erziehern. Der Fachkräftemangel sei jedoch nur ein Problem, hinzu kämen die Digitalisierung und die Ukraine-Flüchtlinge. Von alldem werde aber abgelenkt. „Andere Bundesländer, da kann man schön zeigen, irgendeiner ist immer schlechter als Bayern“, so Fischbach. Auch auf den Bund werde immer wieder verwiesen. Aber „die Leistungsrückgänge im IQB-Test waren ein Warnsignal, deshalb sollten wir jetzt handeln. Wir haben Lösungsansätze, dass wir vorbereitet sind auf das neunjährige Gymnasium 2025, für den Rechtsanspruch an Grundschulen 2026 für Ganztagsbildung.“

Mehr Geld, mehr Lehrer

Dies sei ein Schuljahr mit besonderen Herausforderungen, entgegnete Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Nachwirkungen der Corona-Pandemie sowie viele Flüchtlinge nicht nur aus der Ukraine. Hinzu kämen seit Jahren neue Aufgaben wie Ganztagesbetreuung, Intensivierung, Integration und digitale Bildung. „Eine breite Palette, die wir gerne aufgegriffen haben, um unsere Schulen permanent zu modernisieren“, so Waschler. Es gebe europaweit Arbeitskräftemangel, bei Lehrern, Erziehern, Pflegekräften und Handwerkern. Trotzdem stehe Bayern im Vergleich gut da, mit rund 100.000 unbefristet verbeamteten Lehrkräften an staatlichen Schulen, zu 97 Prozent laufbahnmäßig ausgebildet. Es gebe zudem freiwillige Maßnahmen, dass Lehrkräfte Teilzeit aufstocken oder ihren Ruhestand hinausschieben könnten. Quereinstiege und Qualifizierungen seien möglich, das erste Staatsexamen sichere die gute Lehrerbildung. Zusätzliche Studienplatzkapazitäten mit dem Wegfall der Zulassungsbeschränkungen für das Grundschul-Lehramt seien ein Erfolg. Die Gehaltsstufe A13 an Grund- und Mittelschulen werde 2023 Realität.

Katharina Schulze, Fraktionschefin von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, wies auf die Folgen des Erziehermangels hin. Insbesondere Frauen werde es wegen früherer Schließzeiten der Kitas unmöglich, zu arbeiten. Fachkräfte hätten „zu wenig Zeit für zu viel Arbeit“. Kitas seien nicht nur Betreuungsorte, sondern „Lern- und Erfahrungsorte für die Allerkleinsten“, sagte Schulze. Um Chancengerechtigkeit für alle Kinder zu ermöglichen, müssten die Arbeitsbedingungen der Erzieher verbessert, die Ausbildung attraktiver, ausländische Qualifikationen anerkannt werden und Kinderpfleger „ab dem ersten Tag ein ordentliches Gehalt bekommen“. In der Schule fehlten Lehrkräfte, obwohl die Schülerprognose allen Beteiligten bekannt sei. A13 müsse darum „ab sofort“ für alle Lehrkräfte gelten, zudem brauche es mehr Quereinsteiger und Verwaltungskräfte. „Auf die sozialen Berufe muss ein stärkerer Fokus gelegt werden“, forderte Schulze. Dies sei auch wichtig für die Frauen, weil sie Großteils diese Berufe ausübten und daheimblieben, wenn die Kita zu früh schließe.

Quereinsteiger und Teilzeitmodelle

„Politische Führung und politische Leitlinien sind in Bayern gerade im Bereich Erzieherinnen und Erzieher stärker aufgebaut als je zuvor“, widersprach Susann Enders von den FREIEN WÄHLERN. So erhielten die Kommunen Planungssicherheit, um in den Ganztagsausbau investieren zu können. Es gebe erfolgreiche Maßnahmen im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung. „Insgesamt sind über 110.000 Personen in den bayerischen Kindertageseinrichtungen tätig. Zum Vergleich: 2011 waren es noch rund 63.000“, bilanzierte Enders. Der Ausbau erfolge nicht zulasten der Qualität. Ein seit 2019 bestehender Fünf-Punkte-Plan für mehr Fachkräfte und Qualität in der Kinderbetreuung sorge neben leistungsgerechter Bezahlung für attraktive Ausbildung, verbesserte Rahmenbedingungen in Kitas, steigere das Image der Berufe und habe die Ausbildungsdauer verkürzt. Die FDP solle besser das Bürgergeld stoppen, das dazu anrege, zuhause zu bleiben. „Schaffen sie die ersten 2000 Euro von anständig verdientem Geld steuerfrei, damit sich Arbeit wieder lohnt.“ Das wirke dem Fachkräftemangel entgegen.

„Jedes Kind hat unabhängig von seiner sozialen Herkunft Anspruch auf bestmögliche Bildung“, so die AfD-Abgeordnete Dr. Anne Cyron. Bildung sei die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sowie für ein „selbstbewusstes und von staatlicher Alimentierung unabhängiges Leben“. Heute gebe es Unterrichtsausfälle durch gravierenden Lehrermangel insbesondere in den Fächern Musik, Kunst und Sport und ein „absinkendes Niveau“ der Schüler in den Kernfächern. Lehrer und Schulen seien am Limit, dringend benötigte Fachkräfte wanderten ab oder stiegen aus. Es brauche Teilzeitmodelle und attraktivere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, zum Beispiel eine Angleichung der Eingangsbesoldung, eine flexiblere Lehrerbildung, eine Garantie für eine Mindesteinstellzahl für Lehramtsstudenten und mehr Staatsinstitute zur Ausbildung der Förderlehrer.

„Wenn man sich die Bildungslandschaft so schönredet, dann ist man auch in keiner Weise in der Lage, die Schwächen, die es neben den Stärken auch gibt, zu erkennen“, erklärte Margit Wild von der SPD. In bayerischen Kitas fehlten aktuell 7.000 Fachkräfte. „Für das Jahr 2023 haben 62.000 Kinder keinen Kitaplatz“, so Wild. „Das ist komplett Rosenheim.“ An den Schulen sehe es „keinen Deut besser“ aus, dort fehlten 4.000 Lehrkräfte. Förderunterrichte müssten gestrichen werden, weil es kein Personal mehr gebe. Man könne sich dann nicht „mit der IQB-Studie beweihräuchern“. Man müsse auch den Teil lesen, in dem es heiße, „dass die Schere weiter auseinandergeht und die Bildungsungerechtigkeit zunimmt“. All das bedeute zu wenig Zeit und Personal für individuelle Förderung und zu viel Arbeit für zu wenige Menschen, was verstärkt zu Burn-out führe.

Die weitere Diskussion

Sylvia Stierstorfer von der CSU sah weitere Ursachen für fehlende Fachkräfte in steigenden Geburtenzahlen, längeren Buchungszeiten und früheren Eintritt in die Kita sowie durch Zuzug. Maximilian Deisenhofer (GRÜNE) erklärte, vor sechs Jahren habe von seinem Referendariatsjahrgang von 31 Teilnehmern nur eine einzige Kollegin ein Einstellungsangebot bekommen. Man habe „mehr oder weniger für die Arbeitslosigkeit“ ausgebildet – oder für die Abwanderung in andere Bundesländer oder Berufe.

Johannes Becher von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN wies auf die aktuelle Bertelsmann-Studie hin, wonach 15.000 Erzieher in den Kitas in Bayern fehlten. Gelder aus dem Gute-Kita-Gesetz des Bundes sollten in Qualität statt in Beitragszuschüsse investiert werden. Die Bertelsmann Studie werde selbst durch das von den GRÜNEN geführte Bundesfamilienministerium methodisch infrage gestellt, kritisierte Petra Högl (CSU) im Gegenzug. Die Zahl fehlender Plätze sei daher zweifelhaft.

Johann Häusler (FREIE WÄHLER) wies darauf hin, dass im neuen IQB- Bildungstrend Sachsen vor Bayern stehe. „Kompetenz ist dort, wo Geld in Bildung investiert wird. Wir investieren in Bayern jeden dritten Euro im Haushalt in die Bildung.“ Zudem habe keiner den Ukraine-Krieg vorhergesehen und dass Corona ein Betretungsverbot für rund 3.000 Lehrer und den Ausfall von bis zu 4.000 Lehrkräften zur Folge hatte. Peter Tomaschko (CSU) wies darauf hin, dass beim IQB-Trend der Kompetenzunterschied zwischen Bayern und Bremen im Bereich Lesen und Zuhören in der 4. Klasse bei einem ganzen Jahr liege, in Mathematik bei einem Dreivierteljahr.

Julika Sandt von der FDP forderte eine Fachkraftbedarfsanalyse, verkürzte und bezahlte Ausbildung, mehr Plätze an Fachakademien, schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse und bessere Konzepte für den Quereinstieg.

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