Landtag debattiert über das Handwerk

Aktuelle Stunde im Plenum

30.06.2022

MÜNCHEN.     In einer von ihr beantragten Aktuellen Stunde hat die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, Handwerkerinnen und Handwerker bei ihrem Engagement für den grünen Aufbruch zu unterstützen. Die Fraktionen diskutierten, welche Auswirkungen der Fachkräftemangel im Handwerk hat und wie er bekämpft werden sollte.

BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN haben unter dem Motto "Ran an Bohrmaschine, Bäckerschürze und Bürste: Anpacker*innen für den grünen Aufbruch braucht das Land!" eine Offensive für das bayerische Handwerk, insbesondere im Bereich der Energiewende gefordert. „Windräder müssen gebaut, Solaranlagen installiert und Häuser gedämmt werden“, erklärte Fraktionschefin Katharina Schulze. Bei einer Besuchsreihe der Grünen bei Handwerkern sei das Hauptproblem der Fachkräftemangel gewesen - hinzu kämen derzeit Lieferengpässe beim Material. „Wer heute einen Handwerker braucht, etwa eine Wärmepumpeninstallateurin, wartet im Schnitt neun Wochen.“ Es gehe hier aber „um existenzielle Dinge“. Die Grünen forderten deshalb verpflichtende Betriebspraktika in allen Schularten ab der siebten Klasse, Investitionen in die Berufsschulen, Abbau bürokratischer Hürden und eine kostenlose Meister-Ausbildung. Zudem würden auch Quereinsteiger und Einwanderer gebraucht. Schulze forderte „Welcome-Center in jedem Regierungsbezirk“ für die „schnelle und unbürokratische“ Aufnahme. Frauen, die nur ein Fünftel der Azubis stellten, müsse man mit besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärken. Abschließend zitierte sie einen ehemaligen Zimmerermeister: „Ich werde nie verstehen, dass Menschen, die nichts erarbeiten, was sichtbar oder greifbar wird, so viel mehr Aufmerksamkeit und auch Geld bekommen.“

Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Martin Mittag (CSU) hielt Schulze entgegen, dass seine Partei „jeden Tag beim Handwerk“ sei und das „schon über Jahrzehnte“. Er könne sich erinnern, wie „die Grünen über Jahre Abitur, Akademisierung, Studium als Wichtigstes gesehen haben – und nicht die Auszubildenden“. Das Handwerk brauche nicht „noch mehr grüne Ideologie, sondern unternehmerische Freiheit“ und weniger „Regelungswut“. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD debattierten über Steuererhöhungen sowie Vergabe- und Tariftreuegesetze. Der Entbürokratisierungs-Beauftragte Walter Nussel (CSU) kämpfe dagegen täglich dafür, Unternehmen hier zu entlasten. Mittag nannte auch das Problem explodierender Energiekosten: „Und was machen Sie? Sie stellen sich weiter dagegen, die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern.“ Der Ausbau der Erneuerbaren Energien sei richtig, aber nicht von heute auf morgen zu schaffen. Nach drei großen Krisen brauche es derzeit insbesondere sichere Arbeitsplätze. Immerhin sei eine Million Menschen in 209.000 Betrieben im bayerischen Handwerk beschäftigt, das 30 Prozent der Ausbildungsleistung der bayerischen Wirtschaft stelle - fast 70.000 Azubis. Der Freistaat investiere zudem allein seit 2017 über 170 Millionen Euro in die berufliche Bildung.

Lohnkosten als Problem

Ralf Stadler (AfD) kritisierte, dass „ausgerechnet die Grünen“ etwas über Handwerk und Arbeit erzählen wollten. „Ich war 33 Jahre hier in Deutschland im Handwerk unterwegs und mir ist kein einziger Grüner auf einer Baustelle begegnet“, so Stadler. „Vielleicht wäre es gut, wenn die Grüne Jugend, die so gescheit daherredet, erstmal einen vernünftigen Beruf erlernen würde.“ Den Fachkräftemangel wolle seine Partei nicht mit Facharbeitern aus dem Ausland beheben. Wesentlicher Belastungsfaktor für die personalintensiven Unternehmen seien die Lohnzusatzkosten. Die AfD habe hier ein großes Sozialkonzept vorgelegt, welches langfristig Renten- und Sozialkassen entlaste. Dazu gehöre auch eine große Steuerreform mit weniger Steuerarten und einer verständlichen Systematik, bei der zum Beispiel CO2- und Energiesteuer entfielen. Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sowie der Abbau der Bürokratie- und Energiekosten sei auch Ziel der AfD.

Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER) nannte das Zitat des Zimmermanns eine „Botschaft an Sie und nicht an uns“. Die Grünen seien die Fraktion, „die am wenigsten Handwerker bei sich hat“. Schmidt rügte die grünen Ausführungen: „Sie schreiben: Wir brauchen nicht nur Chefs und Architekten, sondern auch Menschen, die Arbeiten ausführen können.“ Im Handwerk sei man aber schon Chef, wenn man Lehrlinge unter sich habe, einen Betrieb habe. Die neue Affinität der Grünen zum Handwerk stellte sie infrage: „Beim Neun-Euro-Ticket zum Beispiel: Wie kommt der Bäckerlehrling auf dem Dorf ganz früh zu seinem Ausbildungsplatz?“ Zudem hätten die Grünen in den letzten Jahren zahlreiche Anträge zur Stärkung des Handwerks abgelehnt. Schmidt kritisierte auch die grünen Handwerksbesuche: „Keiner von ihnen war jetzt beim Maurer, beim Metzger, stattdessen in der Biobäckerei, beim Töpfer, bei Haustechnikern.“ Ein Tag im Handwerk mache eben noch keine Experten.

Goldener Boden mit Auflagen

Annette Karl (SPD) betonte: „Das Handwerk hat nicht nur goldenen Boden, sondern ist für Beschäftigung und Wohlstand in Bayern von geradezu zentraler Bedeutung“ mit Jahresumsätzen von 130 Milliarden Euro und 145 Berufen im Angebot. Fachkräftemangel bedeute, „dass der Klimaschutz massiv ausgebremst wird, notwendige Sanierungsmaßnahmen im Gebäudesektor verzögert werden, PV-Anlagen nicht schnell genug installiert werden“. Auch die wohnortnahe Versorgung werde beeinträchtigt durch Schwierigkeiten im Lebensmittelhandwerk, im Baugewerbe oder in der Kfz-Branche. Es träfe zudem Industrie und große Dienstleister, „denn das Handwerk ist auch Zulieferer und Servicedienstleister“. Die SPD habe eine Fachkräfteoffensive gefordert, eine kostenfreie Meisterausbildung, ein Lehrlingswohnungsprogramm und bessere Tarifbindung im Handwerk.

Albert Duin (FDP) ist seit 53 Jahren im Handwerk engagiert. „Ich weiß genau, wie schwierig es ist, im Handwerk zu arbeiten, bei allen Gesetzen und Auflagen, die immer wieder kommen - und viele davon sind leider von den Grünen eingebracht worden.“ Die Vielzahl der Auflagen verhindere, dass Handwerk und Mittelstand frei agieren könnten. Handwerker bräuchten konkrete Verbesserungen, die „im Idealfall auch auf dem Konto“ landeten. Er predige schon seit Jahren, Meister und Master gleichzustellen. Duin erinnerte daran, dass Unternehmer eine Meisterausbildung der Mitarbeiter mit Kosten bis zu sechsmal im Jahr von je 300 bis 600 Euro selbst bezahlen und der Arbeitnehmer es als geldwerten Vorteil versteuern müssten. Zudem sollte laut Duin die Digitalisierung in den Betrieben vorangetrieben werden und qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland geholt werden.

Energiewende im Fokus

Raimund Swoboda (FRAKTIONSLOS) mahnte, es brauche „keine grünen Mittelstandsvernichter“, denen die hart arbeitenden Handwerker und Bürger eigentlich egal seien. So glaube Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), mit einem neuen Duschkopf 30 Prozent Gas sparen zu können, übersehe aber, dass der Warmwasseranteil von Gas nur 5 Prozent betrage.

Ludwig Hartmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kritisierte die anderen Redner, sie hätten „keine Lösung angeboten“. Handwerksbetriebe würden tatsächlich unter den hohen Energiekosten leiden, „aber den fossilen“. Mit dem EEG hätte seine Partei der Energiewende geholfen und den Handwerkern Einnahmequellen erschlossen. Zudem brauche es keine Gewerbebetriebe an der Autobahn, sondern im Ort. Die Gleichwertigkeit von Meister- und akademischer Ausbildung sei derzeit Thema bei der Bundesregierung.

/ Andreas v. Delhaes-Guenther

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