Regierungserklärung zum "Energieplan Bayern"

Landtag debattiert über die bayerische Energieversorgung

 

31.05.2022

MÜNCHEN.    Als Konsequenz aus dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und dadurch gefährdeter Öl- und Gaslieferungen hat die Staatsregierung einen neuen "Energieplan" für Bayern beschlossen, mit dem bis 2030 der Anteil im Freistaat erzeugter erneuerbarer Energien verdoppelt werden soll. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) stellte das Projekt dem Landtag im Rahmen einer Regierungserklärung vor. Weite Teile der Opposition halten es für zu wenig ambitioniert.

Mit dem "Dreiklang sicher, bezahlbar und erneuerbar" will die Staatsregierung die bayerische Energieversorgung in den kommenden Jahren auf neue Beine stellen und damit die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten aus Russland deutlich reduzieren. Das kündigte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) in einer Regierungserklärung an. Als Kernpunkte nannte er zahlreiche Ausnahmen von der 10H-Abstandsregel für Windkraftanlagen, deren Mindestabstand zur Wohnbebauung in Vorranggebieten, entlang überregionaler Verkehrswege oder in der Nähe von Gewerbegebieten auf 1000 Meter verringert werden soll, sowie den starken Ausbau der Photovoltaik zum Beispiel auf staatlichen Gebäuden. Ergänzende Potenziale will die Staatsregierung bei Biomasse, Wasserkraft und Geothermie erschließen. Außerdem trat Aiwanger für die vorübergehende Verlängerung der Laufzeiten noch in Betrieb befindlicher Atomkraftwerke über das eigentliche Abschaltdatum am Ende des Jahres ein.

Warnung vor Benachteiligung Bayerns

Den Großteil seiner Rede verwandte Aiwanger allerdings auf Forderungen an die Bundesregierung. Diese müsse die Rahmenbedingungen für die Energiewende spürbar verbessern und ihre Blockade gegen die verlängerte Nutzung der Kernkraft aufgeben. "Berlin steht am Schlauch und liefert nicht", erklärte Aiwanger. Konkret forderte er unter anderem ein vereinfachtes Regelwerk zur Beteiligung von Bürgern und Kommunen an Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen. Würden diese von den Einnahmen finanziell profitieren, gäbe das einen Akzeptanzschub, zeigte sich Aiwanger überzeugt. Gleichzeitig warnte der Minister vor einer Benachteiligung Bayerns durch die Bundesregierung. Diese sah er durch die geplante Herausnahme kleiner Wasserkraftanlagen aus der Förderung sowie fehlende Unterstützungsprogramme zur Nutzung von Geothermie gegeben. Auf beiden Feldern habe der Freistaat die bundesweit größten Potenziale. Ergänzend forderte Aiwanger die stärkere Entlastung von Bürgern und mittelständischen Unternehmen von den hohen Energiepreisen durch weitere Steuer- und Abgabesenkungen.

Der Fraktionschef von BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, Ludwig Hartmann, wies die Kritik Aiwangers an der Bundesregierung zurück. Diese ändere gerade in "nie dagewesenem Tempo" Gesetze und Bestimmungen, um die Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien zu verbessern, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren und die Bürger zu entlasten. "Wir arbeiten in Berlin das auf, was unter CDU-Wirtschaftsministern seit Jahren liegen geblieben ist", sagte Hartmann. Dagegen erbringe das leistungsstarke und flächengrößte Bundesland Bayern außer wiederholten Ankündigungen praktisch keinen Beitrag. "Das ist wirklich erbärmlich", urteilte Hartmann. Der Staatsregierung und vor allem der CSU fehle es an Entschlossenheit. "Ich verstehe nicht, warum die CSU mehr Angst vor Windrädern hat als vor Kriegstreibern und Diktatoren", erklärte Hartmann.

SPD fordert bayerisches Energie- und Klimageld

Auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn erkannte im Energieplan nur "große Verkündigungen und Schaufensterprogramme". Mit den Ausnahmen von der 10H-Abstandsregel für Windräder schaffe die Staatsregierung ein "Bürokratiemonster, mit dem sie der Energiewende den nächsten Mühlstein um den Hals hängt". Diese komme bestenfalls "in Trippelschritten" voran. Zur weiteren Entlastung der Bürger sah von Brunn die Staatsregierung in der Pflicht. Er schlug deshalb vor, aus den wieder steigenden Steuereinnahmen des Freistaats jedem Bürger ein Energie- und Klimageld in Höhe von 50 Euro zu zahlen und zusätzlich jedem Kind und Sozialhilfeempfänger einmalig 100 Euro.

Wenig Zutrauen in die neuen Pläne der Staatsregierung zeigte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Er verwies auf das 2019 von Aiwanger vorgelegte "Aktionsprogramm Energie", mit dem bis Ende 2022 unter anderem 300 zusätzliche Windräder und 100 Wasserstofftankstellen gebaut werden sollten. Umgesetzt worden sei davon praktisch nichts, auch die damaligen Ziele bei Photovoltaik, Wasserkraft und Bioenergie würden bei Weitem nicht erreicht. "Was wir heute haben, ist das Ergebnis einer verfehlten Energiepolitik der Staatsregierung",  bilanzierte Hagen. Kritik kam auch von der AfD, allerdings aus anderen Gründen. Fraktionschef Ulrich Singer hielt die komplette Energiewende für einen teuren Unsinn, der nur Bürgern und Unternehmen das Geld aus der Tasche ziehe. Die Staatsregierung spiele "Poker mit dem Wohlstand des ganzen Landes". Singer plädierte stattdessen für die Renaissance der Atomkraft mit neuer Technologie und warnte vor einem Verzicht auf Gasimporte aus Russland. Der fraktionslose Abgeordnete Raimund Swoboda nannte den "Energieplan" eine "typische Mogelpackung der Söder-Regierung", die die Energieversorgung Bayern gefährde und die Preise weiter nach oben treibe.

Keine "Lummerland-Phantasien"

Rückendeckung erfuhr Aiwanger durch Kerstin Schreyer (CSU). Das Konzept der Staatsregierung decke alle Erfordernisse für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung auch in Zukunft ab. Sie hob hervor, dass von der Wind- bis zur Kernkraft alle Energieformen berücksichtigt seien. "Wir werden alles brauchen, um unseren Wohlstand zu halten und unsere Industriearbeitsplätze zu sichern", betonte Schreyer. Florian Streibl, Fraktionschef der FREIEN WÄHLER, begrüßte das Pläne der Staatsregierung, sah aber die "großen Stellschrauben" für die Energiewende in Berlin liegen. Dort müsse noch an vielen Punkten nachgesteuert werden. Der Opposition warf Streibl energiepolitische "Lummerland-Phantasien" vor. Man müsse sich den aktuellen Herausforderungen faktenbasiert und ideologiefrei stellen. Dies tue die Staatsregierung.

/ Jürgen Umlauft

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