Abgeordnete diskutieren in Aktueller Stunde über Flughafenkonzepte

Dienstag, 8. Dezember 2015
– Von Jan Dermietzel –

„Aktuelle Stunde“ nennt man die Aussprache im Plenum des Bayerischen Landtags, bei der die Fraktionen abwechselnd ein Thema aus aktuellem Anlass bestimmen können. Es soll von allgemeinem Interesse sein und in die Zuständigkeit des Freistaats fallen. Diesmal waren die FREIEN WÄHLER an der Reihe, und sie wählten das Thema „Gesamtbayerisches Flughafenkonzept statt dritte Startbahn“.

Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER) plädierte dafür, keine dritte Start- und Landebahn am Münchner Flughafen zu bauen. Derzeit verzeichne der Flughafen Franz Josef Strauß im Erdinger Moos 377.000 Starts und Landungen im Jahr – deutlich weniger als noch im Jahr 2008 mit 433.000: „Nein, wir brauchen keine dritte Startbahn.“ Das Geld sei besser an den Flughäfen in Nürnberg und Memmingen aufgehoben. Zudem ließen sich Privatflieger von München nach Oberpfaffenhofen verlagern, falls München entlastet werden müsse. Glauber forderte, eine bayerische Flughafengesellschaft zu gründen, in der alle Anteile des Freistaats an Verkehrsflughäfen zusammengeführt werden.

Dr. Otmar Bernhard (CSU) entgegnete, diese Forderung habe der Wirtschaftsausschuss des Landtags in der vergangenen Woche bereits abgelehnt. Was die Entscheidung über den Bau einer dritten Startbahn in München angehe, führe Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) „nach wie vor Gespräche mit allen Beteiligten und Betroffenen, und das ist auch vernünftig“. Die CSU-Fraktion wolle im kommenden Frühjahr entscheiden und zuvor eine ausführliche Diskussion führen. „Ob das im Februar oder im März entschieden wird, ist bei diesem Thema völlig egal.“ Am Flughafen München steige das Passagieraufkommen kontinuierlich. Bernhard warf den FREIEN WÄHLERN vor, die Fakten nicht zur Kenntnis zu nehmen. Dass die Zahl der Flugbewegungen zunächst zurückgegangen sei,  liege am Einsatz größerer Flugzeuge. Dieser Effekt sei aber bald ausgereizt. Bis 2025 würden für München 58 Millionen Flugbewegungen prognostiziert. „Das kann mit zwei Bahnen nicht bewältigt werden.“

Florian von Brunn (SPD) wies auf zahlreiche Umfragen hin, die zeigten, dass die Menschen in Bayern, vor allem in Oberbayern und München, keine dritte Startbahn in München wollten. Das gelte ebenso für die drei Oppositionsfraktionen, nur die Regierungspartei CSU sei gespalten. Ministerpräsident Seehofer tendiere gegen eine dritte Startbahn. Erhebliche Teile der CSU-Fraktion seien nicht bereit, dem Regierungschef zu folgen. Und diesen Teilen erklärte von Brunn: „Bayerns Gedeih und Verderb hängt nicht von der dritten Startbahn ab. Oberbayern wächst und wächst auch ohne Startbahn so stark, dass die Preise und Mieten schon in den Himmel schießen.“ Es gebe keinen Bedarf für eine dritte Startbahn. Weniger klimaschädlich als das Flugzeug sei ohnehin die Bahn. Hier gelte es, in schnellere Strecken zu investieren.

Dr. Christian Magerl (Bündnis 90/Die Grünen) sprach sich ebenfalls gegen eine dritte Startbahn im Erdinger Moos aus, „weil das eine extreme Belastung im Hinblick auf Lärm und Abgase für die Menschen wäre“.  Zudem sei der Flächenverbrauch von knapp 1000 Hektar nicht zu verantworten, da es keinen Bedarf für die dritte Startbahn gebe. Entgegen den Vorhersagen des Flughafens steige die Zahl der Flugbewegungen nicht an. Nicht einmal die Lufthansa mahne zur Eile. In Frankfurt am Main gebe es seit vier Jahren eine vierte Startbahn. In diesen vier Jahren sei die Zahl der Frankfurter Flubbewegungen kontinuierlich gesunken. Sinnvoller als die dritte Startbahn in München sei für den Freistaat Bayern, die Metropolregion Nürnberg und ihren Flughafen zu stärken. „Das würde Ihnen Nordbayern danken.“

Klaus Holetschek (CSU) warf der Opposition Populismus vor. Auf dem Tisch lägen verschiedene Fakten und Gerichtsurteile. Die Wirtschaft weise darauf hin, dass München als internationales Drehkreuz auch künftig von entscheidender Bedeutung für Bayern sein werde. Der Ministerpräsident sei im Dialog mit den betroffenen Bürgern, er kenne aber auch die Verantwortung für die Wirtschaftsunternehmen. „Denn wir alle wissen: Ohne die Wirtschaft funktioniert auch alles andere nicht.“ Bernhard Roos (SPD) warb für den Ausbau regionaler Zugverbindungen im Raum Augsburg und auch zwischen Plattling und Landshut: „Die Voraussetzungen für jedwede Überlegung zur weiteren Verbesserung der verkehrlichen Anbindung des Flughafens München sind ein Ringschluss.“ Benno Zierer (FREIE WÄHLER) wies darauf hin, die dritte Startbahn in München sei schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil die Stadt München zum einen ihr Veto einlegen und zum anderen ihre Anteile an der Flughafengesellschaft nicht veräußern werde: „München wird auch gegen die letzten verzweifelten Versuche, ihr die Zustimmung abzukaufen, immun bleiben.“

Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte für die kommenden zwei Jahre einen neuen Gesamtverkehrsplan für Bayern an für „Schiene, Straße, Wasserstraße und Luftverkehr“. Man könne Passagiere nicht beliebig umleiten: „Fluggesellschaften fliegen sinnvollerweise dorthin, wo sie bei den Passagieren die erforderliche Nachfrage erwarten. Wir können auch den zweiten S-Bahn-Tunnel in München nicht damit ersetzen, dass in der Nürnberger S-Bahn noch ein paar Sitzplätze frei sind.“ Im übrigen habe Christian Magerl die Lufthansa unvollständig zitiert, die unmissverständlich eine dritte Startbahn bis 2025 gefordert habe. Die wirtschaftliche Prosperität Bayerns hänge nicht ausschließlich, aber maßgeblich „mit diesem großartigen Flughafen und seiner Entwicklung in den letzten 30 Jahren zusammen. Wir wollen eine zukunftsfähige Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur in unserem Land.“

SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher erklärte gegen Ende der Debatte, die breite Mehrheit der CSU-Fraktion habe sich im Rahmen einer Unterschriftenaktion bereits für den Bau der dritten Startbahn ausgesprochen habe.  Ministerpräsident Seehofer habe dies als „schmerzhaft“ bezeichnet. Rinderspacher forderte Seehofer auf, in dieser Debatte Stellung zu nehmen: „Wir als Vertreter des Hohen Hauses haben einen Anspruch darauf, dass Sie uns zumindest einen Sachstandsbericht geben, wie die Dialogphase vonstatten ging.“

Ministerpräsident Horst Seehofer ergriff abschließend das Wort. Die Staatsregierung habe immer wieder erklärt, sie werde die Frage des Baus einer dritten Startbahn „politisch entscheiden“ und nicht mit juristischen Finessen. Nach den vielen Gesprächen, die er mit allen Beteiligten und Betroffenen in dieser Frage geführt habe, „habe ich den Dialogprozess für mich in der Staatskanzlei bewertet“. Die CSU-Fraktion habe ihn nun gebeten, die Frage vor einer endgültigen Entscheidung noch einmal gemeinsam zu erörtern. Diesem Wunsch komme er nach. Sobald die Entscheidung im Februar oder März 2016 gefallen sei, „fahre ich hinaus nach Freising, dann fahre ich nach Attaching und werde das der Bevölkerung persönlich erläutern.“  Bis dahin aber behalte er seine Meinung zum Bau einer dritten Startbahn für sich.

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