„Aktuelle Stunde“: Disput über zweiten Münchner S-Bahn-Tunnel

Dienstag, 8. April 2014
– Von Jürgen Umlauft –

Der umstrittene zweite S-Bahn-Tunnel unter der Münchner Innenstadt hat erneut zu einem verbalen Schlagabtausch im Plenarsaal geführt. In einer von seiner Fraktion beantragten „Aktuellen Stunde“ forderte der Verkehrssprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Markus Ganserer, das Ende aller Planungen für das Projekt. Dieses habe trotz jahrelanger Bemühungen noch immer keine Baureife, die Finanzierung laufe zunehmend aus dem Ruder, erklärte er. Eine neue Schätzung der Deutschen Bahn als Projektträger komme auf Baukosten in Höhe von 2,57 Milliarden Euro.

„Damit wird der Kostenrahmen erneut gesprengt, und das Ende der Fahnenstange ist nicht erreicht“, sagte Ganserer. Weitere Mehrkosten drohten zum Beispiel bei dem in einigen Abschnitten noch ungeklärten Brandschutz. Ganserer appellierte deshalb an die Staatsregierung, die Planungen für die zweite Tunnelröhre zu „beerdigen“ und damit den Weg für überfällige Alternativen frei zu machen.

Nach Einschätzung Ganserers löst die zweite Stammstrecke die eigentlichen Probleme des Münchner S-Bahn-Netzes ohnehin nicht. Diese lägen weniger im Tunnelbereich als auf den Außenästen, wo Infrastrukturmängel und technische Unzulänglichkeiten für Engpässe sorgten. Diese Punkte müssten vorrangig abgearbeitet werden. Das Geld dafür fehle aber, weil alle Mittel für den Bau des zweiten S-Bahn-Tunnels „gebunkert“ würden. Unter diesem Effekt würden zunehmend auch Bahnprojekte überall in Bayern leiden. „Die Konzentration aller Mittel auf ein Projekt in München ist mit dem Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ganz Bayern nicht vereinbar“, erklärte Ganserer.

Dem widersprach Verkehrsminister Joachim Herrmann. Er verwies auf die Verwirklichung zahlreicher regionaler Verkehrsprojekte überall im Freistaat. Insofern sei es falsch, „den Stillstand in München zu predigen“. Vielmehr sei die zweite Stammstrecke das „zentrale Element für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im Großraum München“, so Herrmann. Diese habe sich bei allen Alternativprüfungen als die beste Lösung erwiesen, um das stark gestiegene Fahrgastaufkommen im S-Bahn-Netz aufzufangen. Mehr Pünktlichkeit und Kapazität sowie eine Taktverdichtung im Fahrplan lasse sich nur mit der zweiten Röhre erreichen. Außerdem biete diese bei Störungen auf der Stammstrecke einen leistungsfähigen Bypass. Dass die Bahn nun von höheren Baukosten ausgehe, zeichne nur die „normale jährliche Kostenentwicklung“ nach. Er werde deshalb weiterhin auf eine Verwirklichung des Projekts drängen.

Auch der SPD-Abgeordnete Herbert Kränzlein verteidigte den Tunnelbau.
„Wir brauchen die zweite Stammstrecke – und zwar schnell“, betonte er.
Kränzlein warf den Grünen vor, keine „plausible Alternative“ anzubieten. Der von ihnen erneut ins Spiel gebrachte S-Bahn-Südring habe einen deutlich geringeren Kosten-Nutzen-Faktor. Dagegen stellte sich Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER) auf die Seite der Grünen. Er verwies auf die Verfünffachung der geschätzten Baukosten seit 2000.

„Aus meiner Sicht ist dieser Tunnel nicht finanzierbar, man muss deshalb endlich die Alternativen angehen“, so Piazolo. Diese lägen vor allem in Verbesserungen außerhalb der Tunnelstrecke. Mit ihrem Beharren auf den unrealistischen Tunnelplänen, lasse die Staatsregierung die Menschen „im Wortsinn im Regen stehen“.

Der CSU-Abgeordnete Eberhard Rotter erklärte, die zweite Stammstrecke sei, anders als von den Grünen behauptet, kein Irrweg, sondern der „Königsweg“ zur Lösung der Verkehrsprobleme in München und seinem Umland. Rotter zeigte sich unzufrieden mit dem aktuellen Planungsstand, der immer noch keinen Termin für einen Baubeginn erkennen lasse. Die Devise müsse nun sein, Baurecht zu schaffen und dann zu bauen. Die von Grünen und FREIEN WÄHLERN genannten Maßnahmen an den Außenästen der S-Bahn seien keine Alternativen zum Tunnelbau, sondern müssten ergänzend durchgeführt werden. Die Staatsregierung habe dazu ein 13-Punkte-Sofortprogramm aufgelegt.


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