Debatte zur Einführung von Volksbefragungen

7. Mai 2014
– Von Katja Helmö –

In seiner Regierungserklärung vom 12. November 2013 zur Zukunft Bayerns hatte Ministerpräsident Horst Seehofer mehr Bürgerbeteiligung, insbesondere bei Entscheidungen zu landesweit bedeutsamen Infrastrukturprojekten, angekündigt. Sechs Monate nach dieser Ankündigung hat die Staatsregierung dazu nun eine Novelle zum Landeswahlgesetz eingereicht, mit der ein deutschlandweit neues Instrument – die „Volksbefragung“ – geschaffen werden soll. Innenminister Joachim Herrmann sieht darin ein „Mehr an demokratischer Mitwirkung“. Vertreter der Oppositionsfraktionen, die ihrerseits parlamentarische Initiativen zu diesem Thema vorgelegt haben, kritisierten am Gesetzentwurf der Staatsregierung insbesondere die mangelnde rechtliche Verbindlichkeit der geplanten Volksbefragungen und sprachen von einem „Beteiligungsplacebo“. Eine tatsächliche Verbesserung der direkten Demokratie werde dadurch nicht erreicht.


Das neue Instrument, mit dessen Einführung die bisherigen Regelungen über Volksbegehren und Volksentscheid unangetastet blieben, soll in der Praxis dann zur Anwendung kommen können, wenn die Staatsregierung und die Mehrheit des Landtags dies übereinstimmend so beschließen: Staatsregierung und der Landtag würden in ihrer Entscheidungsfindung, etwa zu bedeutsamen Großprojekten, durch das Volk unterstützt, führte dazu Innenminister Joachim Herrmann bei der Ersten Lesung im Plenum aus. Das Ergebnis einer Volksbefragung solle weder für die Staatsregierung noch für den Landtag rechtlich bindend sein. Dennoch werde es politische Kraft entfalten und Infrastrukturprojekten durch ein positives Votum der Bürgerinnen und Bürger zusätzliche Legitimation verleihen, zeigte sich der Staatsminister überzeugt.

Rechtsausschussvorsitzender Franz Schindler (SPD) monierte, dass bei dem neuen Instrument das Fragerecht allein bei der Staatsregierung liege. Ministerpräsident Horst Seehofer versuche, der Bevölkerung „Sand in die Augen zu streuen“, eine tatsächliche Verbesserung der direkten Demokratie werde dadurch nicht erreicht, sagte Schindler. Tatsächlich gehe es Seehofer einzig darum, über die dritte Startbahn am Flughafen München abstimmen zu lassen. Der SPD-Politiker forderte, dass auch die Landtagsopposition eine Volksbefragung in die Wege leiten können sollte.

Prof. Dr. Michael Piazolo (FREIE WÄHLER) bezeichnete die Idee, eine unverbindliche Volksbefragung einzuführen, als „vordemokratisch“. Er warf dem Ministerpräsidenten vor, Angst vor der bindenden Entscheidung des Volkes zu haben. Das sei wie eine „Demokratie ohne Trauschein“. Katharina Schulze (Bündnis 90/Die Grünen) argumentierte ähnlich: Die Bürgerinnen und Bürger würden zwar gefragt, hätten im Endeffekt aber nichts zu sagen. Durch den Zuschnitt des neuen Instruments auf Infrastrukturprojekte werde klar, dass die Staatsregierung „die ‚Schmach des verlorenen Bürgerentscheids zur dritten Startbahn immer noch nicht überwunden“ habe.

Zeitgleich zum Gesetzentwurf der Staatsregierung brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen Gesetzentwurf für mehr Bürgerbeteiligung, wie zuvor schon SPD und FREIE WÄHLER, in das Plenum ein. Die Grünen wollen mit ihrem Gesetzentwurf die Hürden für Volksbegehren senken, Volksabstimmungen auch über klassische Landtagsthemen ermöglichen und diese gegebenenfalls auch durch den Landtag initiieren lassen. Sowohl Innenminister Joachim Herrmann als auch Rechtsausschussvorsitzender Franz Schindler verwarfen Teile daraus allerdings als verfassungswidrig. Die Gesetzentwürfe werden nun an den zuständigen Verfassungsausschuss im Landtag verwiesen, wo sie in den nächsten Wochen intensiv beraten werden.

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