SPD sieht wegen Corona Frauenrechte in Gefahr

Letzte Aktuelle Stunde vor der parlamentarischen Sommerpause

07. Juli 2020

Frauen sind nach Einschätzung von SPD-Fraktionsvizin Simone Strohmayr die Leidtragenden der Corona-Pandemie. Wegen der vor allem von Frauen getragenen zusätzlichen Kinderbetreuung zu Hause und dem damit oft verbundenen beruflichen Verzicht würden die Bemühungen zur Gleichstellung von Mann und Frau um Jahre zurückgeworfen, sagte Strohmayr in einer von ihrer Fraktion beantragten Aktuellen Stunde.

Nach ersten wissenschaftlichen Studien werde die Bewältigung der Corona-Krise in erster Linie "auf dem Rücken von Frauen ausgetragen", erklärte Strohmayr. Zum einen arbeiteten sie in großer Zahl in systemrelevanten, aber schlecht bezahlten Berufen in der Kranken- und Altenpflege, im Reinigungsdienst sowie im Einzelhandel. Zum anderen seien vor allem Frauen zu Hause geblieben, um ihre Kinder als Folge der Schul- und Kita-Schließungen betreuen zu können. Für viele seien damit Einkommensverluste und der Verzicht auf berufliche Aufstiegschancen verbunden. Es zeichne sich bereits eine "Retraditionalisierung der Geschlechterrollen" ab, warnte Strohmayr.

Zudem mehrten sich Hinweise, dass häusliche Gewalt gegen Frauen zugenommen habe. "Corona darf kein Rückschlag für die Frauenbewegung werden", sagte Strohmayr. Sie forderte die Staatsregierung auf, die Gleichstellungspolitik nicht weiter wie ein "fünftes Rad am Wagen" zu behandeln. Nötig seien unter anderem der Einsatz für dauerhaft bessere Löhne in überwiegend von Frauen ausgeübten Berufen, mehr Gewaltprävention und -schutz sowie eine gesetzliche Regelung für nach Geschlechtern ausgewogen besetzte Parlamente.

Die CSU-Abgeordnete Petra Högl teilte die Analyse Strohmayrs, wonach Frauen durch die Corona-Krise auf vielfältige Weise besonders herausgefordert seien. Mit ihrem Einsatz hätten sie sich als "Rückgrat der Gesellschaft" erwiesen. Högl verwies aber darauf, dass die Staatsregierung die Unterstützung von Frauen in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut habe. So sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sukzessive verbessert worden. Ziel der CSU sei kein bestimmtes Menschenbild für Frauen, sondern eine möglichst große Wahlfreiheit in der Lebensführung.

Wie Strohmayr sah auch Eva Lettenbauer (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) die Notwendigkeit, Frauenrechte langfristig krisenfest zu sichern. "Wir dürfen wegen Corona die Fortschritte bei der Gleichberechtigung nicht wieder einbüßen", betonte sie. "Frauen sind systemrelevant, Frauenrechte sind es auch." Frauen bräuchten mehr als Anerkennung und Beifall, sie hätten Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, körperliche Unversehrtheit und die "Hälfte der Macht in der Gesellschaft". Julika Sandt (FDP) sah das Frauenbild zurück auf den Weg in die 1960er Jahre. Wegen der Krise gerieten viele Frauen wieder in finanzielle Abhängigkeit von Männern. Dem müsse die Politik mit einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie dem Einsatz für ein modernes Frauenbild entgegentreten.

Auch aus Sicht von Eva Gottstein (FREIE WÄHLER) drohe Corona "vieles in Frage zu stellen, was in einem Jahrhundert an Frauenrechten erkämpft wurde". Es gebe einen "besorgniserregenden Rückfall in alte Frauenmuster". Mit seiner Frauenförderung könne der öffentliche Dienst in Bayern Vorbild für die gesamte Gesellschaft sein. Ganz im Gegensatz dazu erkannte Anne Cyron (AfD) eine "Bevorrechtung" von Frauen bei gleichzeitiger Diskriminierung von Männern. Ganz abgesehen davon, dass Familienarbeit auch erfüllend sein könne, würden Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen sogar bevorzugt. Niemand thematisiere dagegen, dass Männer die "dreckigsten und gefährlichsten Arbeiten" verrichten und die meisten Überstunden leisten müssten. "Die Abwertung des Mannes ist Ausdruck feministischer Arroganz", sagte Cyron. Frauenrechtlerinnen nutzten Corona nun, um ihr Dogma von der Benachteiligung der Frau weiter in die Gesellschaft zu tragen.

Sozialministerin Carolina Trautner (CSU) sah in der Corona-Krise eine Chance für mehr Gleichberechtigung. Sie erinnerte daran, dass während der Schul- und Kita-Schließungen in vielen Familien deutlich partnerschaftlicher gearbeitet worden sei als üblich. Von einem Rückschlag bei der Gleichberechtigung könne man deshalb nicht sprechen. Trautner räumte ein, dass die Bezahlung in vielen frauentypischen Berufen unzureichend sei. Das zu ändern, sei jedoch Aufgabe der Tarifpartner. Der Staat könne Rahmenbedingungen für geschlechtergerechte Chancen in der Berufswelt setzen, auf die Lohnfindung dürfe er aber keinen Einfluss nehmen.

Jürgen Umlauft

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