Diskussion über Jodl-Grab auf der Chiemseer Fraueninsel

Gedenkstein für NS-Kriegsverbrecher: SPD-Gesetzentwurf zur Änderung des Bestattungsgesetzes

07. Juli 2020

Alfred Jodl war während des Zweiten Weltkrieges in der Wehrmacht an führender Stelle verantwortlich für die Deportationen und den Tod Tausender jüdischer Menschen. Obwohl er bei den Nürnberger Prozessen ab 1945 schuldig gesprochen und zum Tode verurteilt wurde, erinnerte bis vor Kurzem auf dem Friedhof der Fraueninsel auf dem Chiemsee ein Grabstein an den Hauptkriegsverbrecher. Die SPD-Fraktion will daher das Bestattungsgesetz ändern.

Inzwischen wurde zwar die Inschrift auf dem Grabstein durch eine Steinplatte dauerhaft verdeckt. „Ein brauner Misthaufen stinkt aber weiter, auch wenn man ihn nicht mehr sieht“, sagte der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn am Dienstag im Plenum. Der Gesetzentwurf seiner Fraktion sieht daher vor, das Bestattungsgesetz um eine spezielle Satzungsermächtigung zu ergänzen. Damit soll es Friedhofsträgern künftig erleichtert werden, das Aufstellen von Gedenksteinen für NS-Täter zu verbieten beziehungsweise bestehende Denkmäler zu entfernen.

Um Jodls Grab wird schon seit vielen Jahren gestritten, teils mit Protestaktionen vor Ort. Immer wieder wurden auch im Landtag Petitionen zu diesem Thema behandelt. Bis 2018 wurde aber davon ausgegangen, dass sich das Problem mit dem Auslaufen des Grabnutzungsrechts der Familie von selbst erledigen würde. Doch der Großneffe von Jodls zweiter Ehefrau setzte vor dem Münchner Verwaltungsgericht eine Verlängerung durch. Erst durch die Petition im Februar 2020 kamen die Dinge ins Rollen - der Innenausschuss sah die Eingabe als „berechtigt“ an.

„Das Signal des Ausschusses hat gefruchtet“, resümierte Matthias Enghuber (CSU) im Plenum. Seitdem ist auf dem Familiengrab nur noch die Inschrift „Familie Jodl“ zu lesen. Zwar sei noch ein Eisernes Kreuz zu sehen, räumte der Abgeordnete ein. „Aber das ist kein nationalsozialistisches Symbol, sondern es verbindet sich mit dem Militär bis in die Gegenwart.“ Eine Gesetzesänderung lehnte Enghuber ab. Es gebe keine weiteren Gräber von verurteilten Kriegsverbrechern in Bayern, der Gesetzentwurf sei daher „überflüssig“. Selbst wenn, hätten Gemeinden schon jetzt die Möglichkeit, ihre Friedhofssatzung entsprechend zu ändern.

Auch von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhielt die SPD keine Unterstützung. Deren Abgeordneter Dr. Martin Runge lobte die CSU für ihre „180-Grad-Wende“ im Innenausschuss. Selbst der Innenminister habe der Inselgemeinde seine Hilfe bei einer Satzungsänderung angeboten. „Ich kann daher nicht erkennen, wie uns der SPD-Gesetzentwurf weiterhelfen soll“, sagte Runge.

Joachim Hanisch (FREIE WÄHLER) nannte das SPD-Vorhaben eine „Lex Jodl“. Die Diskussion darüber führe nur dazu, dass noch mehr Menschen den Lebenslauf und den Gedenkstein des Kriegsverbrechers kennen würden. „Das ist kontraproduktiv“, so Hanisch. „Keiner will Treffpunkte für Rechtsextreme.“

Alexander Muthmann (FDP) warnte davor, ein Gesetz zu beschließen, das nicht notwendig sei. „Wir sind schon auf einem guten Weg“, unterstrich er. Als Beleg nannte er das Versprechen der Gemeinde, weiterhin auf eine völlige Entfernung des Grabs hinzuwirken.

Dem AfD-Abgeordneten Stefan Löw wurde vor seiner Rede von Landtagsvizepräsident Alexander Hold (FREIE WÄHLER) das Wort entzogen. Löw trat - offenkundig aus Protest gegen die im Landtag geltende Maskenpflicht - mit einer Gasmaske vor das Rednerpult und weigerte sich, diese abzusetzen. Hold sprach eine Rüge aus.

Der SPD-Gesetzentwurf wird nach der Sommerpause im Innenausschuss weiter diskutiert.

David Lohmann

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