Opposition fordert Parlamentsbeteiligung in der Corona-Krise

Die Entscheidungsbefugnis über die Infektionsschutzmaßnahmen sei vollständig an die Exekutive übertragen worden, kritisierte die Opposition. Gesetzesentwürfe von FDP und SPD zu mehr Beteiligung wurden von den Regierungsparteien abgelehnt.

Mitreden statt nur aus der Presse von den neuen Corona-Veordnungen erfahren – das fordern SPD und FDP für das Parlament in der Corona-Krise. Die Großeltern über Wochen nicht sehen zu können oder Kinder im Home-Schooling betreuen zu müssen: Die Rechtsverordnungen haben sowohl im privaten als auch im öffentlichen Leben zu tiefen Eingriffen geführt. FDP und SPD haben zwei Gesetzentwürfen in den Landtag eingebracht, damit das Parlament beim Erlass von Rechtsverordnungen nach dem Infektionsschutzgesetz stärker beteiligt wird und die Befugnissen des Freistaates zur Sicherstellung des Grundrechtsschutzes besser umgesetzt werden.

Kritik an Regierung

Zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 und der Krankheit COVID-19 hat das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege seit März 2020 mehrere Rechtsverordnungen erlassen, die Gebote und Verbote regeln, mit denen die Ausbreitung der Pandemie verhindert werden soll. Die Oppositionsparteien FDP, SPD, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und AfD kritisieren, dass die Rechtsverordnungen ohne Beteiligung des Parlaments erlassen wurden, obwohl sie alle Lebensbereiche betrafen und zu einem weitgehenden Stillstand des öffentlichen und auch privaten Lebens geführt haben. Die Rechtsverordnungen der Staatsregierung beruhen auf der Ermächtigung des § 32 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG).

FDP: „Handlungsfähigkeit des Staates nicht eingeschränkt“

Der Gesetzentwurf der FDP sieht vor, dass der Landtag von seiner aus Art. 80 Abs. 4 GG resultierenden Gesetzgebungskompetenz Gebrauch macht und der Staatsregierung die Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen zurücküberträgt jedoch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Landtags. Diese Option beschränkt sich dem Entwurf zufolge auf die Dauer der aktuellen Pandemie . „Die Handlungsfähigkeit in der Krise wird dadurch nicht eingeschränkt, weil in dringenden Angelegenheiten die Regierung Verordnungen erlassen kann, die dann nachträglich vom Landtag legitimiert werden“, sagte Martin Hagen (FDP). Es entstehe also keine Gefahr im Verzug, versicherte Hagen.

SPD fordert starke Demokratie

Die SPD kritisierte die Zuständigkeit eines einzelnen Ministeriums, da sie zu einem Abwägungsmangel führe. Die Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs erfordere die Rechtsgüterabwägung zwischen mehreren betroffenen Grundrechten. Am Erlass der Maßnahmen nehme aber kein fach- bzw. ressortübergreifend zusammengesetztes Gremium teil, sondern sie werde in diesem Fall vom Gesundheitsressort verantwortet, das von Experten dieses einschlägigen Ressorts beraten werde. Ein ressortübergreifendes Gremium würde laut SPD dieses Abwägungsdefizit vermeiden. Sie fordert in ihrem Gesetzentwurf, das Parlamentsbeteiligungsgesetz (PBG) zu ändern. Die Nr. 4 und 5 des Abschnitts VI der Vereinbarung zum Parlamentsbeteiligungsgesetz (VerPBG) vom 3./4. September 2003 werden in den Gesetzestext übernommen. Dies erhöhe die Verbindlichkeit der Unterrichtung des Landtags durch die Staatsregierung. Zur Stärkung des legitimierten Gesetzgebers müsse der Landtag künftig Rechtsverordnungen zustimmen, die auf § 32 Satz 1 IfSG gründen. Horst Arnold (SPD) bekräftigte: „Der Landtag ist nicht behäbig – ein Beweis dafür ist das Bayerische Infektionsschutzgesetz, das innerhalb von zehn Tagen beschlossen wurde. Doch der Landtag ist nicht Befehlsempfänger, sondern Verfassungsorgan. Wir sind entschlossen, parlamentarische Beteiligungsrechte zu sichern und einzufordern und werden notfalls hierzu auch den Gerichtsweg beschreiten.“ Andreas Winhart (AfD) wies darauf hin, dass es vor allem wichtig wäre, das Thema in Berlin und nicht auf Länderebene anzugehen. Den Antrag der SPD lehnte die AfD ab, der FDP stimmte sie zu. „Es ist besser als nichts und zumindest etwas zu ändern“, sagte er.

Grüne warnen vor Antidemokraten

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN reichten zudem zwei Anträge ein. Sie forderten, ein Corona-Maßnahmen-Gesetz in den Bundesrat einzubringen. Zudem solle eine Kommission die Aufarbeitung der Krisenbewältigung in der Corona-Pandemie begleiten. „Wenn Verordnungen aus formellen Gründen vom Verwaltungsgerichtshof gekippt werden, dann gefährdet das nicht nur die Gesundheit, sondern es wäre auch ein Scheitern der demokratischen Institutionen“, mahnte Toni Schuberl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Eine interdisziplinäre zusammengesetzte Kommission könne zudem den nötigen Input liefern, um auf künftige Problemlagen vorzubereiten.

CSU verweist auf Gesetzgebungskompetenz

Tobias Reiß (CSU) warf Schuberl vor, Misstrauen zu sähen. Reiß argumentierte: „In den Gesetzentwürfen fordern sie die Zustimmung zu jeder Rechtsverordnung. Diese Forderungen liegen vollkommen außerhalb der Gesetzgebungskompetenz des Landtages. Es handelt sich hier bei der Eindämmung von übertragbaren Krankheiten um konkurrierende Gesetzgebung, bei der der Bund mit dem Infektionsschutzgesetz von dieser Regelungskompetenz Gebrauch gemacht hat.“ Er warf der Opposition vor, Infektionsschutz mit der Handbremse zu wollen. „Das funktioniert nicht“, sagte Reiß. Alexander Hold (Freie Wähler) wies auf die Erfolge hin, die Bayern durch das schnelle Handeln der Regierung erzielte. „Das Eindämmen der Infektionszahlen ist ein Beleg dafür, dass der Rechtsstaat funktioniert.“

Regierung bekräftigt Transparenz

Dr. Florian Herrmann, Leiter der Staatskanzlei, warf der Opposition vor, vom Grundprinzip der Gewaltenteilung keine Ahnung zu haben und sich mit einem „absurden Kompetenztheater“ profilieren zu wollen. „Wer sich so aufführt wie die SPD ist kein verlässlicher Partner. Das ist zum Schämen“, sagte er. Die Transparenz der Entscheidungen der Staatsregierung sei zu jedem Zeitpunkt umfassend gewährleistet gewesen. Sowohl durch Diskussionen in den Ausschüssenals auch durch die Beantwortung schriftlicher Anfragen sowie mit Interviews in den Medien. Zudem hätten die jüngsten Urteile der Gerichte bestätigt, dass durch den Erlass der Verordnungen kein Rechtsbruch vorliege. Da sich Bayern noch mitten in der Krisensituation befinde, seien die Gesetzentwürfe und Anträge zum jetzigen Zeitpunkt zudem vollkommen kontraproduktiv. „Und warum soll ich jetzt ein Instrument der Exekutive schleichend zum Instrument der Legislative machen?“, fragte Herrmann. Die Gesetzentwürfe sowie Anträge der Grünen wurden von CSU und Freien Wählern abgelehnt.

AS

 

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