Landwirtschaftsausschuss: Anhörung zur Fortentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020
Mittwoch, 5. Juli 2017
— Von Jan Dermietzel —
Alle sieben Jahre werden die Förderleitlinien für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in Europa neu beschlossen. Jetzt ist es wieder soweit. Derzeit erarbeiten die Behörden in Brüssel und den Mitgliedstaaten Vorschläge für die Periode ab 2020. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat aus diesem Anlass Experten angehört: Was soll künftig anders laufen in Europas Agrarpolitik?
Die GAP gehört zu den ältesten und finanziell bedeutendsten Politikfeldern der Europäischen Union. Sie war bereits Teil der Römischen Verträge von 1957. Ursprünglich sorgte die GAP für Preisgarantien: Konnten Landwirte ihre Erzeugnisse zu einem bestimmten Preis nicht absetzen, kaufte die Europäische Gemeinschaft sie auf.
Dieses Verfahren wurde in den 1990er Jahren Schritt für Schritt durch Direktbeihilfen an landwirtschaftliche Betriebe ersetzt. Die GAP besteht heute aus zwei sogenannten Säulen. Die erste Säule umfasst die Direktzahlungen an Landwirte sowie die gemeinsamen Marktordnungen für einzelne Agrarerzeugnisse. Die zweite Säule gibt es seit 1999, sie zielt auf die Entwicklung und Erhaltung des ländlichen Raums.
Josef Wetzstein von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern forderte vor den Abgeordneten eine „grundlegende Neuausrichtung“ der Agrarpolitik. Das Gesamtbudget solle dabei nicht schrumpfen, aber Umwelt- und Klimaschutz sowie die Erzeugung hochwertiger Produkte stärker belohnen. Auch Josef Schmid, Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft, forderte, künftig ökologische Aspekte stärker zu berücksichtigen. Lebensmittel und Ackerboden seien „Lebensgrundlagen der Gesellschaft“. Direktzahlungen an Landwirte rein nach der Größe der Ackerfläche zu vergeben, sei wenig nachhaltig. Im aktuellen System der zwei Säulen sei die zweite Säule dazu da, die Fehler der ersten zu korrigieren. „Aber das kann auf Dauer nicht funktionieren. Wenn wir den Strukturwandel einfach so hinnehmen, gibt es in 20 Jahren keine bäuerliche Landwirtschaft mehr.“
Dr. Martin Scheele von der Generaldirektion für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung bei der Europäischen Kommission, berichtete den Abgeordneten, in Brüssel erarbeite man derzeit neue Vorschläge. Das übergeordnete Ziel sei, die Agrarpolitik moderner, einfacher, nachhaltiger und ergebnisorientierter als bisher zu gestalten. Das voraussichtliche Ausscheiden Großbritanniens aus der EU verlangsame diesen Prozess, da die konkreten Auswirkungen auf den EU-Haushalt noch nicht klar sind. Bislang gebe die EU drei Viertel ihres Agrarbudgets für die erste Säule aus und ein Viertel für die zweite, also die Entwicklung des ländlichen Raums. Scheele deutete an, dass sich dieses Verhältnis künftig zugunsten der zweiten Säule verschieben könnte. Problematisch sei auch, dass 80 Prozent der Gelder an 20 Prozent der Landwirte flössen, also vor allem große Agrarbetriebe profitierten.
Marion Ruppaner vom Bund Naturschutz kritisierte, das derzeitige System setze die falschen ökologischen Anreize. Sie verwies auf das Bienensterben und viele weitere gefährdete Tiere – „trotz einer Milliarde Euro Subventionen!“
Lutz Ribbe, Naturschutzpolitischer Direktor von „EuroNatur – Stiftung Europäisches Naturerbe“ zitierte aus den Zielen der EU-Agrarpolitik. Sie solle die Produktivität erhöhen und Preise senken, dies sei gelungen. Verfehlt habe die Gemeinschaft aber das Ziel, dass die Landwirte von ihren Erzeugnissen leben könnten. „Wir brauchen eine Obergrenze für Direktzahlungen pro Landwirt, damit mehr Landwirte etwas davon haben.“ Ribbe forderte auch, über den Bau von Windrädern auf Ackerboden nachzudenken. Der ländliche Raum könne so auch in den Genuss von mehr Tankstellen für Elektrofahrzeuge kommen.
Aus Österreich berichtete Josef Plank, Generalsekretär der dortigen Landwirtschaftskammer, von der Sorge um die Konzentration von Betrieben. Die Lebensmittelbranche in Österreich sei zu 87 Prozent in der Hand von drei Unternehmen. Plank sprach sich dafür aus, dass Europa sich unabhängiger vom Lebensmittelimport mache. Ein Weg dahin sei, bäuerlichen Betrieben wirtschaftliche Risiken zu nehmen.
Als „wichtige Klammer der EU“ bezeichnete Jakob Opperer, Präsident der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, die Gemeinsame Agrarpolitik. Es gebe sicher Fehlentwicklungen, aber die könne man nicht allein der GAP anlasten. Lösungsansätze sah Opperer darin, die Maßnahmen der ersten und zweiten Säule „verstärkt beratend zu begleiten“, praxisorientierte Forschung stärker für die Landwirtschaft zu nutzen und Robotik im Umweltschutz einzusetzen.
Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter beklagte das Höfesterben ganz generell und forderte, „das Sicherheitsnetz für Agrarbetriebe auszubauen. Wir hängen an den Direktzahlungen wie Drogenabhängige an der Nadel.“ Es sei kein gutes Zeichen, wenn Menschen, die Lebensmittel produzieren, nur auf Mindestlohnniveau bezahlt würden. Ihre Arbeit sei nicht weniger wertvoll als die eines gut bezahlten Technikers in der Automobilindustrie.
Matthias Borst vom Bayerischen Bauernverband verteidigte die erste Säule, sie habe „hohe Stabilisierungswirkung“ auf die Agrarbetriebe in Europa. Im übrigen habe es seit 2005 keinen Preisangleich gegeben. Alois Bauer vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft verteidigte die erste Säule ebenfalls, sie sorge für dringend nötige Liquidität in den Betrieben. „Dies halte ich für weiter erforderlich.“ In den übrigen europäischen Agrarministerium reichten die Forderungen von einer bloßen Weiterentwicklung der GAP bis hin zu einem völligen Umbau.
Im Gespräch mit den Experten schärften die bayerischen Landtagsabgeordneten ihre Positionen. Martin Schöffel (CSU) verwies darauf, dass die Zahlungen der ersten Säule schon bislang an hohe Auflagen geknüpft seien. Die Frage sei, wie sich der Fokus auf bäuerliche Kleinbetriebe am besten umsetzen lasse. Dr. Leopold Herz (FREIE WÄHLER) wandte sich gegen die Billigpreiskultur vor allem bei der Milch. Wenn vier große Discounter den Markt beherrschten, werde es schwierig, eine vielfältige Produktlandschaft mit vielen kleinen Betrieben aufrechtzuerhalten. Florian von Brunn (SPD) sprach Umweltfragen an angesichts der immer effizienteren Landwirtschaft.
Gisela Sengl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) unterstützte die Forderungen, die zweite Säule zu Lasten der ersten zu stärken und damit Umweltschutz, Tierschutz und den Erhalt bäuerlicher Strukturen zu fördern. Außerdem sei eine Obergrenze bei den Direktzahlungen „dringend nötig“, damit mehr Geld für kleine Betriebe übrig bleibe. Die große Frage sei allerdings, an welcher Stelle man die Zahlungen kappen sollte. Eine konkrete Zahl wollte aber kein Experte nennen.