Innenausschuss fordert konsequentes Vorgehen gegen „Reichsbürger“

Mittwoch, 15. Februar 2017
– Von Ina Friedl –

Seit den tödlichen Schüssen eines Reichsbürgers auf einen SEK-Beamten im Oktober 2016 in Georgensgmünd werden immer mehr Mitglieder dieser Bewegung bekannt. Sie erkennen den Freistaat Bayern und seine Rechtsordnung nicht an. Sie leben wahlweise in einem Bayern vor dessen Beitritt zum gesamtdeutschen Staat im Jahr 1870 oder zu Zeiten des Großdeutschen Reichs von 1937. Mit Sorge beobachten die Behörden, dass immer mehr „Reichsbürgeroder sogenannte Selbstverwalter zusätzlich zu ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung eine Affinität zu Waffen oder scharfen Hunden haben und durch eine große Gewaltbereitschaft auffallen. Innenminister Joachim Herrmann informiert im Innenausschuss des Landtags über das Phänomen „Reichsbürger– eine Bewegung, die nach Meinung einiger lange Zeit unterschätzt wurde, nun aber mit aller Macht bekämpft wird.  

Minister Herrmanns Zahlen versetzen den Innenausschuss in Staunen: 1700 Personen in Bayern werden im Moment eindeutig der „Reichsbürger“-Bewegung zugeordnet. Weitere 1600 Fälle werden überprüft. Das ist mehr, als die meisten glaubten: „Ich bin echt erstaunt, dass es so viele sind. Offenbar ist die Bewegung vor dem Attentat in Georgensgmünd unterschätzt worden“, sagt Dr. Christoph Rabenstein (SPD). Auch die stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses, Eva Gottstein (FREIE WÄHLER), meint, man hätte am Anfang zu langsam reagiert. Jetzt sehe sie aber, dass viel getan werde. Als einen der vorrangigsten Schritte nennt Herrmann die Entwaffnung – 130 „Reichsbürger“ seien im Besitz von Waffen und Munition. Den ersten 33 wurden diese bereits abgenommen. Auch hier gibt es viele weitere Prüffälle.

Eine Menge zusätzlicher Arbeit für Polizei und Behörden. Am Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz ist eine eigene Arbeitsgruppe  „Reichsbürger“ geschaffen worden. Hier wird die Szene analysiert, alle Personen im System werden erfasst und beobachtet. Das Landesamt kann daher auch genauer spezifizieren, was für Menschen diese 1700 bayerischen Reichsbürger sind: „Ein Reichsbürger ist zumeist ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat“, sagt Dr. Burkhard Körner, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz. 70 Prozent der Reichsbürger sind zwischen 40 und 69 Jahren alt. Die meisten von ihnen sind männlich, nämlich 75 Prozent. Aus den identifizierten 1700 Reichsbürgern in Bayern können 40 Personen eindeutig der rechtsextremen Szene zugeordnet werden. Im Gegensatz zu dieser sei die „Reichsbürger“-Bewegung aber kaum durch Vereinsstrukturen vernetzt. Es handelt sich um eine sehr heterogene Gruppe, die kaum im Kontakt zueinander steht und sich höchstens über das Internet miteinander austauscht. Ausnahmen bilden sogenannte „Heimat- und Landgemeinden“, die sich in Bayern im Chiemgau und in Ostbayern häufen.

Die Heterogenität und die fehlende Vereinsstruktur machen den Behörden aber die Personenerfassung und das Vorgehen gegen Einzelne gerade schwierig. Dr. Hans Reichhart (CSU) meint, bei einzelnen Personen könne man bestimmt mit den richtigen Argumenten und viel Hinreden eine Gesinneswandlung herbeiführen. Eva Gottstein sieht auch Lücken im Bildungssytem und fordert hier mehr Engagement. Beiden Abgeordneten ist jedoch wichtig zu betonen, dass das Phänomen „Reichsbürger“ als solches keinesfalls verharmlost werden dürfe. Einen Grundsatz, den auch Innenminister Herrmann fährt: Null Toleranz sei geboten. Er sagt: „Wir haben es mit Extremisten zu tun. Wenn jemand eine solch staatsfeindliche Ideologie besitzt, dann ist das nicht mehr lustig oder nostalgisch, sondern fanatisch.“ 

Der Minister versichert, dass die Reichsbürger spätestens jetzt mit allen rechtstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Trotzdem bleiben den Ausschussmitgliedern Sorgen: Inzwischen ist eine Unterwanderung durch einige Reichsbürger in andere Organisationen und Parteien zu beobachten. Zwei Reichsbürger seien beispielsweise auf Funktionärsebene in der bayerischen AfD zu finden, berichtet Dr. Körner. Und auch im Öffentlichen Dienst fanden sich zuletzt einige Reichsbürger: vier bei der „Sonstigen Verwaltung“, sogar 15 bei der bayerischen Polizei. Die Dienstherren reagieren jetzt mit Disziplinarverfahren gegen diese Beschäftigte. „Das erschreckt mich sehr“, sagt Harry Scheuenstuhl (SPD). „Warum dauert es denn so lange, sie vom Dienst zu suspendieren?“ Auch Katharina Schulze (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zeigt sich beunruhigt: „Gibt es denn keine Aufklärung in der polizeilichen Ausbildung über die Gefahren der Bewegung?“ Wilhelm Schmidbauer, Landespolizeipräsident, verweist auf das Beamtenrecht, das vor der Dienstentlassung ein ordnungsgemäß durchgeführtes Disziplinarverfahren vorsieht. „Das Ziel ist es aber natürlich, diese Personen zu entlassen.“

Minister Herrmann, der Landespolizeipräsident und der Präsident des Verfassungsschutzamtes werden nicht zum letzten Mal zum Thema Reichsbürger im Innenausschuss gewesen sein. Sobald es neue Entwicklungen gibt, verspricht der Minister einen neuen Bericht.
 

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