Antisemitismusbeauftragter informiert über Gemeinsame Empfehlung zum Umgang mit Antisemitismus in der Schule

 

15. Juli 2021

MÜNCHEN.    Wie umgehen mit Antisemitismus in der Schule? Die Gemeinsame Empfehlung des Zentralrats der Juden in Deutschland, der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten und der Kultusministerkonferenz will Orientierung geben und Maßnahmen zur Prävention und Intervention aufzeigen. Das Papier richtet sich an pädagogisches Personal und staatliche Institutionen. Über Ziele und Inhalt der Gemeinsamen Empfehlung hat Dr. Ludwig Spaenle die Abgeordneten im Ausschuss für Bildung und Kultus informiert. Spaenle ist selbst Mitglied im Ausschuss, sprach hier aber in seiner Funktion als Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.

Hintergrund sei eine Situation, die sich nicht entspannt habe, sagte Spaenle im Maximilianeum und verwies auf antisemitische Straftaten in der Statistik. Ziel des Papiers sei es, konkrete Anregungen für die Unterrichtsgestaltung zu geben.

Die Gemeinsame Empfehlung beschreibt verschiedene Formen des Antisemitismus: Religiöser Antisemitismus etwa schreibt den Juden die Schuld für die Tötung Jesu zu. Sozialer Antisemitismus konstruiert Juden als grundsätzlich im Vorteil oder "auserwählt". Politischer Antisemitismus unterstellt, Juden seien Teil einer verschwörerischen Gruppe. Sekundärer oder Post-Holocaust-Antisemitismus äußert sich unter anderem im Vorwurf der Instrumentalisierung der Schoah und gipfelt in Holocaust-Relativierung oder Leugnung. Israelbezogener Antisemitismus legt besondere moralische Maßstäbe an das politische Handeln des Staates Israel an. Und antisemitische Einstellungen, die insbesondere im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt stehen, seien in bestimmten muslimisch geprägten Sozialkontexten feststellbar, heißt es in dem Dokument.

Antisemitismus: "Wegschauen ist der Anfang des falschen Weges"

"Antisemitismus ist wendig", erklärte Spaenle, bevor er den Abgeordneten im Ausschuss einen kurzen Überblick über die Erscheinungsformen gab. Besonders der israelbezogene Antisemitismus bereite ihm Sorgen. Denn in diesem Fall gebe es keine Rote Linie, keine klare Grenze. Ein Hinweis seien die "drei Ds": Doppelte Standards, also Standards, die an Israel, nicht aber an andere Demokratien angelegt würden, die Delegitimierung Israels und seine Dämonisierung. Inhaltlich gehe es in der Gemeinsamen Empfehlung um "erkennen, benennen und reagieren", sagte Spaenle und machte deutlich: "wegschauen ist der Anfang des falschen Weges." Wichtig findet es der ehemalige bayerische Kultusminister, die Lehrplanentwicklung zum Thema voranzutreiben und die Inhalte in Schulbüchern anzuschauen. Die Gemeinsame Empfehlung fordert, Verantwortliche auch dafür zu sensibilisieren, dass Antisemitismus in Bildungsmedien nicht unterschwellig transportiert und verstärkt wird.

Abgeordnete sehen einheitlich Handlungsbedarf

Antisemitismus sei ein gesellschaftlich permanent virulentes Thema, so der Abgeordnete Professor Gerhard Waschler (CSU) in der Aussprache. Er erkundigte sich noch, wie Spaenle die Entwicklungen zum Thema Schüleraustausch beurteilt.

Die Ausrichtung auf neue Formen des Antisemitismus sei wichtig, so der stellvertretende Ausschussvorsitzende Tobias Gotthardt (FREIE WÄHLER), genau wie der Hinweis, sich die Schulbücher anzuschauen.

Israel sei ein vielschichtiges Land, das aus der Ferne kaum zu begreifen sei, so der Ausschussvorsitzende Markus Bayerbach (AfD). Auch er betonte die Bedeutung von Schüleraustausch, von "Anschauen und Erleben".

Je mehr man über die Vorfälle wisse, desto besser könne man dagegen vorgehen, sagte Max Deisenhofer (Bündnis 90/Die Grünen), dessen Fraktion ein Meldesystem für antisemitische Vorfälle an bayerischen Schulen gefordert hatte.  

Erschreckend sei, dass jede sechste antisemitische Straftat von Jugendlichen unter 18 verübt würde, die jüngsten Täter seien 12, so Simone Strohmayr (SPD). Das zeige den Handlungsbedarf.

Die Entwicklung der letzten Jahre sei besorgniserregend, insbesondere seit dem jüngsten Gaza-Konflikt, sagte Matthias Fischbach (FDP). Er regte gemeinsame Phasen als Dialogunterricht im Fach Religion an.

/Anna Schmid.

Randspalte

Seitenanfang