Bauausschuss hört Fachleute zur Zukunft des Radverkehrs

Anhörung zum Thema "Radverkehrsförderung durch den Freistaat Bayern"

2. Februar 2021

MÜNCHEN.    Die acht Expertinnen und Experten analysierten nicht nur, welche Defizite es in der Radinfrastruktur in Bayern gibt. Sie diskutierten auch mit den Abgeordneten, wie der Radverkehr gefördert werden kann. Die Vorschläge erstreckten sich von Rad-Beratern für Kommunen über verstärktes Monitoring bis zu besserer Infrastruktur wie lückenlosen Radverkehrsnetzen oder überdachten Radwegen.

Sichtbehinderungen durch geparkte Autos und zu schmale Radwege machen das Radfahren in der Stadt gefährlich, auf dem Land sind es fehlende Radwege. So lautet die Analyse des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs ADFC. Dessen Bundesvorsitzender, Ulrich Syberg, forderte: „Es darf nicht sein, dass Radfahren nur für Mutige möglich ist, sondern es muss für alle da sein.“ Die Verkehrspolitik müsse von ihrer Fixierung auf das Auto wegkommen und nun das Rad mehr in den Mittelpunkt stellen. Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Deutschen Versicherer ergänzte: „Mein Appell ist, dass wir nicht nur auf die Steigerung des Radverkehrs schauen, sondern das muss in Zusammenhang gebracht werden mit dem Thema Sicherheit.“ So seien beispielsweise dooring-Unfälle, bei denen Türen von parkenden Autos unvorsichtig geöffnet werden, so dass Radler stürzen, mittlerweile die Nummer zweit bei Radunfällen. Die Struktur müsse also angepasst und Parkplätze aus Sicherheitsgründen wegfallen.

Fehlende Flächen

Dass es viele Probleme und Hindernisse mit Blick auf den bayerischen Radverkehr gibt, zeigte die Anhörung der Expertinnen und Experten im Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr. So sei bei der Verknüpfung von Rad und Bahn noch Luft nach oben, betonte Bernadette Felsch, bayerische Landesvorsitzende des ADFC auf eine Nachfrage des Abgeordneten Markus Büchler von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Felsch sprach nicht nur von praktischen Hindernissen beim Ticketkauf und der Unterbringung von Fahrrädern mit breiteren Lenkern in manchen Zügen der Bahn. Die ADFC-Landesvorsitzende kritisierte, trotz des Radwegeverkehrsprogramms Bayern 2025, wonach der Anteil des Radverkehrs von 11 auf 20 Prozent fast verdoppelt werden soll, fehle es an konkreten Vorschlägen.

Wie der ideale Radweg aussehen müsste, interessierte den Ausschuss-Vorsitzenden Sebastian Körber (FDP). Cornelia Hesse vom Bayerischen Gemeindetag sprach sich für verschieden Lösungen in der Stadt und auf dem Land aus. In der Stadt sei es angebracht einen Fahrstreifen zugunsten des Rads aufzugeben, auf dem Land müsse die Frequenz des Verkehrs berücksichtigt werden. Problematisch sei zudem, dass die Kommunen häufig nicht an die benötigten Flächen herankämen, weil die Straßen in manchen Dörfern schon sehr schmal seien oder die Eigentümer die Flächen nicht verkaufen wollten. Hesse beklagte, generell müssten die Gemeinden häufig die Aufgaben des Freistaates übernehmen, dem es nicht gelinge, neben den Staatstraßen Radwege zu bauen.
Auf die Frage des der AfD-Abgeordnete Franz Bergmüller nach Lösungsvorschlägen für einen Engpass in der Rosenheimer Straße in München, schlug Hesse vor, die Radler gegebenenfalls über eine Parallele umzuleiten.

Das Rad nicht neu erfinden

In vielen Kommunen, so die Klage einiger Sachverständiger, fehlen Fahrradplaner die sich mit Einzelheiten von Förderungen auskennen und beraten können, ob bestimmte Anträge überhaupt  Aussicht auf Erfolg haben. Wie die Kommunen dabei unterstützt werden können, waren nicht nur  Inge Aures von der SPD, sondern auch Martin Wagle von der CSU ein Anliegen. Das Rad müsse nicht neu erfunden werden, versicherte die bayerische Landesvorsitzende des ADFC Felsch. Eine zentrale Beratungsstelle im Verkehrs-Ministerium oder auch externe Beratungs-Dienstleister könnten den Gemeinden weiterhelfen. Nötig sei eine übergeordnete Ebene, die bei der bislang mangelnden Zusammenarbeit zwischen den Kommunen koordinieren könne, so dass zum Beispiel ein Radweg an der Gemeindegrenze nicht einfach endet. „Die Infrastruktur in vielen kleineren Kommunen ist noch hinterher, aber da gibt es großes Potenzial.“

Ein Thema, das Sarah Guttenberger, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern ebenfalls intensiv beschäftigt. Ihr Tipp: Konkrete Ansprechpartner nennen. Vorbild könne das Koordinationsbüro Radschnellwege in Kopenhagen sein.

Öffentlichkeitsarbeit für „Radkultur“

Mehr Miteinander im Straßenverkehr mahnte Hans Friedl (FREIEN WÄHLER) an, der eine Steigerung der Aggressivität zwischen Autofahrern und Radfahren feststellte. Verbesserungspotenzial für den Radverkehr sieht der ADFC-Bundesvorsitzende in vielen Bereichen. Syberg verwies auf Vorbilder in Vancouver oder Barcelona, wo es gelungen sei den KFZ-Verkehr auf das Nötigste zu verringern und dafür öffentlichen Raum für die Menschen zu schaffen, zum Radfahren, Flanieren oder Verweilen in Grünflächen. „Historische Stadtkerne in Bayern würden sich dafür ebenfalls eigenen.“

An Ideen für ganz konkrete Verbesserungen fehlte es nicht: überdachte Radwege, Haltegriffe an Ampeln, breitere und gesicherte Radwege, ein lückenloses Radverkehrsnetz, Abbiegeassistenten an LKW, Leasing und Vermietungsangebote sowie die Vermittlung einer „Radkultur“ könnten für große Teile der Bevölkerung das Radeln attraktiver machen, so die Überzeugung vieler Experten. Abweichend dazu vertrat der als Sachverständige geladene Journalist und Autor Georg Etscheit die Auffassung, die Radverkehrsinfrastruktur sei vollkommen ausreichend. Etscheit äußerte die Hoffnung, dass wegen der aktuellen Belastungen durch die Pandemie sowieso kein Geld für unnötige Investitionen vorhanden sei.

Dass es noch viele Möglichkeiten für den Freistaat gibt, den Radverkehr zu fördern ohne dass es zwingend teuer wird, machten einige der Fachleute deutlich. Für alles, was bei der Radverkehrsförderung an Mitteln nötig ist, um fahrradfreundliche Städte und Kommunen zu schaffen, setzt der Verkehrsplaner Dankmar Alrutz pro Einwohner rund 10 bis 20 Euro an, aktuell seien es lediglich 1 bis 5 Euro.

Im Sommer vergangenen Jahres hatte Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU) im Radwegebauprogramm 2020 bis 2024 zugesagt, den Ausbau mit 200 Millionen Euro  zu fördern.

/ Miriam Zerbel

 

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