Bildungsausschuss: Sachverständigenanhörung zu den Berufsschulen
Donnerstag, 2. Februar 2017
– Von Jürgen Umlauft –
Durch die Globalisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt sowie durch die Beschulung von Flüchtlingen in Integrationsklassen stehen die beruflichen Schulen Bayerns vor gewaltigen Herausforderungen. Das ergab eine Sachverständigenanhörung im Bildungsausschuss. „Die Berufsschulen sind insgesamt gut aufgestellt, aber sie müssen die immer größer werdende Heterogenität der Schülerschaft und neue Entwicklungen wie die 'Industrie 4.0' bewältigen“, erklärte Oberstudiendirektor Dietmar Bauer von den Beruflichen Schulen in Landsberg am Lech. Neben passend ausgebildeten Lehrkräften bräuchten die Schulen eine den aktuellen Standards entsprechende technische Ausstattung. Um gerade diese Herausforderung meistern zu können, gehe der Trend zur Bildung von regionalen Kompetenzzentren, erläuterte Bauer. Diese aber machten eine wohnortnahe Beschulung, wie sie von Lehrlingen wie Ausbildungsbetrieben gewünscht werde, immer schwieriger.
Nach Einschätzung des Leiters der Berufsausbildung im Passauer Werk der ZF Friedrichshafen AG, Roland Biebl, schreitet die Internationalisierung vor allem in der Industrie immer weiter voran. Betriebe hätten zunehmend Auslandsstandorte, die in die Ausbildung des Nachwuchses integriert würden.“ Um das Thema Globalisierung wird kein Azubi herumkommen, der heute eine Ausbildung macht“, betonte Biebl. Entsprechend wichtig seien Fremdsprachenkompetenzen, vor allem in Englisch. Darauf müssten sich die Berufsschulen einstellen. Lehrkräfte müssten dort nicht nur Konversationsenglisch vermitteln können, sondern auch berufsspezifisches Vokabular. Laut Bauer gibt es an den Berufsschulen bereits Bestrebungen, Fachunterricht zumindest teilweise in Englisch zu halten.
Professor Eveline Wittmann vom Lehrstuhl für Berufspädagogik an der TU München berichtete, dass die Universitäten in der Lehrerausbildung zahlreiche Angebote für das differenzierende Lehren unterbreiteten. Diese würden damit grundsätzlich in den Stand versetzt, auf den stark divergierenden Bildungsstand der Berufsschüler einzugehen. Allerdings warnte Wittmann davor, die Berufsschullehrer mit zu vielen Kompetenzen zu überfrachten. „Der Lehrer muss nicht die eierlegende Wollmilchsau sein“, sagte sie. Aus ihrer Sicht wäre es wichtiger, dass Lehrkräfte sich auf ein Profil spezialisierten. In der Summe der Lehrkräfte einer Schule könnten damit alle geforderten Kompetenzen optimal abgedeckt werden. Nachholbedarf sah Wittmann bei der Lehrerausbildung im Bereich Digitalisierung. Hier müssten dringend neue Module entwickelt werden.
Als übergreifendes Problem sprachen die Sachverständigen die sich in immer kürzeren Zyklen ändernden Berufsbilder an. Hier müsse die Bildungspolitik Schritt halten. „Es reicht nicht, wenn sich da ein Arbeitskreis ein paar Mal trifft“, mahnte Biebl. Bauer fügte den Trend zur Akademisierung als weitere Herausforderung an. Analog zu den dualen Studiengängen an den Hochschulen bräuchten auch die Berufsschulen einen Platz in der akademischen Bildung. Bezüglich der hohen Zahl an jugendlichen Flüchtlingen an den Berufsschulen forderten Biebl und Bauer unisono konkrete Bleibeperspektiven. Ohne diese seien die jungen Flüchtlinge nur schwer für eine Ausbildung zu motivieren. Sie sprachen sich dafür aus, zumindest die im Bund geltende „3+2“-Regelung auch in Bayern uneingeschränkt anzuwenden. Demnach dürfen Flüchtlinge und Asylbewerber aus Staaten mit hoher Anerkennungs- und Duldungsquote eine dreijährige Ausbildung abschließen und danach noch zwei Jahre in ihrem erlernten Beruf arbeiten. Noch besser wäre eine „2+3+2“-Regelung, die den vorgeschalteten Besuch einer Integrationsklasse beinhalte, erklärten Biebl und Bauer.
Als Konsequenz aus der Anhörung verlangte der Ausschussvorsitzende Martin Güll (SPD) die stärkere Berücksichtigung und Unterstützung der beruflichen Bildung in der Schulpolitik. Zwar leisteten die Berufsschulen schon heute eine „tolle Arbeit“, doch fehle es an der Anerkennung des beruflichen Bildungsweges in der Öffentlichkeit. Walter Taubeneder (CSU) sah den Freistaat in der Pflicht, den Kommunen als Sachaufwandsträgern der Berufsschulen bei der Modernisierung der technischen Ausrüstung unter die Arme zu greifen. Ansonsten könne das hohe Ausbildungsniveau nicht gehalten werden. Sein Fraktionskollege Tobias Reiß sprach sich für die stärkere Vernetzung der verschiedenen Ausbildungsgänge an den Berufsschulen aus, um die vorhandenen Ressourcen besser nutzen zu können. Außerdem sei ein engerer Verbund von Berufsschulen mit den Hochschulen nötig.