Entwicklungspolitisches Engagement der Staatsregierung und des Landtags

Berichte im Europaausschuss

Dienstag, 27. Oktober 2020

MÜNCHEN.     Handwerkerschulen in Tunesien, Sprachkurse im Irak, aber auch Demokratievermittlung sowie wissenschaftliche und wirtschaftliche Kooperation: Die Staatsregierung und der Bayerische Landtag engagieren sich seit der Flüchtlingskrise verstärkt in der Entwicklungszusammenarbeit, wie zwei Berichte im Europaausschuss zeigen. Allerdings hat die Corona-Krise auch bei den Projekten vor Ort Spuren hinterlassen. Die Opposition sieht Nachbesserungsbedarf.

Die Staatsregierung konzentriert sich bei der Entwicklungszusammenarbeit verstärkt auf Afrika. Der Fokus liegt auf Tunesien, Äthiopien, Senegal und den südafrikanischen Regionen Westkap sowie Gauteng. Insgesamt stehen dafür im Doppelhaushalt 2019/2020 jährlich 12,3 Millionen Euro zur Verfügung. Auch beim Inhalt der Entwicklungszusammenarbeit gibt es Schwerpunkte. „Besonders berufliche Bildung ist ein deutscher Exportschlager“, erklärte Melanie Habelitz-Wollgam aus der Staatskanzlei bei ihrem Bericht über die entwicklungspolitischen Aktivitäten im Europaausschuss. Als Beispiel nannte sie eine Handwerkerschule in Tunesien.

Aber auch bayerische Hochschulen haben einen guten Ruf, weshalb es laut Habelitz-Wollgam zahlreiche Kooperationen mit afrikanischen Universitäten gibt. Ebenfalls gefragt sind landwirtschaftliche Projekte. So bringe der Bundesverband der Maschinenringe den Menschen im Senegal gerade die Idee der Maschinenringe näher, eine Art Landwirtschaftsgenossenschaft. Gestärkt werden soll auch die öffentliche Verwaltung. „Nur wenn ein Staat funktionsfähig ist, kann die wirtschaftliche Entwicklung ihren Lauf nehmen“, unterstrich Habelitz-Wollgam.

Dieses Jahr hat die Corona-Pandemie auch die Entwicklungszusammenarbeit erschwert – viele Planungen mussten laut Habelitz-Wollgam abgeändert werden. Die Staatsregierung habe etwa die Projektlaufzeiten verlängert oder dabei geholfen, Bildungsmaßnahmen auf Online-Formate umzustellen. Außerdem wurden verstärkt Projekte im Bereich Gesundheit gefördert – beispielsweise für mobile Röntgengeräte in Äthiopien. Um alle Projekte auf ihre Effizienz zu überprüfen, wurde eine vierstufige Erfolgskontrolle eingeführt. Je nach Höhe der zugewiesenen Fördermittel sind Sachberichte, Wirkungsmonitorings oder externe Evaluierungen nötig.

Seit der Flüchtlingskrise 2015/2016 engagiert sich auch der Bayerische Landtag in der Entwicklungszusammenarbeit. Ziel sei es, Bildungsangebote vor Ort zu schaffen und Perspektiven aufzuzeigen, erklärte die Leitende Ministerialrätin Sibylle Lux in ihrem Bericht den Ausschussmitgliedern. „Unsere berufliche und handwerkliche Förderung ist immer an die Vermittlung demokratischer Werte und Rechtsstaatsförderung gekoppelt.“ Als Beispiel nannte Lux zwei Projekte im Nordirak.

Hierbei haben aus Syrien geflüchtete Jugendliche und junge Menschen in Kooperation mit Jesuit Worldwide Learning die Möglichkeit, zuerst Englisch zu lernen, dann per Online-Studiengang ein Diplom an einer amerikanischen Universität zu erwerben, das zum Weiterstudium mit Bachelor-Abschluss befähigt. Seit 2016 förderte der Bayerische Landtag im Nordirak 210 Stipendien für Sprachschüler und 40 Stipendien für Studierende. Letztes Jahr wurde beschlossen, das Projekt auf zwei weitere Flüchtlingscamps auszudehnen, damit auch Jesidinnen und Jesiden davon profitieren.

Um Haushaltsmittel zu bündeln und Synergien zu nutzen, flankiert der Bayerische Landtag zudem die Afrikastrategie der Staatsregierung mit drei Projekten in Afrika: In Tunesien wird ein Projekt der dortigen Außenhandelskammer unterstützt, um Mädchen und junge Frauen in ländlichen Regionen zu fördern. „Sie sind die tragende Rolle im Demokratisierungsprozess“, erläuterte Lux. In Tansania gebe es in Kooperation mit dem Aktionskreis Ostafrika aus Traunstein ein duales Bildungsangebot, das zum einen die handwerkliche Berufsausbildung, zum anderen aber auch soziale und politische Kompetenzen fördere. Das jüngste Projekt lief im südafrikanischen Westkap an. Wegen der steigenden Gewalt gegen Frauen in Townships werden dort gemeinsam mit der HOPE-Kapstadt-Stiftung Präventionstrainings durchgeführt, deren Inhalte die Frauen als Multiplikatoren weitertragen sollen. Das Projekt soll damit junge Frauen auch ermutigen, sich im neu entstehenden Gemeindezentrum gesellschaftlich einzubringen und sich als wichtiger Teil des demokratischen Südafrikas zu verstehen. Wegen Corona wurden auch viele Projekte des Landtags auf Online-Angebote umgestellt.

In der anschließenden Aussprache sah Klaus Steiner (CSU) Bayern zwar auf einem guten Weg, den es allerdings weiter auszubauen gelte. Die Staatsregierung müsse insbesondere dabei helfen, in den afrikanischen Ländern für Sicherheit und verlässliche Regierungsstrukturen zu sorgen. „Sonst siedeln sich keine Unternehmen an und ohne diese Investitionen gibt es keine Chancen für Schulabgänger“, unterstrich er. Dem Landtag empfahl er, bei den entwicklungspolitischen Aktivitäten mit den Parlamenten vor Ort zusammenarbeiten. Diese seien oft beständiger als die Regierungen.

Hep Monatzeder (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) lobte die Staatsregierung, wie flexibel sie bei der Entwicklungszusammenarbeit auf die Corona-Krise reagiert habe. Auch der Bericht sei dieses Jahr endlich detaillierter und transparenter. „Allerdings bleibt er in vielen wichtigen Fragen vage“, kritisierte er. Beispielsweise stehe darin nichts über die entwicklungspolitischen Aktivitäten in Asien und Osteuropa. Auch seien die Kriterien für die Erfolgskontrolle aus fachlicher Sicht „dürftig“.

Markus Rinderspacher (SPD) dankte der Staatsregierung für die Investitionen in die Entwicklungspolitik. Es sei zwar nur eine „symbolische Summe“, aber sie sei immer noch höher als in anderen Bundesländern. Er kritisierte jedoch die Schwerpunktsetzung der Staatsregierung. „Ich erkenne immer noch einen Flickenteppich.“ Rinderspacher forderte, die Koordination bei den entwicklungspolitischen Aktivitäten zwischen Staatsregierung und den Ministerien zu verbessern und wegen der Corona-Krise in Afrika den Kampf gegen den Hunger stärker in den Mittelpunkt zu rücken.

/ David Lohmann

 

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