Haushaltsausschuss diskutiert Grundsteuer

Abgeordnete sprechen mit Sachverständigen über bayerischen Sonderweg

01. Oktober 2021

MÜNCHEN.      Im Unterschied zum Gesetzespaket des Bundes zur Grundsteuerreform plant Bayern, einen anderen Weg zu gehen. Demnach soll die Grundsteuer nicht wie vom Bund gedacht nach dem Wert des Grundstücks, sondern nach der Größe der Fläche berechnet werden. Ob und wie ein solches Gesetz zielführend für eine unbürokratische Fortentwicklung der Grundsteuer wäre, besprachen Juristen, Vertreter von Städten und Gemeinden sowie Steuer- und Immobilien-Sachverständige mit den Mitgliedern des Ausschusses.

Dabei bewiesen die Ausschuss-Mitglieder für Staatshaushalt und Finanzfragen ebenso wie die Expertinnen und Experten Durchhaltevermögen. Einen ganzen Tag nahmen sie sich Zeit, für die Diskussionen über die Frage, wie das Gesetz konkret ausgestaltet werden sollte, um Grundstücksspekulationen zu vermeiden, den Gemeinden ihre Einnahmen zu sichern und für die Bürgerinnen und Bürger transparent und nachvollziehbar zu bleiben.
Eine Neuregelung der Grundsteuer war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2018 die geltende Grundsteuerregelung für verfassungswidrig erklärt hatte, weil die Grundstückswerte veraltet seien und gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt würden.

Der Leiter der Steuerabteilung im Finanzministerium stellte zu Beginn noch einmal klar, warum Bayern einen anderen Weg gehen möchte als der Bund, dessen wertabhängiges Modell „einen gewaltigen bürokratischen Aufwand“ verursache. Das so genannte Flächenmodell Bayerns sei weniger kompliziert und weniger streitanfällig als ein wertabhängiges Modell. Für den Vertreter des Finanzministeriums ein fundierter Entwurf, der eine tragfähige Grundlage bilde. Im Verlauf der Diskussion im Ausschuss gab es allerdings durchaus auch Kritik und Änderungsvorschläge mit Blick auf den Gesetzentwurf.

Bayerns eigener Weg zur Grundsteuer

Weil der Bund den Ländern eine Abweichungsmöglichkeit für die Grundsteuer eingeräumt hat, macht der Freistaat von dieser Öffnungsklausel nun Gebrauch. Der Ausschuss-Vorsitzende Josef Zellmeier, CSU, verdeutlichte, dass von 2025 an der Wert eines Grundstücks bei der Berechnung der Grundsteuer keine Rolle mehr spielen soll. Vielmehr errechnet sie sich demnach nach der Größe von Grundstück und Gebäude, im Detail bedeutet das: vier Cent pro Quadratmeter Grundstücksfläche sowie 50 Cent pro Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Dieser Messbetrag wird dann mit dem Hebesatz, den jede Gemeinde individuell bestimmt, multipliziert.

Die Vertreter der Städte und Gemeinden verwiesen auf die hohe Bedeutung der Grundsteuer für die Kommunalfinanzierung. Bernd Buckenhofer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags sprach von einer der wichtigsten Einnahmequellen. Im Jahr 2019 lag das Aufkommen bei 1,83 Milliarden Euro. „Die Grundsteuer ist konjunkturunabhängig, berechenbar für jeden und unverzichtbar“, so Buckenhofer. Allerdings fehle im Entwurf die Grundsteuer C als Instrument der Baulandmobilisierung. Mit der Grundsteuer C, könnte baureifes Land stärker besteuert werden, wenn es nicht zeitnah bebaut wird.
Unterstützung bekam er von Hans-Peter Mayer, Direktor des Bayerischen Gemeindetags und Harald Riedel, Stadtkämmerer der Stadt Nürnberg. Alle drei bekräftigten, damit werde die Chance vergeben, flächendeckend neuen Wohnraum zu schaffen und an Ortsrändern einen Beitrag zum Flächensparen zu leisten.

Kommunen: Bei Zonierung Streit vorprogrammiert

Buckenhofer, Mayer und Riedel sprachen sich ferner gegen eine Zonierung aus, also die Möglichkeit für die Kommunen, unterschiedliche Hebesatzgebiete zu bestimmen. Sie befürchten, dass der Grundsteuermessbetrag zu niedrig sei und die Kommunen deshalb gezwungen wären, höhere Hebesätze zu generieren. So verwies Riedel am Beispiel der Stadt Nürnberg darauf, dass dort der Hebesatz um 50 Prozent angehoben werden müsste, um dasselbe Aufkommen wie zuvor zu erreichen.  Da sei Streit vorprogrammiert. Ebenso, wenn innerhalb einer Kommune verschiedene Grundsteuer-Hebesätze festgelegt würden. „Das ist politisch nicht machbar“, sagte Riedel.

Vehement gegen die Einführung einer Grundsteuer C sprachen sich die Immobilien-Sachverständigen aus. Dr. Ulrike Kirchhoff, Vorständin Haus & Grund Bayern zeigte sich ebenso wie der Vorstand Zentraler Immobilien Ausschuss (ZIA), Sven Behrends, überzeugt, dass Bauspekulanten dadurch nicht abgeschreckt würden, im Gegenteil. Kirchhoff erklärte: „Die Grundsteuer C trifft private Eigentümer, nicht Spekulanten, denn die geben die Kosten weiter beim Verkauf, das wird einfach draufgeschlagen.“ Auch der Vizepräsident des Bund der Steuerzahler in Bayern, Klaus Grieshaber, und Günter Helmhagen, Vizepräsident und Schatzmeister der Steuerberaterkammer München loben das Flächenmodell, halten aber beide die Grundsteuer C vor allem in Ballungsgebieten für nicht umsetzbar.

Potsdamer Jurist: Gleichheitsgrundsatz gefährdet

Eine Umkehrung der Besteuerung forderte Professor Clemens Richarz. Der erste Vizepräsident der Bayerischen Architektenkammer appellierte an die Abgeordneten dafür zu sorgen, dass bebaute Grundstücke niedrig, unbebaute dagegen hoch besteuert werden. Boden sei eine beschränkte Ressource und das müsse der Gesetzgeber deutlich machen. Mit dem Entwurf aber, werde die Bebauung nicht gefördert. „Das gibt dem Bürger das Zeichen, dass die Politik nichts dagegen hat, dass Grundstücke nicht bebaut werden.“
Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht lobte Dr. Florian Neumeier den Entwurf für das bayerische Flächenmodell. Der Leiter der Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik am Ifo-Institut sprach von einem verlässlichen Instrument, das einfach zu handhaben sei und keine großen Belastungsverschiebungen mit sich bringe. Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft würdigte den beherrschbaren Bürokratieaufwand und verwies auf den Vorteil, dass nicht - wie beim Bundesmodell - wiederholt neue Bewertungen der Grundstücke nötig werden.

Unterschiedlich beurteilten die Juristen den Entwurf. Während Professor Klaus-Dieter Drüen, von der Ludwig-Maximilians-Universität München ebenso wie seine Kollegin, Professorin Johanna Hey, Direktorin des Instituts für Steuerrecht an der Universität zu Köln, keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken beim Flächenmodell haben, sieht der Potsdamer Jurist Professor Thorsten Ingo Schmidt den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nicht ausreichend berücksichtigt.

Äquivalenzzahlen als Grundprinzip?

„Entscheidend ist, dass das Gesetz verfassungsmäßig ist“, erklärte CSU-Politiker Michael Hofmann in der Aussprache und knüpfte daran die Frage, ob eine Übermaßbesteuerung drohen könne. Professor Drüen verwies darauf, dass es in Deutschland ein Viel-Steuerrecht gebe, aber: „Die Grundsteuer bringt bei der Belastung das Fass nicht zum Überlaufen.“ Aus der AfD-Fraktion wollte Ferdinand Mang wissen, wie eine Härtefallregelung verfassungsrechtlich gestaltet sein müsse. Nach Ansicht von Professor Drüen ist dazu keine strukturelle Korrektur des Gesetzes erforderlich. Drüen sieht die Abgabenordnung als ausreichend an.
Tim Pargent, finanzpolitischer Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, stellte das Äquivalenzprinzip in Frage und wollte wissen, warum unbebaute Grundstücke überhaupt besteuert werden. Die Eigentümer zögen keinen Nutzen aus der gebotenen kommunalen Infrastruktur. Für Juristin Hey kein Argument, denn Steuern seien nie geeignet, individuelle Kosten und Nutzen abzubilden.

Nach Empfehlungen zur praktischen Umsetzung und Präzisierungen im Gesetz fragte Dr. Helmut Kaltenhauser (FDP), was die Vertreter der Kommunen zu ihrer Kritik an der Zonierung führte. So bekräftigte der Nürnberger Stadtkämmerer Riedel: „Es ist unmöglich in der kommunalpolitischen Welt erklärbar zu machen: `Ihr habt einen Vorteil beim Hebesatz, weil wir euch einen Vorteil bei der Infrastruktur nicht bieten können´.“

Für die FREIEN WÄHLER fragte Gerald Pittner nach Vorgaben bei der Relation von Boden- oder Gebäudewert. Dem Potsdamer Juristen Schmidt ist dazu nichts bekannt. Er verwies auf das Modell in Baden-Württemberg, wo nur der Grund, nicht aber die Gebäude besteuert werden, was gerichtlich aber noch nicht abgeklärt sei. Harald Güller (SPD) lenkte den Blick auf die Erfahrungen mit der Grundsteuer C in den 1960er Jahren. Für Stadtkämmerer Riedel wurde die Steuer damals zu schnell abgeschafft, um daraus Schlüsse für heute zu ziehen. Der Bayerische Gemeindetag sieht zwar ein Risiko, aber auch Potenzial.

/ Miriam Zerbel

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