Innenausschuss lehnt Kennzeichnungspflicht für Polizisten ab

Mittwoch, 06.12.2017
– Von Jürgen Umlauft –

Mit den Stimmen von CSU und FREIEN WÄHLERN hat sich der Innenausschuss gegen eine Kennzeichnungspflicht für bayerische Polizeibeamte ausgesprochen. Diese hatten SPD, Bündnis 90/DIE GRÜNEN sowie die fraktionslose Abgeordnete Claudia Stamm in jeweils eigenen Anträgen gefordert. Sie bezogen sich dabei auf ein kürzlich ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der auf die Klage eines Münchners entschieden hatte, dass mit Helmen oder Schutzkleidung ausgerüstete Polizisten eine „wahrnehmbar unterscheidbare Kennzeichnung“ an ihrer Uniform tragen sollten, um sie bei im Dienst begangenen Vergehen zweifelsfrei identifizieren zu können.

Derzeit können Streifenbeamte in Bayern frei entscheiden, ob sie ein Namensschild tragen wollen oder nicht. Größere Einsatzverbände, die Demonstrationen oder Großveranstaltungen absichern, sind mit der Kennung ihres Einsatzzuges markiert. In diesen Einheiten soll nach den Plänen der Antragsteller künftig jeder Beamte eine individuelle Nummer auf der Uniform tragen. Die innenpolitische Sprecherin von Bündnis90/DIE GRÜNEN, Katharina Schulze, erklärte, zu guter Polizeiarbeit gehöre die Erkennbarkeit der Beamten. Dies erleichtere die Ermittlungen im Fall von Anzeigen gegen Polizisten und schütze nicht betroffene Beamte vor falschen Anschuldigungen.

Die fraktionslose Stamm führte aus, dass die Kennzeichnung in anderen Bundesländern sowie zahlreichen europäischen Staaten gängige Praxis sei. Nachteile oder Repressalien für die Beamten seien nicht bekannt geworden. In Behörden oder beim Militär seien Namensschilder die Regel. Trotz ihrer grundsätzlichen Zustimmung zur Kennzeichnungspflicht sah die SPD die Notwendigkeit zum Schutz der Beamten. Ihr Abgeordneter Peter Paul Gantzer schlug deshalb vor, den Einsatzkräften für jeden Einsatz eine andere Nummer zuzuteilen. Dieses Verfahren verhindere die Ausforschung persönlicher Daten durch Unbefugte und mache es unmöglich, dass Gewalttäter gezielt einen Beamten aus einer Einheit identifizieren und ihm nachstellen könnten.

Nach Einschätzung der CSU verlangt der EGMR in seinem Urteil die Kennzeichnungspflicht nicht ausdrücklich, wenn die Ermittlung des Verursachers von polizeilichem Fehlverhalten auch anders gewährleistet werden könne. In Bayern sei dies durch Dienstpläne und die regelmäßige Video-Aufzeichnung von Großeinsätzen fast immer möglich, erklärte Manfred Ländner (CSU). Außerdem bezweifelte er die Praxistauglichkeit einer Kennzeichnung in geschlossenen Polizeiverbänden mit ihrer speziellen Schutzbekleidung. Gerade bei gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen es oft „drunter und drüber geht“, stoße die individualisierte Kennzeichnung an ihre Grenzen.

Eva Gottstein (FREIE WÄHLER) sprach von einer „Überreaktion“ auf das EGMR-Urteil. Zum einen seien Polizeieinsätze heutzutage „lückenlos dokumentiert“, zum anderen habe sich die Aufklärungsarbeit bei Dienstvergehen durch die Einführung einer zentralen Ermittlungsstelle bei der Polizei wesentlich verbessert. Den Vorschlag der SPD mit wechselnden Nummer wies Gottstein als zu bürokratisch zurück. Nach Einschätzung der Antragssteller lässt sich aus dem EGMR-Urteil sehr wohl die Notwendigkeit einer Kennzeichnungspflicht ableiten. Stamm bezeichnete die Ablehnung der Anträge durch CSU und FREIE WÄHLER deshalb als „Missachtung eines höchstrichterlichen Urteils“.


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