Kinderkommission: Fachgespräch zum Thema Kinderschutz

13.02.2020

140 Mal hat das Jugendamt Eichstätt im vergangenen Jahr Mitteilungen über Kindeswohlgefährdung entgegengenommen, 14 Kinder aus dem Einzugsgebiet kamen in Obhut, 698 Mal wandten sich Eltern selbst an die Behörde: Diese Zahlen nannte Siegmund Hammel, Leiter des Jugendamtes Eichstätt und Sprecher der Oberbayerischen Jugendämter den Mitgliedern der Kinderkommission. Sie hatte neben Hammel fünf weitere Experten zum Thema „Kinderschutz“ empfangen, die ihre Arbeit vorstellten. 

So die Rechtsmedizinerin Professor Elisabeth Mützel: Sie leitet die Kinderschutzambulanz am Institut für Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Mitarbeiter dort untersuchen Kinder bei einem Verdacht auf körperliche oder sexuelle Gewalt kostenlos und sichern Spuren. Neben der Beratung vor Ort berät die Kinderschutzambulanz Gewaltopfer und deren Angehörige sowie behandelnde Ärzte telefonisch. Mit Remed-online bietet sie eine geschützte digitale Beratungsplattform für Mediziner.
Beim Kinderschutz müsse ein Focus auf dem Thema Häusliche Gewalt liegen, sagte Professor Volker Mall, Ärztlicher Direktor am kbo-Kinderzentrum München und Lehrstuhlinhaber für Sozialpädiatrie an der Technischen Universität München (TUM): Kinder, die sie miterleben, leiden genauso wie die Kinder, die direkt betroffen sind.

Gewalt passiere, wenn es zu Überlastung und Überforderung kommt, sagte Kirstin Dawin, Psychologin am Kinderschutzzentrum München und Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche. Alle Eltern starteten mit dem Wunsch, gute Eltern zu sein. So müsse sich Kinderschutz immer zwischen Hilfe und Kontrolle abspielen.

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO hätten 70 Prozent aller Erwachsenen mit psychischen Störungen bereits als Kinder psychische Auffälligkeiten oder Störungen gezeigt, sagte Dr. Christian A. Rexroth, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Leitenden Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie (LAG KJPP). Der Kinderpsychiater machte deutlich, wie weit verbreitet psychische Störungen und Auffälligkeiten sind: In Bayern seien 25,7 Prozent der Minderjährigen betroffen.  

Wichtig für den Kindeschutz sei ein Bauchladen unterschiedlicher Angebote, sagte Jens Tönjes, stellvertretender Vorsitzender des Kinderschutzbundes Bayern. Damit Jugendhilfe erfolgreich ist, müsse sie erfahrbar, erlebbar und in der Lebenswelt der Menschen sein. Dafür brauche es Brückenbauer in Städten und Gemeinden.

„Nach 25 Jahren Schuldienst fällt mir auf, wie groß das Thema Handynutzung ist“, sagte die KiKo-Vorsitzende Tanja Schorer-Dremel (CSU), von Beruf Grundschulrektorin. Rexroth hatte zuvor davon gesprochen, dass ADHS oft sehr schnell diagnostiziert wird. Es gebe eine Gruppe von Minderjährigen, die von Handy oder Computer abhängig sind, sagte er. Ansonsten sei Medienkompetenz das A und O.

Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER) wollte wissen, wie viele Eltern ihre Kinder nicht zu den in Bayern verpflichtenden Früherkennungsuntersuchungen bringen. Mehr als 90 Prozent der Eltern nehmen die sogenannten U-Untersuchungen im ersten Lebensjahr ihres Kindes wahr, antwortete ihr Volker Mall.

Johannes Becher (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), stellvertretender Vorsitzender der Kinderkommission, fragte unter anderem, warum die Zahlen der Kindeswohlgefährdung im vergangenen Jahr bayernweit gestiegen seien, Siegmund Hammel aber von einem „normalen Jahr“ gesprochen habe.

Doris Rauscher (SPD) wollte zum selben Thema wissen, ob es wirklich mehr Fälle gibt oder ob sie nur sichtbarer werden, weil die Sensibilität in der Bevölkerung steigt. Das jährliche Steigen der Zahlen habe er schon als Normalität akzeptiert, antwortete Hammel. Eine Rolle spiele ein gewandeltes Bewusstsein dafür, was mit Kindern nicht passieren darf.

Katrin Ebner-Steiner (AfD) erkundigte sich nach den Haupttätergruppen und wollte außerdem wissen, ob es eine Statistik zur Beschneidung von Mädchen gibt. Ein eigenes Team kümmere sich um das Thema Beschneidung von Mädchen, so Elisabeth Mützel. Haupttäter seien die Angehörigen der Kinder.

Julika Sandt (FDP) fragte, ob Kinder, deren Mütter vor häuslicher Gewalt in ein Frauenhaus fliehen, medizinisch betreut werden. Die Zusammenarbeit mit Frauenhäusern sei gut, automatisch würden diese Kinder jedoch nicht vorgestellt, antwortete ihr Volker Mall.

Anna Schmid

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