Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Bayern
Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus
12. März 2025
MÜNCHEN. Die bayerischen Tourismusregionen müssen sich noch intensiver und vor allem koordinierter auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Zu diesem Ergebnis kam eine Expertenrunde im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. Die Fachleute mahnten, dabei neben der Winter- auch die Sommersaison verstärkt in den Blick zu nehmen.
Der Klimawandel stellt den Tourismus in Bayern vor neue Herausforderungen. Während der Schneemangel in immer milderen Wintern schon heute vielerorts dem Skitourismus zusetzt, drohen im Sommer einerseits Starkregen und Hochwasser, andererseits lange Hitzeperioden und Trockenheit. Beides könne gravierende Auswirkungen auf das touristische Angebot haben, hieß es bei einer Expertenanhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Tourismus in Bayern. "Wir brauchen Ganzjahrestourismus mit wetterfester Infrastruktur", erklärte Sybille Wiedenmann, Geschäftsführerin der TOPHOTELS ProAllgäu GmbH&Co.KG. Zudem müsse das Angebot sommers wie winters insgesamt breiter aufgestellt werden, zum Beispiel durch ganzjährig geöffnete Kletterhallen oder überdachte Spielplätze.
Skitourismus ist das größte Sorgenkind
Größtes Sorgenkind ist dennoch aktuell der Skitourismus. Vor allem in den Mittelgebirgen werde sich das Skifahren auf wenige schneesichere Gebiete konzentrieren, sagte der Destinationsmanager für den Bayerischen Wald, Günter Reimann, voraus. Beschneiungsanlagen könnten punktuell für Entspannung sorgen, doch fehle bei allgemeinem Schneemangel das dazugehörige Wintergefühl. "Die Lust auf Wintersport sinkt, wenn sich nur noch weiße Bänder durch die Landschaft ziehen", sagte Reimann. Es brauche deshalb alternative Angebote wie Wellness, Wandern oder Radfahren mit entsprechender Infrastruktur. Alfred Bauer, Leiter des Bayerischen Zentrums für Tourismus, ergänzte, man müsse den "Winter stärker ohne Schnee denken".
Eine Lanze für die Beschneiung von Pisten auch in den Mittelgebirgen brach der Liftbetreiber Josef Altmann aus dem Bayerischen Wald. Der Klimawandel sei zwar nicht zu leugnen, er begünstige aber nach seiner Erfahrung mit trockener Luft im Winter die Produktion von Kunstschnee. Ökologische Bedenken wies Altmann zurück. Sein Betrieb nutze für die Beschneiung im Sommer gesammeltes Regenwasser sowie regenerative Energien. Durch den technischen Fortschritt bei den Anlagen könne er heute bei gleichem Energieeinsatz in drei Tagen die gleiche Menge Schnee produzieren wie früher in drei Wochen. Auf dieser Basis könne er nach wie vor gut vom Wintertourismus leben.
Beschneiung kein Allheilmittel
Andere Experten äußerten sich mit Blick auf die technische Produktion von Schnee zurückhaltender. Bauer plädierte für "punktuelle Beschneiungen", um Pisten besser präparieren zu können. Positiver Effekt sei dabei, dass Skifahrer nicht nach Österreich oder Italien mit längeren Anreisen ausweichen müssten. Dies verringere den CO2-Ausstoß der Ski-Urlauber. Jürgen Schmude, emeritierter Professor für Tourismuswirtschaft, erklärte, "die Tage, an denen der Rubel in den Skigebieten rollt, werden weniger". Problem sei zudem, dass sich die Skisaison in höheren Lagen witterungsbedingt immer mehr aus den früheren Wintermonaten Dezember und Januar in den März und April verschiebe. In dieser Zeit stünden aber bei Outdoor-Sportlern bereits andere Aktivitäten im Vordergrund. Als Konsequenz daraus rieten mehrere Experten dazu, Alternativkonzepte zum Skisport zu entwickeln. Als Beispiel wurde die flexible Umstellung von Ski- auf Fahrradverleih genannt.
Noch zu wenig Beachtung finden nach Einschätzung der Fachleute die Folgen des Klimawandels auf den Sommertourismus. Hier müsse man sich auf den Wechsel von Unwettern mit großen Regenmengen mit längeren heißen Trockenperioden einstellen. Schon jetzt komme es zum Beispiel wegen Hoch-, aber auch wegen Niedrigwasser in den Flüssen vermehrt zu Einschränkungen in der touristischen Schifffahrt, berichtete der Sprecher des Kuratoriums für den Bayerischen Tourismus, Klaus Stöttner. Auch Mücken- und Blaualgenplagen an Badegewässern könnten verstärkt auftreten und Urlauber abschrecken. Muren und Steinschläge als Folge von Starkregen seien eine wachsende Gefahr für Wanderer und die Wegeinfrastruktur, ergänzte Wiedenmann von den TOPHOTELS ProAllgäu.
Sommer- und Städtetourismus bleiben nicht verschont
Bauer wiederum verwies auf die Gefahren zu großer Hitze in den Städten, in denen der Tourismus gerade boome. Um all dem begegnen zu können, kämen auf Tourismusbetriebe und Kommunen hohe Investitionen zu, unter anderem bei der Sicherung von Wegenetzen oder für die Schaffung von Grün-, Kühl- und Schatten-Oasen in den Städten. Höhere Kosten ergäben sich laut Schmude auch größeren Aufwand beim Erhalt der Infrastruktur und für Schadensversicherungen. Zur Finanzierung der Maßnahmen wurde angeregt, auch Tagestouristen für die Nutzung der Infrastruktur heranzuziehen. Zudem wurde eine stärker auf Klimaanpassung abgestellte Förderung durch den Freistaat angemahnt. Dabei dürften Schwimmbäder und kleinere Beherbergungsbetriebe nicht vergessen werden.
Als weitere Folge des Klimawandels verwies die Tourismusberaterin Andrea Möller von der tdwif-Consulting GmbH auf Veränderungen im Landschaftsbild. Wegen der zunehmenden Hitze und Trockenheit werde zum Beispiel in Mainfranken der Weinanbau sukzessive von den Weinbergen in die Niederungen verlegt werden. Sie riet dazu, sich schon jetzt Konzepte zu überlegen, wie die Hänge trotzdem attraktiv gehalten werden könnten. Auch landschaftsprägende Streuobstwiesen könnten dem Klimawandel zum Opfer fallen. Möller mahnte die Schaffung einer zentralen Koordinierungsstelle für Klimaschutz und Klimaanpassung im Tourismus an. Als mögliche positive Folge der allgemeinen Erwärmung nannten mehrere Experten eine sowohl im Frühjahr als auch im Herbst verlängerte Sommersaison. Stöttner meinte, Bayern könne zur "nördlichsten Destination Italiens" werden. Weniger optimistisch äußerte sich Bauer. "Wärmeres, trockenes Sommerwetter wird uns nicht automatisch mehr Gäste bringen, dafür müssen wir schon auch etwas tun", sagte er.
Nachhaltigkeit muss für Urlauber sichtbar sein
Die Fachleute sahen die Tourismusbranche allerdings auch beim Klimaschutz in der Pflicht. Nachhaltiger Tourismus werde eine immer größere Bedeutung erlangen und auch von den Urlaubern nachgefragt werden, hieß es. So brauche es unter anderem moderne Mobilitätskonzepte, Regionalität bei der Verpflegung und eine Strom- und Wärmeversorgung aus überwiegend erneuerbaren Energien. Die Nachhaltigkeit müsse für die Urlauber "sichtbar" sein, dann seien sie auch bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen, erklärte Möller. Skeptischer sah dies der Ostbayern-Touristiker Reimann. Der Klimawandel werde den Urlaub in Bayern ohnehin teurer machen. Zum Problem werden könne dies gerade für die Mittelgebirge als traditionelle Destinationen für einen Zweit- oder Dritturlaub, der dann womöglich von den Reisenden verkürzt oder ganz gestrichen werde.
/ Jürgen Umlauft