"Digitalisierung dient dem Tierwohl"
25. Juni 2020
Zur Verbesserung des Tierwohls in bayerischen Ställen setzt das bayerische Landwirtschaftsministerium auf die Digitalisierung der Nutztierhaltung. Der Einsatz elektronischer Sensorik und Überwachungssysteme diene Mensch, Tier und Umwelt, hieß es im Agrarausschuss.
Moderne digitale Technik macht nach Auskunft des Leitenden Ministerialrats Anton Dippold eine individuellere Betreuung von Rindern, Schweinen und Geflügel möglich. Dies fördere das Tierwohl und entlaste die Landwirte bei ihrer täglichen Arbeit. Ziel der Staatsregierung sei es, die Chancen der Digitalisierung durch entsprechende Förderung auch für bäuerliche Familienbetriebe nutzbar zu machen. Dafür gewähre der Freistaat eine Förderung von bis zu 25 Prozent. "Wir wollen da keine Zwei-Klassen-Gesellschaft", betonte Dippold.
Der bei der Landesanstalt für Landwirtschaft für Fragen der Digitalisierung zuständige Jan Harms erklärte, die moderne Technik gebe den Tieren im Stall mehr Möglichkeiten, sich frei zu bewegen. Bei Kühen zum Beispiel lasse sich über transpondergesteuerte Fütterung und automatisiertes Melken eine Entkoppelung von den Arbeitszeiten des Menschen erreichen. Das komme den natürlichen Bedürfnissen der Tiere entgegen. Dank moderner Sensorik könne der Landwirt zudem jederzeit auf aktuelle Gesundheitsdaten der Tiere zugreifen und bei sich abzeichnenden Krankheiten schneller eingreifen. Einige Leiden ließen sich so bereits erkennen, bevor diese augenfällig würden.
Harms hob auch den Nutzen kombinierbarer Daten hervor. Werde zum Beispiel bei einem Tier durch die Sensorik eine Stoffwechselstörung festgestellt, könnten Futtermenge und -zusammensetzung automatisch angepasst werden. Auch ließen sich aus der Zusammenschau von Daten zur Futteraufnahme, zu Bewegungsabläufen und zum Gewicht Erkenntnisse zu Tierwohl und -gesundheit ableiten. Bei größeren Beständen empfahl Harms, ein Herdenmanagementprogramm zu nutzen. Dieses füge die Daten der einzelnen Tiere zu einem Überblick über den Zustand des gesamten Bestandes zusammen und ermögliche, frühzeitig auf Fehlentwicklungen oder Probleme zu reagieren. "Die Digitalisierung trägt eindeutig zur Verbesserung des Tierwohls bei", stellte Harms fest. Voraussetzung für die zielführende Anwendung digitaler Techniken sei die entsprechende Ausbildung der Landwirte, erläuterte Harms. Dieser müsse schließlich alle Messdaten am Computer auswerten und dann darauf aufbauende Handlungsentscheidungen treffen. "Die Sensoren helfen, aber man braucht dafür eine gute Ausbildung", sagte Harms.
Aus den Reihen der Abgeordneten gab es zum Teil skeptische Töne zur fortschreitenden Digitalisierung in der Landwirtschaft. Gisela Sengl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) warnte davor, die Beziehung vom Bauern zum Tier durch zu viel Technikeinsatz zu gefährden. Sengl sah zudem noch Defizite in der Ausbildung. Landwirte müssten in den Stand versetzt werden, die von digitalen Überwachungssystemen gelieferten Daten auch zu verstehen und entsprechend der Erfordernissen auszuwerten. Ralf Stadler (AfD) sah in der Digitalisierung den Einstieg in die Industrialisierung der Landwirtschaft. Inzwischen verbringe ein Bauer ein Drittel seiner Arbeitszeit im Büro, meinte er. Es drohe, über Generationen überlieferte Erfahrung in der Tierhaltung verloren zu gehen.
Nach Ansicht von Christoph Skutella (FDP) sollte moderne Technik den Landwirt bei seiner Arbeit begleiten und unterstützen. Er bemängelte, dass bayernweit erst rund 180 Anträge auf staatliche Förderung bei der Digitalisierung der Nutztierhaltung gestellt worden seien. Man müsse deshalb hinterfragen, ob die Förderbedingungen passend seien. Ähnlich äußerte sich Martina Fehlner (SPD). Sie vermutete als einen Grund für die Zurückhaltung der Landwirte, dass die Förderung auf die Anschaffung des digitalen Equipments beschränkt sei, die dafür erforderliche Hardware im Stall aber nicht umfasse.
Martin Schöffel (CSU) bezeichnete die Digitalisierung als Chance für die Landwirte, sich intensiver mit der Tierhaltung zu beschäftigen. Dies könne durch die Kombination der Arbeit im Stall und am Computer gelingen. Schöffel sah zudem die Möglichkeit, durch einen umfassenden Datenaustausch mit den Aufsichtsbehörden die Zahl der Betriebskontrollen zu reduzieren. Dies würde sowohl die Landwirte als auch die Prüfer entlasten. An diesem Punkt gab sich Dippold zurückhaltend. Den "gläsernen Landwirt" mit Aussicht auf verlängerte Prüfintervalle könne es nur auf freiwilliger Basis bei einem umfassenden und plausibel abgesicherten Datentransfer zu den Kontrollbehörden geben.
Jürgen Umlauft