Bessere Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderung
Donnerstag, 01. Juni 2017
– Von Ina Friedl –
Die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben fällt im Bayerischen Sozialministerium in den Zuständigkeitsbereich von Ministerialrat Dr. Oliver Bloeck. Heute ist er als Berichterstatter in den Sozialausschuss des Bayerischen Landtags geladen. Die Mitglieder des Ausschusses erwarten sich von ihm zwei Berichte: Einmal geht es um die Inklusion gehörloser Menschen in den ersten Arbeitsmarkt und wie diese weiter ausgebaut werden kann und dann um die Frage, inwiefern behinderte Menschen ihre Arbeit in einer Behindertenwerkstatt in Teilzeit ausüben können.
Seine Berichte im Sozialausschuss beginnt Dr. Oliver Bloeck mit einer guten Nachricht: In allen bayerischen Regierungsbezirken gibt es seit neuestem Beratungsstellen für gehörlose Menschen. Sie sind das Produkt von Bayerischem Staatsministerium und den Integrationsfachdiensten, welche als erweiterter Arm der staatlichen Integrationsämter das Scharnier zwischen Arbeitgeber und Betroffenem darstellen und über staatliche Mittel finanziert werden. Die Berater an den Beratungsstellen helfen gehörlosen Menschen bei der Vermittlung einer Arbeitsstelle und stehen ihnen beratend zur Seite, wenn es um die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes geht.
Der Vorsitzende des Sozialausschusses Joachim Unterländer (CSU) begrüßt, dass in den Prozess zum Aufbau der Beratungsstellen auch Betroffenenverbände, wie der Landesverband der Gehörlosen und der Gehörlosenverband München und Umland (GMU) sehr intensiv eingebunden worden seien. Vom GMU ist heute auch die Geschäftsführerin Cornelia von Pappenheim zu Gast im Ausschuss. Die Integrationsdienste leisteten gute Arbeit, die Beratungsstellen seinen sehr positiv, sagt sie. Allerdings fordert sie auch: „Die Arbeitgeber müssen besser aufgeklärt und informiert werden“. Viele Arbeitgeber seien ihrer Erfahrung nach bereit, einen gehörlosen Mitarbeiter einzustellen, gäben ihre Bemühungen aber häufig wegen zu viel Bürokratie und zu wenig Aufklärung auf. Ein weiteres Anliegen ist ihr die Schaffung klarer Rahmenbedingungen für die Gewährung einer Arbeitsassistenz – eine Hilfsperson etwa zum Dolmetschen oder Telefonieren. Die Arbeitsassistenz stellt für Ilona Deckwerth (SPD) das A und O für die Inklusion gehörloser Menschen in die Arbeitswelt dar. Das sieht Bloeck genauso, weist aber daraus hin, dass allgemein gültige Rahmenbedingungen für deren Gewährung nicht möglich sind: „Die Gewährung einer Arbeitsassistenz ist eine Ermessensentscheidung, der immer eine Einzelfallbetrachtung vorher geht“.
Um eine Einzelfallbetrachtung geht es auch im zweiten Bericht von Referatsleiter Bloeck: Im Einzelfall und ‚wenn es wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Erfüllung des Erziehungsauftrages notwendig erscheint‘, können Menschen mit Behinderung ihre Arbeit bei einer Behinderten-Werkstatt in Teilzeit ausüben. Grundsätzlich ist eine Ganztagsanstellung von 35 bis 40 Wochenstunden vorgesehen – das entspreche dem Eingliederungsauftrag, dem man gesetzlich verpflichtet sei, so Bloeck. Einzelfallregelungen zu einer Teilzeitbeschäftigung würden meist nach § 6 Werkstättenverordnung, in selteneren Fällen auch auf Grundlage des § 8 Teilzeitbefristungsgesetz getroffen. Bloeck sagt: „Es gibt durchaus Regelungen zur Reduzierung der Arbeitszeiten in den Behinderten-Werkstätten. Einen Rechtsanspruch gibt es allerdings nicht.“
Das sehen Kerstin Celina (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Ilona Deckwerth (SPD) anders: Celina sieht einen Rechtsanspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht und der Betrieb mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt. Das ist die Regelung des § 8 Teilzeitbefristungsgesetz, dass auch für Ilona Deckwerth Anwendung findet: „Das Teilzeitbefristungsgesetz ist die weitergehende Verordnung, der Rechtsanspruch ist somit gegeben.“ So eindeutig sei dies nicht, sagt Bloeck. Das Teilzeitbefristungsgesetz sei ein Gesetz für den allgemeinen Arbeitsmarkt und nicht unbedingt auf Behinderten-Werkstätten anzuwenden.
Judith Gerlach (CSU) sieht neben der rechtlichen Unsicherheit auch ein logistisches Problem bei der Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung im Bereich der Behinderten-Werkstätten: Meist organisiere ein Fahrdienst die Anfahrt und die Abholung der Mitarbeiter zwischen Arbeits- und Wohnstätte. Individuelle Arbeitszeiten stellten diesen vor eine große logistische und finanzielle Herausforderung. Zudem müssten auch die Betreuungszeiten in den Wohneinrichtungen ausgeweitet werden, was ebenfalls eine Kostenfrage darstelle.