Umweltausschuss: Expertenanhörung zum dritten Nationalpark in Bayern

Donnerstag, 16. März 2017
– Von Ina Friedl –

Bayern ist auf der Suche nach einem Stück Land. Es soll über 10.000 Hektar groß sein, von hohem naturschutzfachlichem Wert sein und sich im Staatsbesitz befinden. Ist dieses Stück Land gefunden, könnte daraus Bayerns dritter Nationalpark werden. Das Staatskabinett hat vergangenes Jahr bei seiner Klausurtagung die Ausweisung eines dritten Nationalparks beschlossen. Noch ist aber nicht sicher, ob der Nationalpark tatsächlich kommt, geschweige denn, in welche Region. Bei vielen Befürwortern des neuen Parks in Politik und Bevölkerung gibt es freilich auch Widerstand gegen die Idee. „Kein Nationalpark weltweit ist ohne eine vorangegangene kontroverse Diskussion ausgewiesen worden“, sagt Manfred Großmann. Großmann ist der Leiter der Nationalparkverwaltung Hainich, Thüringens einzigem Nationalpark und einer von 14 Experten, die der Umweltausschuss heute zu einer Expertenanhörung eingeladen hat.


Seit ein dritter Nationalpark für Bayern im Gespräch ist, läuft die Standortsuche auf Hochtouren. Die Frage nach dem Wo steht für Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) allerdings erst an zweiter Stelle. Vorher müsse sich die Staatsregierung klar zu einem weiteren Nationalpark bekennen, fordert die Abgeordnete. Denn obwohl Umweltministerin Ulrike Scharf bereits erste Gespräche in verschiedenen Regionen mit Standortpotential führt, fehle das abschließende Ja der Staatsregierung. „Eine klare Haltung der Regierung ist für den Dialog vor Ort sehr wichtig“, sagt auch Karl Friedrich Sinner, der stellvertretende Vorsitzende von EUROPARC Deutschland.

Trotzdem: Die Experten haben sich bereits auf fünf mögliche Gebiete festgelegt. Im Raum stehen: Die Rhön, der Spessart, der Steigerwald, die Auenlandschaften von Isar und Donau und das Ammergebirge. Im Laufe der Anhörung kristallisieren sich zwei Favoriten heraus: Der Spessart und der Steigerwald. Bei den Auengebieten entlang der Flüsse und der Rhön, einem „Fleckerlteppich“, wie Dr. Norbert Schäffer, Vorsitzender des Landesbundes für Vogelschutz sagt, finden sich schwer zusammenhängende Gebiete von 10.000 Hektar. Das Ammergebirge wäre zweifelsfrei auch ein schützenswertes Gebiet, findet der Ausschussvorsitzende Dr. Christian Magerl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Mit dem Nationalpark Berchtesgaden gibt es aber schon einen Nationalpark in den Alpen. Franken hingegen hat noch keinen Nationalpark. „Der dritte Nationalpark muss nach Franken“, sagt Univ.-Prof. Dr. Hubert Job. Neben den Umweltaspekten sei ein Nationalpark auch für die Strukturpolitik ein wertvoller Gewinn. Für Job spricht noch etwas für den Norden Bayerns: Hier befinden sich große Buchenwälder und für deren Erhalt habe Deutschland eine große Verantwortung. Viele Experten pflichten ihm bei. Doch auch die fränkischen Buchenwälder Spessart und der Steigerwald sind nicht jedermanns Wunschstandort für den dritten Nationalpark.

„Steigerwald in den Suchprozess miteinbeziehen

Der Steigerwald wird mitunter bereits aus der Standortsuche ausgrenzt – zu groß der befürchtete Widerstand aus der Bevölkerung. Das sei ein Skandal, sagt Florian von Brunn (SPD). Für ihn gehört der Steigerwald unbedingt in die engere Auswahl. Der 1. Bürgermeister des Marktes Ebrach – einer Steigerwaldgemeinde –, Max Dieter Schneider, wünscht sich den neuen Nationalpark sogar explizit vor seiner Haustüre und auch er fordert: „Der Steigerwald muss in den Suchprozess mit einbezogen werden“.

Der Spessart ist aus zweierlei Gründen ein schwieriger Kandidat: Zum einen gibt es hier einen seit Jahrhunderten durch die Forstwirtschaft künstlich hoch gehaltenen Anteil an Eichen im Buchenwald. Kommt der Nationalpark in den Spessart und mit ihm die Praxis des Die-Natur-sich-selbst-überlassens, würde der Eichenbestand stark zurückgehen. Damit wäre zwar einerseits wieder ein natürlicher Zustand hergestellt, die Eiche ist aber andererseits ein wertvoller Holzlieferant und ihr Aussterben wäre natürlich ein Verlust für die Artenvielfalt.

Der zweite Haken sind die komplizierten und sehr speziellen Forstrechte im Spessart. Josef Geislinger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, erklärt, was es damit auf sich hat: Die heutigen Rechte am Spessart-Wald gehen auf Rechte aus dem frühen Mittelalter zurück. Zum einen besitzen die Spessart-Gemeinden eine sogenannte dingliche Berechtigung am Waldbestand; zum anderen haben die Gemeindeeinwohner Nutzungsrechte an den dinglichen Rechten der Gemeinde. Heißt so viel wie: Den Einwohnern der Gemeinde ist es gestattet, im Wald nach Totholz zu suchen und es in ihrem Ofen zu verheizen. Diese Rechte müssten bei einer Nationalparkausweisung weichen, sagt Geislinger und dazu gäbe es kein rechtliches Instrument. Er sieht die einzige Möglichkeit in einer freiwilligen Lösung, wofür der Nationalpark allerdings eine sehr breite Akzeptanz in der Bevölkerung bräuchte.

„Nationalparks schaffen Arbeitsplätze"

Ob nun der Spessart oder ein anderer Standort: Die Akzeptanz für den neuen Nationalpark in der Bevölkerung ist sehr wichtig. Es kann nicht abgestritten werden, dass es auch Verlierer geben wird. Die holzverarbeitende Industrie ist ein solcher Verlierer. Wo der Wald der kommerziellen Nutzung entnommen wird, da wird nicht mehr gefällt, nicht mehr geschnitten, nicht mehr gehobelt und nicht mehr verkauft. 300 Millionen Euro Holzwert stehen beispielsweise auf der Fläche des geplanten Nationalparks Spessart, hat Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER) von der Staatsregierung erfahren. Er spricht sich gegen einen Nationalpark Spessart aus, ebenso wie Josef Ziegler, der Präsident des Bayerischen Waldbesitzerverbandes. Er bilanziert den Verlust für die Holzwirtschaft so: „Bei der Ausweisung eines Nationalparks können 50.000 bis 70.000 Festmeter Holz weniger genutzt werden. Das macht etwa 8 bis 10 Millionen Euro, die alleine in der ersten Bereitstellungsstufe abgehen.“ Er glaubt auch nicht, dass ein Anstieg des Tourismus die Verluste in der Holzindustrie kompensieren kann. Auch Bernhard Weiler vom Bayerischen Bauernverband ist skeptisch, ob der Nationalpark tatsächlich einen strukturpolitischen Vorteil bringt. Seiner Meinung nach verliere die Region viele Arbeitsplätz und mit ihnen viele Bewohner im arbeitsfähigem Alter. „Wenn der Nationalpark kommt, wandern viele gut ausgebildete, junge Menschen ab“, ist er sich sicher.

Diese Aussage erntet Kritik zum Beispiel bei Schäffer vom Landesbund für Vogelschutz. Er sagt: „Ein Nationalpark ist ein erheblicher ökonomischer Gewinn für die Region.“ Das kann Dr. Franz Leibl bestätigen. Er leitet den Nationalpark Bayerischer Wald und sagt: „Der Nationalpark generiert Tourismus und der schafft wiederum Arbeitsplätze.

Nichts soll gegen den Willen der Bevölkerung vor Ort geschehen

Der Bayerische Wald ist eine ländliche Gegend. Alleine in der Nationalparkverwaltung sind 200 neue Stellen für zum Teil hochqualifizierte Arbeitnehmer entstanden. Das füllt auch unsere Schulen und Kindergärten.“ Leibl erzählt, dass jährlich etwa 1,3 Millionen Besucher in seinen Nationalpark kämen. Das entspreche einem Arbeitsplatzäquivalent von 500 bis 600 Arbeitsplätzen. Eine Erfahrung, die er mit seinem Kollegen vom Nationalpark Berchtesgaden, Dr. Michael Vogel, teilt. Tourismus anstatt Holzindustrie – das hat noch weitere Vorteile, wie Prof. Job erklärt: Der Tourismus ist dienstleistungsintensiv. Arbeitsplätze im Tourismusbereich können nicht so leicht von Maschinen übernommen werden, wie das in der Holzwirtschaft der Fall ist.

Für den Tourismus sei ein Nationalpark ein Sechser im Lotto, sagt Susanne Wagner. Sie leitet den Bereich Tourismusförderung bei der ARBERLAND REGio GmbH in Regen am Bayerischen Wald. Sie berichtet von einem wahren Segen des Nationalparks für die Region: „Wir kommen mit der Ausweisung neuer Baugebiete gar nicht mehr nach, so viele Menschen treibt es in unsere Region“. Obwohl auch in ihrem Gebiet entsprechend dem allgemeinen Trend die Übernachtungsdauer der Touristen zurückgehe, steigen deren Ankünfte weiter an. Der Begriff Nationalpark alleine sei bereits eine Marke, die sich gut verkaufe. Wagner sagt: „Ich kann jetzt schon die Region beglückwünschen, die den dritten Nationalpark bekommt. So viel Geld, wie sie dadurch vom Staat bekommt, könnte sie selbst nie für Strukturmaßnahmen aufbringen.“ Die erfreulichen Tourismuszahlen in den Nationalparkregionen fördern laut Wagner auch die gesellschaftliche und politische Akzeptanz.
Eric Beißwenger (CSU) möchte, dass eine Entscheidung über einen neuen Nationalpark keinesfalls gegen den Willen der Bevölkerung vor Ort gefällt wird. Man wird also in der nächsten Zeit einen offenen Dialog mit allen Beteiligten führen müssen. Unbedingte Grundlage dafür sei eine Machbarkeitsstudie. Dies nennen die Experten wiederholt als zwingenden nächsten Schritt und damit schließt Dr. Magerl auch die Expertenanhörung im Umweltausschluss.

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