Herausforderung Wasserversorgung

Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz

23. März 2023

MÜNCHEN.   Droht Bayern der Grundwassernotstand? Wie kann der Freistaat die Wasserversorgung sichern? Angesichts der fortschreitenden Klimakrise mit zu warmen und zu trockenen Jahren sinken vielerorts die Grundwasserspiegel. Ein Thema, das nicht nur Bayern beschäftigt, sondern aktuell auch die Vereinten Nationen bei einer internationalen Wasserkonferenz behandeln.

Während die UN in New York über den Zugang zu sauberem Trinkwasser sprachen, ging es im Umweltausschuss im Landtag in München um Schwammlandschaften, Hochwasserschutz sowie Grauwasserrecycling und ob dafür zusätzliches Personal und weitere Mittel in der Wasserwirtschaft erforderlich sind. Beantragt von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war es Ziel der Anhörung, Klarheit zu schaffen, wie eine nachhaltige und klimaresistente Wasserwirtschaft geschaffen werden kann.

Einigkeit unter Fachleuten

Die Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis waren sich überwiegend einig, was zu tun ist. Demnach gilt es, das Wasser in der Fläche zu halten, von den Kommunen her zu denken und sie entsprechend mit Expertise und Beratung zu unterstützen sowie die Landwirtschaft als Teil der Lösung mit einzubinden. Dabei soll aber auch berücksichtigt werden, wie wichtig der Wasserhaushalt für die Ertragssicherung in der Landwirtschaft ist. Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz unterstrich, ein "Weiter so wie bisher" müsse vermieden werden. Begleitet von dem Motto des Weltwassertages “Wandel beschleunigen“ versprach die Ausschussvorsitzende. gute Beispiele zu sammeln und übers Land auszurollen.

Trockenheit lokal bedingt

Auf eine grundlegende Problematik wies Professor Karl Auerswald vom Lehrstuhl für Grünlandlehre an der Technischen Universität München hin. „Wir haben die Landschaft entwässert“, lautete die Bestandsaufnahme von Auerswald. Der Professor erklärte, wie es dazu kam: Durch veränderte Landnutzung wie den Bau von Gewerbegebieten, Verkehrswegen und Siedlungen oder die Kanalisierung von Flüssen und Bächen könne weniger Wasser in den Böden aufgenommen und gespeichert werden. Diese zunehmende Trockenheit führe wiederum zu einer erhöhten Temperatur, die weniger Niederschlag verursache. In den verschiedenen Regionen Bayerns habe man zwar unterschiedliche Niederschläge, es sei nun aber keine Lösung, das Wasser vom Süden in den Norden zu pumpen. Zudem beklagte der Professor verdichtete Unterböden durch schwere Maschinen und Traktoren. Als der sozialdemokratische Abgeordnete Klaus Adelt daraufhin wissen wollte, was man gegen die Verdichtung unternehmen könne, antwortete der Fachmann schlicht, man könne nur verhindern, dass es nicht noch schlimmer werde. Insgesamt ist nach Auerswalds Einschätzung der größte Anteil der Trockenheit lokal und regional bedingt, also hausgemacht und nicht auf den globalen CO2-getriebenen Klimawandel zurückzuführen.

Synergien durch engere Zusammenarbeit

Ebenso wie Auerswald forderte auch Professor Markus Disse, vom Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement, gleichfalls an der Technischen Universität München, eine systemische Herangehensweise. Es bedürfe eines gemeinschaftlichen, ressortübergreifenden Dialogs. Wasser-, Forst- und Landwirtschaftsämter müssten enger zusammenarbeiten und so Synergien produzieren. Zudem erklärte Disse, für einen resilienten Landschaftswasserhaushalt wirke sich ein Wasserrückhalt in der Fläche nicht nur wirksam auf den Hochwasserschutz aus, sondern sei auch positiv in Zeiten von Dürre. Als konkrete Realisierungsmöglichkeiten benannte der Experte Feuchtwiesen, Rückhaltebecken, Wiedervernässung von Mooren, Vermeidung von Bodenverdichtung, Hecken und Strauchschichten im Wald und auf dem Feld.

Paradigmenwechsel: Wasser in der Fläche halten

Von einem Paradigmenwechsel sprach Dr. Bernhard Böhm, Vorsitzender des Landesverbands Bayern in der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, DWA. Standen in den vergangenen Jahrzehnten ökonomische Ziele und Komfort im Mittelpunkt, indem man mit Drainagen und Kanalisierung gearbeitet habe, sei das nun anders: „Wir müssen das Wasser so stark wie möglich in der Fläche halten.“ Eine Forderung, der sich auch die stellvertretende Landesbeauftragte des Bund Naturschutz, Dr. Christine Margraf, anschloss. Auf die Frage der Ausschussvorsitzenden Steinberger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), wie das zu erreichen sei, konkretisierte Margraf mit dem Hinweis auf ein Bündel von Optionen - wie beispielsweise weniger Versiegelung und Verdichtung, mehr Versickerungsmöglichkeiten, Säume, Raine und Hecken.

Eine langfristige und verlässliche Personalaufstockung ist nach Margrafs Einschätzung unabdingbar und mit Blick auf die Daueraufgabe und den notwendigen Aufbau von Vertrauen und Netzwerken dringend nötig. Auf den Einwand des Abgeordneten Benno Zierer (FREIE WÄHLER), noch mehr Personal und Bürokratie seien nicht sinnvoll, man müsse „entschlacken“, entgegnete die Sachverständige: „Mehr Personal heißt nicht gleich mehr Bürokratie.“ Um die Menschen mitzunehmen, zu erklären, für mehr Bürgernähe, brauche man Personal, um zu verhindern, dass wegen zu vieler Einsprüche Maßnahmen vor Ort nicht realisiert werden könnten.

Wasserressourcen sichern: quantitativ und qualitativ

Unterstützung in diesem Punkt kam auch von Ann-Kathrin Behnisch, vom Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft VBEW. Behnisch beklagte, dass beispielsweise Verfahren zur Ausweisung von Wasserschutzgebieten aktuell acht Jahre dauerten. Das sei so nicht tragbar. Sie forderte ebenfalls, die Wasserressourcen quantitativ und qualitativ zu sichern. Die Wasserschutzgebiete in Bayern seien im Gegensatz zu anderen Bundesländern relativ klein, nämlich nur fünf Prozent der Landesfläche. Mit Blick auf die jüngsten Änderungsanträge zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms zum Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung äußerte sie massive Bedenken. „Den dauerhaften Erhalt von Wasserschutzgebieten zu streichen, ist für uns das völlig falsche Signal. Eine Aufweichung des Trinkwasserschutzes können wir uns schlicht nicht leisten.“

Wasserangebot in Bayern keine Konstante

„Die Wasserversorgung der Bevölkerung in Bayern ist sicher. Aber ist sie auch nachhaltig? Ist sie langfristig für zukünftige Generationen gesichert?“, fragte Professor Jörg Drewes, vom Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft der Technischen Universität München. Angesichts flächendeckender, fallender Grundwasserstände in Bayern konstatierte der Professor wachsende Unsicherheit, denn das Wasserangebot im Freistaat sei keine Konstante mehr. „Wir brauchen einen langen Atem für diese Anpassung“, sagte Drewes, die Wasserwirtschaft sei ein komplexes und träges System. „Daher ist es umso dringlicher, jetzt die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen“, so Drewes.

Erfahrungen aus der Praxis

Während der Sachverständigenanhörung kamen auch Praktiker zu Wort. Der Leiter der Stadtentwässerung Deggendorf, Uwe Handrick, berichtete von seinen Erfahrungen mit dem in Deggendorf „Wolkenbruchprogramm“ genannten Modell. Gestartet ist die niederbayerische Stadt demnach mit kleineren Maßnahmen wie  Rückhaltebecken im Wald, um sich dann über eine Fließwegstudie einen groben Überblick zu verschaffen. Besonders wichtig sind laut Handrick auch Fachkenntnisse vor Ort. Er verlangte, den Kommunen Spielräume zu ermöglichen, gab aber letztendlich zu bedenken: „Ich kann machen, was ich will, es wird am Tag X nicht halten.“

Dass die Landwirtschaft nicht nur abhängig ist von einer zuverlässigen Wasserversorgung, sondern auch Teil der Lösung, machte Peter Höfler deutlich. Der Obmann des Kreisverbandes Nürnberg-Stadt und Vorsitzende des Arbeitskreises Sonderkulturen im Bayerischer Bauernverband ist selbst Gemüsebauer bei Nürnberg. Er erklärte, wie wichtig für eine sichere Produktion die Bewässerung ist.

Soll der Staat Rahmenbedingungen vorgeben?

Diskutiert wurde auch, inwiefern der Staat die administrativen Rahmenbedingungen vorgeben und als zentraler Ansprechpartner zur Verfügung stehen sollte, um die Koordination effizienter zu gestalten. Als Martin Wagle von der CSU wissen wollte, wie man es bewerkstelligen könne, die Leute vor Ort mitzunehmen, empfahl Professor Disse, als Bottom-up-Ansatz von den Kommunen her zu denken. Es brauche interkommunale Kooperationen und er wies auf eine entsprechende Zusammenarbeit mit Dachau hin. Die Expertin vom Bund Naturschutz plädierte dafür, nicht pauschal identische Maßnahmen über Bayern zu stülpen, aber viele Kommunen hätten weder ausreichend Personal noch Know-How. Ein Kapazitätsaufbau bei einer übergeordneten Behörde zur Beratung sei deshalb zielführend, ebenso wie nach Synergien zu suchen. Der AfD-Abgeordnete Ralf Stadler fragte, ob der Mensch das Problem sei, indem er zu sehr eingreife und inwiefern das durch Zuwanderung verschlimmert werde, was Professor Böhm verneinte.

Best Practice Beispiele zu Schwammlandschaft

Christoph Skutella von den Liberalen erkundigte sich nach einem Best Practice Beispiel einer Kommune, die das Konzept der Schwammlandschaft schon verwirklicht hat und nach Grauwasserrecycling. Hinweise kamen hier von den Kollegen Klaus Adelt (SPD) mit dem Pilotprojekt Schwammflur im oberfränkischen Selbitz und von Volker Bauer (CSU) mit dem Verschließen von Abflussgräben durch die Staatsforsten im Landkreis Roth.
Professor Böhm merkte an, dass die blaugrüne Infrastruktur mit anderen Nutzungen konkurriere. Ein Bolzplatz, der mehrere Wochen im Jahr unter Wasser stehe, sei schwierig zu vermitteln. „Wir müssen dem Thema in Bauleitplanungen einen höheren Stellenwert einräumen“, sagte Böhm.
Professor Drewes verwies auf die hohe Wasserqualität im Land, mit Trinkwasser für alle Nutzungen. Das Grauwasser-Recycling sei allerdings eine Herausforderung, weil ein zweites Leitungssystem im Bestand nötig werde, um das Brauchwasser in die Haushalte zu transportieren.

/ Miriam Zerbel

 

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