Umweltausschuss: Experten ziehen Bilanz beim Hochwasserschutz
Donnerstag, 10. Juli 2014
– Von Anna Schmid –
Ein Jahr nach der Jahrhundertflut in Bayern hat der Umweltausschuss acht Experten zu einer Anhörung über den Hochwasserschutz in den Landtag geladen. Sie diskutierten unter anderem die Frage, wie technischer und natürlicher Hochwasserschutz in Zukunft zusammenspielen können.
Das „Aktionsprogramm 2020plus“ der Staatsregierung zum Hochwasserschutz in Bayern aus dem Jahr 2013 setzt auf den natürlichen Rückhalt des Wassers in Flächen, Auen und Gewässern sowie auf technischen Hochwasserschutz durch Dämme, Rückhaltebecken oder Flutpolder. Das Programm ist eine Erweiterung des „Aktionsprogramm 2020“ aus dem Jahr 2001.
Ohne die bayerischen Maßnahmen wäre die Hochwasserkatastrophe von 2013 sehr viel schlimmer ausgefallen, sagte Professor Martin Grambow, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft am Bayerischen Umweltministerium. Natürliche Rückhaltemaßnahmen seien vor allem bei kleineren Hochwasserereignissen wirksam. Technische Maßnahmen seien zum Schutz von Siedlungsbereichen unverzichtbar. Ein Restrisiko bleibe jedoch immer, da immer größere Hochwasser drohten.
Ein Hochwasser vorherzusagen, sei sehr schwer, erklärte Professor Harald Kunstmann vom Lehrstuhl für Regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg. Dafür müsste man den Zeitpunkt und den Ort des Niederschlags vorhersagen. „Wir müssen genau wissen, wo und wann das Wasser runter kommt. Das ist nicht wie im Wetterbericht der Tagesschau, wo nur gesagt wird, ob es regnen wird oder nicht“, so Kunstmann.
„Wir sind mit immer größeren Extremen konfrontiert. Es wird immer mehr Hochwasser geben“, sagte Professor Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern. Schuld sei der Klimawandel. Bisher sei zu wenig in natürlichen Rückhalt investiert worden. Er forderte einen ganzheitlichen Hochwasserschutz, der die Ursachen statt der Symptome bekämpft. So müsse man Deiche zurückverlegen, Gewässer renaturieren oder die Versiegelung der Böden reduzieren. Auch die Bewirtschaftungsart der Wälder trage zum Hochwasserschutz bei. Werde dort auf Kahlschlag verzichtet, könne mehr Wasser in den Baumkronen verdunsten.
Wo immer es geht, müsse man das Wasser auf natürlichem Weg zurückhalten, sagte Professor Hans Bernhart vom Karlsruher Institut für Technologie der Universität Karlsruhe. Dafür gelte es, bestehende Flächen freizuhalten und neue zu schaffen. Flutpolder allein seien nicht ausreichend, da sie nur bei großen Ereignissen geflutet werden.
Ökologie sei wichtig, doch solle man Ökologie und Hochwasserschutz nicht vermischen, sagte Professor Peter Rutschmann vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der TU München „Wir können unseren Siedlungsraum nicht schützen, indem wir nur auf die Natur zurückgreifen.“
Technischer und natürlicher Hochwasserschutz müssten kombiniert werden, sagte Professor Markus Disse vom Lehrstuhl für Hydrologie und Flussgebietsmanagement an der TU München. Überschwemmungsgebiete, Deichrückverlegungen, die Entsiegelung von Böden oder ökologische Landwirtschaft könnten den technischen Hochwasserschutz ergänzen.
Grundsätzlich stehe auch die bayerische Landwirtschaft zum Hochwasserschutz. Doch es müsse eine faire Lastenverteilung geben und Entschädigungen müssten geregelt werden, sagte Alfred Enderle, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes. „Wenn die Grundeigentümer überzeugt sind, dass sie ihren Mitmenschen etwas Gutes tun, sind sie auch dabei.“
„Wir sind uns einig, dass wir verschiedene Maßnahmen zusammenführen müssen“, sagte Hans Ritt (CSU). „Sollte man nicht lieber weniger auf den Airbag setzen und stattdessen lieber den Fahrstil ändern?“, fragte Florian von Brunn (SPD) mit Blick auf technische Maßnahmen. Diese bekämpften lediglich die Symptome und seien teuer, fand auch Rosi Steinberger (Bündnis 90/Die Grünen). Benno Zierer (FREIE WÄHLER) forderte, sich mit den Kommunen an einen Tisch zu setzen und auch die Landwirte mit einzubeziehen: „Wenn ein Konzept vernünftig ist, werden die Bürger es auch mittragen.“