Umweltausschuss: Fachgespräch zu Insektensterben und Artenvielfalt

Donnerstag, 9. Mai 2019
–  Von Miriam Zerbel –

Überschattet vom alarmierenden Bericht des Weltrates zur biologischen Vielfalt und begleitet von den Beratungen des Landtags über das Artenschutzpaket, beschäftigt sich auch der Umweltausschuss mit der Biodiversität. In einem Gespräch mit zwei Biologie-Experten wollen die Ausschussmitglieder herausfinden, was konkret gegen das Artensterben getan werden kann.

Anfang der Woche hatte der Weltrat zur Artenvielfalt seine Bestandsaufnahme vorgelegt. In seinem ersten Bericht zeigte der Weltbiodiversitätsrat ein beängstigendes Bild vom aktuellen Zustand der Artenvielfalt. Demnach ist eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Die Schuld daran trägt der Mensch, der die natürlichen Ressourcen übermäßig ausbeutet. Das Artensterben ist sogar so massiv, dass die Menschheit ihr eigenes Überleben gefährdet.

Magerwiesen als „Korallenriffe“ Bayerns

Auf den massiven Artenverlust in Bayern wies im Umweltausschuss neben dem Biologieprofessor Michael Schrödl von der Zoologischen Staatssammlung München auch Dr. Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung hin. Nach den Worten von Fleischmann ist beispielsweise ein Drittel der Wildbienen in Bayern vom Aussterben bedroht. Der Wissenschaftler beklagte zugleich, dass es vor allem bei Schülern und Studenten an Kenntnissen über die Arten und deren Bestimmung fehle.

Die artenreichste Fläche seien hierzulande magere Blumenwiesen. Fleischmann sprach von den „Korallenriffen“ Bayerns. Um diese Lebensräume zu schützen gelte es die Biotope zu vernetzen, vor allem aber, artenreiches Grünland zu erhalten. „80 Prozent der Greening-Maßnahmen sind wirkungslos für die Biodiversität“, warnte der Artenforscher. Biodiversität aus der Samentüte, das funktioniere größtenteils nicht. Blühstreifen seien zwar schön fürs Auge, brächten aber nicht viel für die Artenvielfalt.
Effektiver seien schon geringe Änderungen, zum Beispiel Wiesen erst nach der Blüte zu mähen oder kleinräumige Strukturen zu schaffen wie Hecken, Randstreifen und Trockenmauern. Für den Landwirt müsse Artenvielfalt einen monetären Wert bekommen, zu einem zweiten Standbein und dadurch interessant werden, forderte Fleischmann. „In der Agrarförderung sollten wir Artenvielfalt ergebnisorientiert fördern, nicht maßnahmenorientiert. Also: Wie viele Kiebitzpaare brüten in der Wiese?“

Arteninventur: Wie viele Arten gibt es im Freistaat?

Beide Wissenschaftler begrüßten, dass die Staatsregierung das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ übernehmen will. Professor Schrödl mahnte zudem ein grundlegendes Monitoring zur Arteninventur an. Bislang habe man noch viel zu wenig Daten über die einheimische Flora und Fauna. So gebe es im Freistaat rund 40.000 Arten – oder wesentlich mehr, das wisse man nicht genau. Nötig seien mehr Stellen und Geld um die einheimischen Arten zu finden, zu bestimmen und zu beschreiben. Denn nur dann könnten Schutzmaßnahmen auf ihre Wirksamkeit überprüft werden: „Lebewesen sind auch Indikatoren für Umweltveränderungen.“ Schrödl bedauerte auch, dass am Runden Tisch zur Artenvielfalt keine Artenforscher beteiligt waren und forderte mehr Mut zur Einrichtung von Nationalparks.

In der anschließenden Diskussionsrunde betonte die Ausschussvorsitzende, Rosi Steinberger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), man stehe auch angesichts des Klimawandels unter Zeitdruck. Einig sei sich der Ausschuss, dass nun die Maßnahmen evaluiert werden müssten. Nötig seien Antworten auf die Frage, was wirklich etwas bringe, um zu handeln und Lebensräume zu schützen.

Florian von Brunn (SPD) hakte bei den Artenforschern nach, welche Maßnahmen sie zusätzlich zum Ergebnis des Runden Tischs empfehlen. Der AfD-Abgeordnete Professor Dr. Ingo Hahn bezweifelte, dass die Artenzahl insgesamt sinkt. Er verwies darauf, dass laufend neue Arten entdeckt würden. Mehr Differenzierung bei der Darstellung dessen, was in der Landwirtschaft für die Artenvielfalt getan werde, forderte Klaus Steiner von der CSU. Ob Biotopinseln oder größere Gebiete effektiver seien, wollte der Grünen-Abgeordnete Christian Hierneis wissen.

Artenforscher Fleischmann antwortete, mit nur einer bestimmten Maßnahme könnten nicht alle Arten geschützt werden, da müsse man unterscheiden, was gewünscht sei. Dennoch seien selbst kleine Maßnahmen wie Ackerrandstreifen sinnvoll. Sein Kollege Schrödl plädierte zusätzlich für Großschutzgebiete, in denen auch langjährige Organismen wie Wälder geschützt werden könnten. „Man muss ein Bündel von möglichst wirksamen Maßnahmen schnüren.“

Um ein solches Maßnahmen-Paket ging es auch bei den gestrigen Beratungen im Landtagsplenum. Erstmals wurde über den Gesetzestext für mehr Umwelt-, Natur- und Artenschutz in Bayern gesprochen. Geplant ist, das bayerische Naturschutzgesetz in etlichen Punkten zu ändern und zu ergänzen. So soll beispielsweise die Öko-Landwirtschaft gefördert werden und die Vernetzung von Blühflächen an Gewässern, Wäldern und Straßen die Artenvielfalt stärken. Die Details sollen in einem Begleitgesetz geregelt werden.

Noch vor der Sommerpause will der Landtag abschließend über das Artenschutz-Paket abstimmen.

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