Sitzung des Unterausschusses „Zukunft Stammstrecke“

Berichte über den bisherigen Projektverlauf und die aktuellen Herausforderungen

14. Februar 2023

MÜNCHEN.   Die Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen beim Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke in München erhitzen weiter die Gemüter im Landtag. Zur Versachlichung der Debatte soll der Unterausschuss "Zukunft Stammstrecke" beitragen. Die erste Arbeitssitzung nach der Konstituierung des Gremiums zur parlamentarischen Begleitung des Bauprojekts war jedoch von teils heftigen Diskussionen und Vorwürfen geprägt.

Der für den Bahnverkehr im Freistaat zuständige Abteilungsleiter im Bau- und Verkehrsministerium, Alexander Bonfig, hat dem Unterausschuss zur parlamentarischen Begleitung des weiteren Baus an der zweiten Münchner S-Bahn-Stammstrecke mehr Transparenz seitens der Staatsregierung und der Deutschen Bahn (DB) zugesagt. Es werde künftig eine "transparente Kommunikation" sowie regelmäßige Sachstandsberichte an den Landtag geben. Durch eine straffere Organisation und Projektplanung sollen zudem weitere Verzögerungen bei der Umsetzung des Projekts vermieden werden. Der mit Vertretern der am Bau beteiligten Institutionen besetzte "Lenkungskreis" werde über alle wesentlichen Projektänderung, die Kostensteigerungen oder Terminverschiebungen zur Folge haben könnten, befasst und könne darüber entscheiden.

Baukosten beinahe verdoppelt

Hintergrund ist die im vergangenen Jahr überraschend publik gewordene nahezu Verdoppelung der 2016 fixierten Projektkosten auf gut sieben Milliarden Euro sowie die Verschiebung der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke von 2026 auf voraussichtlich 2036. Bonfig begründete diese mit von der DB gewünschten und 2019 vereinbarten Planänderungen. Konkret sei es damals um ein neues Rettungskonzept für Fahrgäste aus dem sieben Kilometer langen neuen Tunnel unter der Münchner Innenstadt, eine neue Trassenführung am Ostbahnhof sowie ein Vorhaltebauwerk für die von der Stadt München geplante neue U-Bahn-Linie U9 im Bereich des Hauptbahnhofs gegangen. Mit Ausnahme des letzten Punkts sei die DB seinerzeit von einer Kostenneutralität der Umplanungen ausgegangen.

Dass erst drei Jahre später die massiven Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen publik wurden, kreidete Bonfig der DB an. Diese habe erst im September 2022 "belastbare Zahlen" für den weiteren Projektverlauf bekannt gegeben. Zwar habe die von der Staatsregierung beauftragte Baubegleitung mehrerer Ingenieursbüros durch eigene Berechnungen auf mögliche höhere Kosten und einen Zeitverzug hingewiesen, doch seien auf Grundlage dieser Annahmen ohne Mitwirkung der DB keine verlässlichen Aussagen möglich gewesen. Entsprechend sei auch die Staatskanzlei von der damaligen Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) informiert worden.

FDP fordert Herbeizitierung des Bauministers

Der FDP-Abgeordnete Sebastian Körber wollte sich mit diesen Aussagen nicht zufrieden geben. Mit den bisherigen Veröffentlichungen sei die Bevölkerung offensichtlich "belogen und getäuscht" worden, urteilte er. Außerdem gebe es Klärungsbedarf bezüglich eines Schreibens Schreyers an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aus dem Frühjahr 2021, das Bonfig in seiner Chronologie übergangen habe. Körber forderte deshalb, Bauminister Christian Bernreiter (CSU) vor den Unterausschuss zu zitieren. CSU, FREIE WÄHLER und AfD lehnten das allerdings ab.

Als "Propaganda-Rede für das Projekt" bewertete Martin Runge (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) die Ausführungen Bonfigs. Dieser habe die zweite Stammstrecke kritiklos als "am besten geeignet" zur Lösung der Verkehrsprobleme im Ballungsraum München bezeichnet, obwohl es aus Runges Sicht auch günstigere und das System stärkendere Alternativen gegeben hätte. Er kritisierte, dass die Staatsregierung die Alarmglocken nicht gehört habe, die das von ihr eingesetzte Begleitgremium bezüglich Planung, Bau, Kosten und Steuerung des Projekts mehrfach in Stellungnahmen angeschlagen habe. Natascha Kohnen (SPD) verwies auf die Lücke im Jahr 2021, in der offenbar nichts geschehen sei, um das Projekt wieder auf Kurs zu bringen. "Das ist vergeudete Zeit, die uns viel Geld kosten wird", sagte sie.

CSU: Umplanungen gut investiertes Geld in ein besseres Projekt

Josef Schmid (CSU) nahm die Staatsregierung vor Kritik in Schutz und verwies auf die Verantwortung des Bauträgers und Projektmanagers DB. Deren Kostenplanung sei lange Zeit "naiv" gewesen. Ausdrücklich begrüßte Schmid die Umplanungen am Hauptbahnhof für die U9 sowie im Bereich Haidhausen, auch wenn diese mehr Zeit und Geld kosteten. Für die Bürger Münchens brächten sie große Vorteile und Entlastungen. Die zusätzlichen Mittel seien "gut investiertes Geld in ein besseres Projekt". Für die AfD sprach sich Franz Bergmüller für ein strengeres Kosten-Controlling durch den Landtag aus. Der Unterausschuss dürfe auch nicht nur am grünen Tisch verhandeln. Man müsse auch "vor Ort im Schacht drin sein", um sich ein eigenes Bild vom Baufortschritt und den damit verbundenen Problemen machen zu können.

Zum Schluss der Sitzung gab Wolfgang Rauscher als Vertreter der Baubegleitung Einblick in aktuelle Herausforderungen. Aus Zeitgründen konnte er sich aber nur zum Bereich des Hauptbahnhofes äußern. Dort habe man wegen der Umplanungen eine "hochkomplexe Baustelle" wie derzeit wohl sonst nirgends auf der Welt. Er forderte für den Stammstreckenbau eine "einheitliche Projektleitung, sonst werden wir damit nicht fertig". Über die anderen Streckenabschnitte wird Rauscher in der kommenden Sitzung des Unterausschusses informieren, das als ergänzendes Arbeitsgremium aus Mitgliedern des Bauausschusses gebildet wurde.

/ Jürgen Umlauft

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