Überwiegend positives Echo zum neuen bayerischen Digitalgesetz

Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung

17. März 2022

MÜNCHEN.     Durch das bayerische Digitalgesetz (BayDiG) sollen Leitplanken für die digitale Transformation von Gesellschaft, Wirtschaft, Staat und Verwaltung vorgegeben werden. Der Gesetzentwurf der Staatsregierung kam bei einer Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung bei den meisten Sachverständigen gut an. Unisono wurden aber an vielen Stellen Konkretisierungen und Ergänzungen gefordert.

Prof. Dr. Wilfried Bernhardt vom Verein für liberale Netzpolitik - LOAD e.V. - lobte den Gesetzentwurf zum BayDiG. Dieser gehe über das hinaus, was andere Bundesländer gesetzlich geregelt hätten. Allerdings seien manche Artikel zu wenig konkret, was den Behörden zu viel Spielraum lasse. „Viele Ziele im Gesetz bedürfen der stärkeren Konkretisierung, damit die Vorgaben in der Praxis auch Beachtung und Anwendung finden“, betonte er. Anderes wiederum sei zu detailliert geregelt, obwohl vieles davon noch Zukunftsmusik sei.

„Freude und ein bisschen Kummer“, hatte Philipp Otto, Direktor vom Think Tank iRights.Lab. Er empfahl, den Wissenstransfer, also einen Erfahrungsaustausch zwischen den Beteiligten, im BayDiG aufzunehmen. Auch bei den Schnittstellen zu anderen Bundesländern und im Bereich der Hochtechnologie müsse noch an „etlichen Punkten“ nachgeschärft werden. Dringend notwendig sind laut Otto auch Sanktionsmechanismen. „Das Gesetz ist kein ‚Nice-to-have‘, sondern ein ‚Must-have‘.“ Wenn das ignoriert werde, müsse das Konsequenzen haben.

Wirtschaftsinformatikerin Prof. Dr. Ulrike Lechner von der Universität der Bundeswehr München nannte den Gesetzentwurf „zukunftsweisend“. Kritisch sah sie allerdings den Einsatz von Open-Source-Software. Es sei unklar, aus welchen Motiven sie entwickelt wurde. Lechner plädierte dafür, sich an professionelle Software-Unternehmen zu halten. Mehr Akzente wünschte sie sich im BayDiG beim Thema Nutzerfreundlichkeit, beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz und bei der Erklärbarkeit. „Vertrauen kann nur entstehen, wenn die Menschen verstehen, was mit ihren Daten passiert.“

Mathias Schindler von der Gesellschaft für Freiheitsrechte bemängelte, dass die Nutzung von Open Data im Gesetzentwurf nicht geregelt sei. „Staatliche Behörden sollten verpflichtet werden, offene Daten aufzubereiten“, forderte er. Diese könnten als Trainingsdaten für Künstliche Intelligenz und damit zur Förderung digitaler Geschäftsmodelle genutzt werden. Konkreter formuliert werden sollte im BayDiG auch das Einsichtsrecht der Menschen in digitale Akten. „Aktuell könnten Behörden die Einsicht wohl verzögern oder gar verhindern“, sagte Schindler.

Der gute Wille sei beim Gesetzentwurf erkennbar, attestierte Christine Völzow von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Neben den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürgern müssten aber auch die der Wirtschaft berücksichtigt werden. „Unternehmen sind Power-User von Verwaltungsleistungen“, gab sie zu bedenken. Zu kurz kamen Völzow im BayDiG auch die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit. Zwar werde die Green-IT, also die Nutzung von energieeffizienten Geräten und Software, erwähnt. Welchen CO2-Fußabdruck digitale Technologien haben, sei aber unklar.

Die positivste Bewertung erhielt der Gesetzentwurf von Prof. Dr. Dirk Heckmann vom Lehrstuhl für Recht und Sicherheit der Digitalisierung der Technischen Universität München. „Das BayDiG ist auf der Höhe der Zeit und ein gelungenes Beispiel für Staats- und Verwaltungsmodernisierung“, lobte er. Lediglich die Experimentierklausel hätte laut Heckmann etwas mutiger und der Abschnitt zu Open Daten etwas ausführlicher ausfallen können. Die Behörden mahnte er, ihre Prozesse vor der Digitalisierung zu optimieren.

Am kritischsten sah Bernd Buckenhofer, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags, den Gesetzentwurf. Er wehrte sich gegen die Kritik, Behörden würden die Digitalisierung nicht umsetzen wollen. Vorher müsse eben nur geklärt werden, wer für die Kosten aufkomme. Dazu fänden sich bisher nur unzureichende Formulierungen im BayDiG. „Die Kostenerstattung muss explizit im Gesetz aufgeführt werden, um spätere Streitfälle zu vermeiden“, mahnte er. Aktuell seien die Mehrbelastungen an technischem und personellem Bedarf kaum abzuschätzen.

Benjamin Adjei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sah insbesondere bei der IT-Sicherheit Nachbesserungsbedarf im Gesetzentwurf. Bisher müssten Sicherheitslücken nur gemeldet werden, wenn dem keine Verträge Dritter entgegenstünden. Auch befürchtete er Doppelstrukturen, weil neben dem Landesamt auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zuständig ist.

Dr. Helmut Kaltenhauser (FDP) schloss sich Adjeis Kritik an. „Unlogisch“ nannte er des Weiteren, dass Behörden weiterhin frei entscheiden können, wie sie kommunizieren wollen. Wenn Bürgerinnen und Bürger also eine E-Mail schicken, kann nach jetzigem Stand die Antwort auch zukünftig per Brief erfolgen. Gerade in Bezug auf die Kommunen muss das BayDiG laut Kaltenhauser überarbeitet werden.

Annette Karl (SPD) wünschte sich konkrete Regeln zu den Themen Teilhabe und Befähigung. Bisher habe der Gesetzentwurf bei der Barrierefreiheit nur Appellcharakter. Auch sollten Kommunen ältere und behinderte Menschen vor der Umstellung schulen, damit diese die digitale Verwaltung ebenfalls nutzen können. Karl verstand nicht, warum Schulen vom Gesetz ausgenommen sind.

Walter Nussel (CSU) hätte sich gewünscht, mehr Erfahrungen aus der Praxis in den Gesetzentwurf einfließen zu lassen. Vor Ort komme es immer wieder zu Problemen, beispielsweise wegen mangelnder Schnittstellen. Das Thema Open Data sah er skeptisch, weil die Handhabung momentan noch zu intransparent sei.

Gerd Mannes (AfD) befürchtete, dass der Gesetzentwurf die Abhängigkeit von großen internationalen Digitalkonzernen erhöhen könne. Konkreter im BayDiG formuliert werden müsste seiner Meinung nach auch, dass eine Sperrung des Internets unzulässig ist. Um die Aufbereitung von Open Data soll sich laut Mannes ein Treuhänder kümmern.

Die Ausschussvorsitzende Kerstin Schreyer (CSU) zeigte sich nach der Anhörung zufrieden: „Die Debatte hat gezeigt, dass wir mit dem Gesetzentwurf eine hervorragende Grundlage für die weitere Digitalisierung des Freistaats haben.“ Sie versprach, das BayDiG „zügig und zielorientiert“ voranzutreiben.

/ David Lohmann

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