Heimatminister Markus Söder verteidigt Novelle des Landesentwicklungsprogramms

Donnerstag, 11. Mai 2017
– Von Ina Friedl –

Bayern war einst ein Agrarland und hat sich bis heute zu einem High-Tech-Standort entwickelt. Die weitere Entwicklung Bayerns will Bayerns Finanz- und Heimatminister Dr. Markus Söder mit seiner Heimatstrategie steuern. Neuestes Kind dieser Strategie: Die Novelle des Landesentwicklungsprogramms (LEP). Kaum geboren hat sie schon massig Kritik geerntet, zuletzt bei einer Expertenanhörung mit 26 Sachverständigen im Bayerischen Landtag. Heute steht das LEP auf der Tagesordnung des Wirtschaftsausschusses. Minister Söder ist gekommen und erntet erneut Kritik: an der Lockerung des Anbindegebotes und der Ausweitung der Zentralen Orte sowie der Räume mit besonderem Handlungsbedarf. Eng damit verbunden ist die Diskussion über eine Grundsatzfrage: Ist das LEP ein gesetzlicher Rahmen, innerhalb dessen freie Handlungsspielräume bestehen, oder muss es exakte Regeln festschreiben?  

Hinter Minister Söders Heimatstrategie steht das Bestreben, strukturschwache Gebiete in Bayern zu fördern und Druck von den Ballungsräumen zu nehmen – kurz: Gleichwertige Lebensbedingungen in ganz Bayern herzustellen. Das ist Verfassungsauftrag und das ist im Interesse aller Landtagsfraktionen. Das LEP ist dabei ein Baustein der Heimatstrategie und hat soeben eine Novelle durchlaufen: „Jetzt ist das LEP kein Verhinderungsprozess mehr, sondern ein atmender Prozess, der eine moderate und moderne Balance zwischen Klein und Groß schafft“, sagt Markus Söder. Er sagt, er sei überzeugt von seiner Heimatstrategie, und stellt sich nach der Expertenanhörung nun erneut der Kritik an dem neuen LEP. Hauptkritikpunkt auch hier: Die Lockerung des Anbindegebotes. Künftig dürfen neue Gewerbegebiete auch entlang von Bahngleisen oder Autobahnen ausgewiesen werden. Eine zwingende Anbindung an bestehende Siedlungen ist nicht mehr nötig. „Bislang scheiterten viele gewerbliche Erweiterungen und mit ihnen die Entstehung neuer Arbeitsplätze an dem Anbindegebot. Jetzt haben wir für konkrete Fälle mehr Möglichkeiten geschaffen. Die Kommunen bekommen mehr Mitspracherecht“, erklärt Söder die neue Regelung. Die Ausweitung neuer Gewerbegebiete geschehe auf Kosten der Natur, wo doch gerade die Natur so großes Potential für die Lebensqualität berge, sagt Annette Karl (SPD). Johann Häusler (FREIE WÄHLER) bezweifelt, dass die neuen Entwicklungsmöglichkeiten in einem positiven Verhältnis gegenüber den ökologischen Einschnitten stehen. Für Martin Stümpfig und Markus Ganserer (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist die Lockerung des Anbindegebotes ein Brandbeschleuniger, durch den immer mehr Gewerbegebiete nach dem Windhundprinzip entstehen werden: Weist eine Gemeinde ein neues Gewerbegebiet aus, muss die Nachbargemeinde nachziehen. Markus Söder und Walter Nussel (CSU) warnen davor, von einer Totalversiegelung der Landschaft zu sprechen. Die tatsächlich versiegelte – also betonierte – Fläche in Bayern betrage gerade mal 5,4 Prozent, sagt Söder und Nussel kritisiert die einseitige Darstellung: Schließlich würden auch 10.000de Hektar landwirtschaftliche Fläche jedes Jahr für die ökologische Aufwertung umgewandelt. Nur davon höre er in der aktuellen Diskussion nichts, so Nussel.

Mit der Lockerung des Anbindegebotes erhalten die Kommunen mit ihren Bürgern und Bürgermeistern ein Stück weit freiere Hand über die Entwicklung ihrer Orte: Gewerbegebiete mit neuen Arbeitsplätzen oder ökologische Flächen zur Naherholung – die Regierungsfraktion traut den Kommunalpolitikern zu, dass sie selbst im besten Sinne für ihre Gemeinde entscheiden. Hier äußern vor allem Annette Karl und Martin Stümpfig Bedenken. Annette Karl sagt: „Wir möchten so viel Subsidiarität wie möglich, müssen aber auch so viele übergeordnete Regularien wie nötig schaffen“. Die CSU sei hier eher bei „Bottom up“, die SPD bei „Top down“. Martin Stümpfig wird ebenso deutlich: „Sinn und Zweck des LEP ist es, Leitplanken zu setzen. Die Entwicklung darf so nicht umgesetzt werden. Sie beschwören einen neoliberalen Geist von vorgestern wieder herauf und liefern eine Vorlage, die Bayern nicht gut tut“.

Weiterer Kritikpunkt in der Novelle des LEP ist die Ausweitung der Räume mit besonderem Handlungsbedarf: 50 Prozent Bayerns sind im neuen LEP als Raum mit besonderem Handlungsbedarf definiert und erhalten Fördermittel. 50 Prozent? Es kann nicht sein, dass so viele Gemeinden in Bayern auf staatliche Hilfe angewiesen sind, findet Annette Karl. Sie hat die Sorge, dass nach diesem Prinzip für die wirklich hilfsbedürftigen Regionen schlicht nicht genug Geld aus dem Fördertopf übrig ist. Johann Häusler und Martin Stümpfig äußern dieselbe Kritik. „Keine Gleichbehandlung von Ungleichen“, fordert Stümpfig.

Inflationär in die Höhe geschossen sei auch die Anzahl der Zentralen Orte, sagt Häusler. Weniger ist mehr, sei auch hier seine Devise. Für Annette Karl wurden mit den Zentralen Orten nur Titel vergeben, aber an Konzepten fehle es. Schließlich müsse der Staat jetzt auch Sorge tragen, dass in allen Zentralen Orten eine zentrale Versorgung der Bevölkerung gewährleistet sei. „Welche Orte möchten Sie denn nicht als Zentrale Orte aufgestuft wissen?“, fragt Markus Söder und bietet eine Diskussion zu jeder einzelne Nennung an. Ansonsten zeigt er sich aber sehr überzeugt von dem neuen Landesentwicklungsprogramm und wenig diskussionsfreudig über dessen Inhalte.

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