Experten diskutieren über Finanzierungsideen für die wirtschaftliche Transformation

Anhörung im Wirtschaftsausschuss

MÜNCHEN.    In der Landtagsanhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung zum Thema „Wirtschafts- und energiepolitische Auswirkungen des verfassungswidrigen Bundeshaushaltsdiskutierten die Experten neue Ideen, die Transformation zu finanzieren. Kritik gab es zu vielen Punkten, vor allem aber wurde fehlende Verlässlichkeit der Politik beklagt.

Zehn Experten konnte die Ausschussvorsitzende Stephanie Schuhknecht (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) im Landtag begrüßen. „Bei der Energiepolitik stehen für das Handwerk Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit im Mittelpunkt“, betonte Michael Blau von der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Abteilungsleiter Wirtschaft und Statistik. „Eine Hü-Hott-Politik ist keine Lösung!“ Ein Ausgleich für höhere Energiepreise durch das vorgesehene Klimageld sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht in Sicht. Die Bundesnetzagentur prognostiziere zudem bis 2045 einen Bedarf von 300 Milliarden Euro für den Ausbau der Übertragungsnetze und 150 Milliarden für die Verteilnetze. Die Belastung werde „auf künftige Generationen verschoben“. Der Ausbau der erneuerbaren Energien erfordere auch Doppelstrukturen durch Reservekraftwerke und Speicher. Die Politik müsse den Auswirkungen auf Mittelstand und Wirtschaft und der Kosteneffizienz von Fördermitteln mehr Augenmerk schenken. Steuer- und Abgabenlast sowie die Bürokratie müssten abgebaut werden.

In Jahrzehnten denken

Gunnar Braun, Geschäftsführer vom Verband kommunaler Unternehmen e.V., Landesgruppe Bayern, erwartet für seine Brancheeinen politischen Konsens, der Planungs- und Investitionssicherheit schafft“. Die 220 VKU-Mitglieder mit über 40.000 Mitarbeitern seien unmittelbar Betroffene einer unterlassenen Transformation, etwa durch Hochwasser oder Dürren. Wasserknappheit durch Klimawandel und steigende Kosten für Wasseraufbereitung durch Pestizidrückstände seien praktische Beispiele. Die kommunalen Unternehmen würden den Großteil der Investitionen tragen, der nicht mit Fördermitteln unterlegt sei. „Diese Investitionen finden überwiegend in neue Technologien statt, wie kalte Wärmenetze, Geothermie, Wärmepumpen und erneuerbare Energien.“ Dies sei auch ohne den Klimatransformationsfonds notwendig. Braun bekräftigte: Infrastrukturen müssten in Jahrzehnten gedacht werden, „nicht in Haushaltsjahren oder Legislaturperioden“. Sie refinanzierten sich selbst.

„Batterien sind nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern auch das Zugpferd für die globale Positionierung Deutschlands in einem sich rasant entwickelnden Markt“, erklärte Dr. Andreas Flegler, Head of Department and Head of Processing/Recycling am Fraunhofer Institute for Silicate Research ISC. Die EU-Kommission prognostiziere für das Jahr 2025 einen Marktwert von 250 Milliarden Euro für das europäische Batterieökosystem. Währenddessen bauten Länder wie China, die USA und Südkorea ihre Forschungs- und Produktionskapazitäten massiv aus. „Batterien sind die Schlüsseltechnologie für die Elektrifizierung und CO2-Neutralität zahlreicher Industrien“, so Flegler. Forschungsmittel für die Lithiumionentechnologie, die Entwicklung neuer Technologien wie Festkörper- und Natriumionenbatterien und das Rohstoffrecycling zu reduzieren, würde nicht nur die akademischen und industriellen Kapazitäten sowie die Wettbewerbsfähigkeit schwächen, sondern auch die Deindustrialisierung Deutschlands beschleunigen. Wichtig sei deshalb auch die Aus- und Fortbildung von Facharbeitern. „Ohne positive Signale droht ein Abbau der Ressourcen und Kompetenzen sowie die Abwanderung von Fachkräften.“

Lukas Graf, Bezirksgeschäftsführer, DGB für Bayern, hielt die von Politikern aus dem Norden geforderte Aufteilung Deutschlands in Strommarktzonen für einen folgenschweren Fehler. „Sie würden zu teureren Energiepreisen in Bayern führen, gingen mit der Schwächung des Industriestandortes und einer Abwanderung guter Arbeitsplätze einher.“ Das sei keine Position des DGB Bayern, sondern des DGB Bund. „Gleichwohl müssen wir unsere Hausaufgaben wie Stromnetzausbau und Ausbau der Windenergie verstärkt angehen.“ Der positive Ansatz der Transformationsgeschichte verfange immer weniger bei Beschäftigten, die mit Stellenabbau und drohenden Standortschließungen konfrontiert seien. Sein Vorschlag: Regionale Transformationsnetzwerke entwickeln und die Beschäftigten vor Ort einbinden. Auch Kommunalpolitik, Unternehmen, Gewerkschaften, Kammern und Bildungseinrichtungen müsse man dafür zu Rate ziehen. Dies sollte auch finanziell gefördert werden, etwa durch einen Infrastrukturfonds.

Von Subventionen abhängig

„Alle Bundeshaushalte seit dem ersten Nachtragshaushalt 2020 waren verfassungswidrig“, erklärte Dr. Hendrik Hagedorn, MIWI - Institut für Marktintegration und Wirtschaftspolitik. Immer wieder habe es kreditfinanzierte Rücklagenbildung und fehlende Anlässe gegeben. Der um 60 Milliarden Euro gekürzte Haushalt sei daher nur die Spitze des Eisbergs. „Riesige Fördertöpfe bergen die Gefahr, echte Wirtschaftspolitik mit Förderpolitik zu verwechseln und relevante Größen wie Arbeitsmarkt, Energiepreise und Steuern nicht zu berücksichtigen“, warnte Hagedorn. Die Frage sei, ob der Staat das durchhalten könne. Ansiedlungs- und Investitionsentscheidungen von Betrieben würden „von Subventionen abhängig gemacht, die sich aber volkswirtschaftlich nur dann rentieren, wenn die Unternehmen aus eigener Kraft rentabel werden“. Am Beispiel der Solarindustrie zeige sich, dass das nicht funktioniert habe.

Andreas Lederle, Geschäftsführer der Erdwärme Grünwald GmbH, sagte, das Gerichtsurteil habe Förderanträge schon über sechs Monate verzögert. „Wir spüren die Innovationsunsicherheit.“ Geothermie habe immenses Potenzial in Bayern, sei „ein schlafender Riese mit einem Bodenschatz unter unseren Füßen in allen Etagen“ - also die Tiefengeothermie mit 4000 bis 5000 Metern Tiefe, die mitteltiefe Geothermie und Tausende oberflächennahe Anlagen. Lederle berichtete: „Über 50 Prozent des klimaschädlichen CO2 kommen aus der Wärmeversorgung. Über 50 Prozent des Jahres muss geheizt werden.“ Eine Studie der TUM, der „Masterplan Geothermie Bayern“, besage, dass Bayern ein geothermisches Potenzial zur Deckung des Wärmebedarfs von ungefähr 40 Prozent habe - nur aus der Tiefengeothermie. Das sei ein Investitionsvolumen von zwölf Milliarden Euro. Voraussetzung sei eine intelligente Vernetzung von Fernwärmenetzen. „Geothermie ist teuer, ist Langstrecke. Aber andererseits importieren wir jedes Jahr 110 Milliarden Euro an fossilen Energien aus dem Ausland.“ Erfolgreiche Geothermieprojekte rund um München durch Firmen wie MTU, MAN und BMW zeigten, dass sie auch Wirtschaftsmotor werden könne. „Geothermie bedeutet Wertschöpfung, Klimafreundlichkeit, Energiesicherheit, Unabhängigkeit und Energieeffizienz“, betonte Lederle. „In Grünwald braucht unsere Geothermieanlage eine Kilowattstunde Strom, um 30 Kilowattstunden Wärme zu erzeugen."

Dass der Klimatransformationsfonds nicht mehr genutzt werden kann, hat laut Dr. Marcus Merkel, Geschäftsstellenleiter von Clean Energy Partnership e.V., unmittelbare Auswirkungen auf die Wasserstoffmobilität in vielen Bereichen. Es brauche eine Wasserstoffinitiative der Länder. „Über 20 Prozent der CO2-Emissionen entstehen im Verkehr, davon die Hälfte im Schwerlastbereich.“ Die Zielmarken der Automobilindustrie seien europäisch festgelegt: Bis 2030 Reduzierung der CO2-Emissionen um 45 Prozent, bis 2040 um 90 Prozent. Die Automobilindustrie habe reagiert: 40.000 LKW sollen bis 2030 mit Brennstoffzellen versorgt werden und 500.000 mit batterieelektrischer Mobilität. Die Konkurrenz zum ausgearbeiteten, preiswerten, fossilen Verbrenner erschwere aber die Situation. Ein neuer Transformationsfonds sei durch eine Maut möglich - die bestehende LKW-Maut habe zuletzt 7,4 Milliarden Euro erbracht. „Alte Technologie sollte neue Technologie fördern, auch durch Einsatz der Strafzahlungen der Unternehmen an die EU oder einen Wasserstoffcent pro verkauftem Liter Benzin“, so Merkel.

Umstieg fördern

„Unsere Kunden kaufen Lkw, um einen Zweck zu erfüllen“, betonte Benedikt Nesselhauf von MAN Truck & Bus SE. Alles, was die bayerische Wirtschaft ausmache, hänge an Lkw. Drei Punkte seien für MAN wichtig:  Digitalisierung des Produktes, autonomes Fahren und die Dekarbonisierung der Industrie. „Unsere Fahrzeuge fahren über die gesamte Lebensdauer weit über eine Million Kilometer.“ MAN sei für 0,3 Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich und habe allein in Europa eine Flotte von 880.000 Lkw auf der Straße. „Wenn man über Klimaschutz spricht, hat der Straßengüterverkehr einen großen Hebel.“ Im Gegensatz zu Pkw- sei für Lkw-Kunden Investitions- und Planungssicherheit wichtig, weil sie viele Jahre in die Zukunft denken müssten. Hersteller MAN habe aber Flottenziele zu erfüllen, nämlich 45 Prozent reduzieren bis 2030. Er plädierte für Förderprogramme für den Umstieg auf klimaneutrale Fahrzeuge.

Dr. Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern, mahnte, Stromleitungen von Nord nach Süd müssten auch nach dem Gerichtsurteil gebaut werden, ebenso Wasserstoff- und kommunale Fernwärmenetze sowie Gaskraftwerke. „Wir können damit nicht aufhören, weil ein Land wie Bayern enorme Mengen Energie benötigt“, sagte Gößl. Eine Finanzierungsidee liefere das Walchenseekraftwerk, das vor 100 Jahren mit Anleihen gebaut wurde. Das steigere auch die Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern. Unternehmen bräuchten Rahmenbedingungen, innerhalb derer sie Gewinn erwirtschaften könnten. „Falsch ist, wenn die Politik Technologien vorgibt, Beispiel E-Mobilität.“ Das staatlich zu fördern, könne zu einem „Subventionsfriedhof“ führen. Nach dem Gerichtsurteil sei bei den Unternehmern hängen geblieben, die Regierung könne keinen Haushalt aufstellen. „Da ist viel Vertrauen verloren gegangen.“ Deswegen würden die Firmen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen derzeit als das größte Standortrisiko ansehen.

„Bayern hat bekanntlich die geringste Schuldenquote aller Bundesländer und trotzdem die zweithöchste Investitionsquote. Das zeigt, es ist nicht notwendig, Schulden zu machen, wenn man investieren will“, erklärte Dr. Ulrich van Suntum, Emeritus der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Universität Münster, Generalsekretär a.D. des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR). Man müsse aber die Prioritäten richtig setzen. „Wir reden hier über Kosten von mehreren Tausend Euro für eine eingesparte Tonne CO2.“ Die gleiche Menge könne im Industriebereich für 70 Euro eingespart werden, das sei der Preis des Emissionszertifikates. Das sei weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. „Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen, sollten wir unser Geld möglichst effizient einsetzen.“ Das Emissionshandelssystem in der EU deckele den Gesamtausstoß von CO2 in Europa. Wenn Bayern 100 Tonnen CO2 einspare, würden Zertifikate im gleichen Umfang frei und auf dem Markt verkauft. Woanders in der EU werde dann entsprechend mehr CO2 emittiert. Sorgen machte sich van Suntum um die zunehmende Einmischung des Staates in private Unternehmensentscheidungen durch „Förderitis“. Dabei sei größte Zurückhaltung insbesondere bei der Förderung konkreter Technologien angebracht. „Der Staat weiß nicht besser als der Wettbewerb, was Zukunft hat.“ Van Suntum betonte: „Erfolg entsteht durch marktwirtschaftliche Politik und gute Rahmenbedingungen, nicht durch Förderpolitik. Aber wir sind leider auf dem Weg in eine ökologische Planwirtschaft, die uns ruiniert.“

Von Subventionen abhängig

In den folgenden Fragerunden wollte Kerstin Schreyer (CSU) wissen, wie der bayerische Transformationsfonds besser gestaltet werden könne. Laut Graf brauche es einen deutlich besser ausgestatten Infrastrukturfonds. Rainer Ludwig (FREIE WÄHLER) fragte, ob die Nutzung von Wasserstoff im Schwerlastverkehr ohne Förderung vorankomme. Nesselhauf erwiderte, für die Kunden von MAN sei nicht nur der Fahrzeugpreis, sondern auch Wartungskosten, Ersatzteile und die Erfüllung der Anforderungen wichtig.

Martin Stümpfig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) interessierte sich dafür, ob die fünf Millionen für Geothermie aus dem bayerischen 73 Milliarden-Euro-Haushalt zu wenig seien. Lederle verwies dabei auf einen Cyberangriff auf die Erdwärme Grünwald. „Wir bräuchten also die fünf Millionen Euro schon, um die Sicherheit unserer Werke zu gewährleisten. Dann wäre aber noch kein Meter gebohrt.“ Oskar Lipp (AfD) fragte nach der Abwanderung von Fachkräften und Unternehmen sowie der aufgeblähten Staatsquote. Die Experten kritisierten hier eine der höchsten Abgabenquoten und Bürokratiedichten. Zudem würden Abschlüsse ausländischer Fachkräfte nur schleppend anerkannt. Van Suntum erinnerte an den Rekord von 176.000 Unternehmen, die 2023 zugemacht, abgewandert oder insolvent gegangen seien. Die Staatsquote mit um die 50 Prozent sei im internationalen Vergleich „relativ hoch“. Florian von Brunn (SPD) plädierte für ein Überdenken der Schuldenbremse. Die Hochwasserschäden in Simbach 2016 durch eine Sturzflut hätten 1,25 Milliarden Euro gekostet, der Hochwasserschutz nur 52 Millionen Euro.

/Andreas von Delhaes-Günther

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