Anhörung zur aktuellen Lage der Laienmusikverbände und -vereine

Das Schweigen der Instrumente

9. November 2022

MÜNCHEN.     Die aktuelle Lage der Laienmusik und des Laientheaters sowie ihrer Verbände nach zwei Jahren Coronapandemie hat der Ausschuss für Wissenschaft und Kunst erörtert. In der Anhörung der Sachverständigen wurden die Probleme klar benannt, darunter fehlender Nachwuchs, Mitgliederschwund, Bürokratie und eine schwierige Finanzlage. Es gab aber auch einige Lösungsvorschläge.

„Die Laienmusikvereine, gerade die Blaskapellen und Chöre, sind ein wichtiger Faktor im kulturellen Leben Bayerns“, betonte der Ausschussvorsitzende Robert Brannekämper (CSU). Laienmusik sei nicht nur bloßes Musizieren, sondern „gelebte Gemeinschaft und fester Bestandteil des bayerischen Lebensgefühls“. 22 Laienmusikverbände in Bayern seien in 7000 Ensembles aufgeteilt mit 400.000 organisierten Mitgliedern. Insgesamt jedoch habe die Laienmusik 600.000 Mitglieder. „Durch die Corona-Pandemie wurde dem Musizieren ein Strich durch die Rechnung gemacht“, so Brannekämper. Die Auswirkungen und Handlungsfelder für die Zukunft zu beleuchten, sei daher die Aufgabe dieser Anhörung.

Massiver Mitgliederverlust

Andreas Horber, Geschäftsführer des Bayerischen Musikrates e.V., machte die Corona-Folgen deutlich. „Die sich ständig verändernden Regelungen, das Auf- und Zusperren, die Unsicherheit, ob Proben zu Auftritten führen, all das hat unsere Vereinsvorsitzenden und Dirigenten zum Teil mürbe gemacht.“ Die Bereitschaft, ein Ehrenamt zu übernehmen, sei nochmal gesunken. Corona habe zu einem massiven Mitgliederverlust geführt - je nach Verband zwischen vier und 20 Prozent. „Im Bereich der Kinder und Jugendlichen ist der Schwund noch deutlich größer, was erst in einigen Jahren spürbar wird.“ Drei Maßnahmen empfiehlt der Musikrat: Singen und Musizieren müsse in Kindergärten und Schulen verbessert werden. Dazu brauche es eine Entbürokratisierung im Vereinssteuerrecht und der DSGVO. „Drittens brauchen wir für den Winter die Zusage, dass die Energiepreisbremse des Bundes und der bayerische Härtefallfonds auch für unsere Vereine greifen“, erklärte Horber.

Alle Musikstile bedienen

Joachim Graf, Geschäftsführer des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes e.V. sah die Lage „auf die Zukunft gerichtet besorgniserregend“. Blasmusik sei angesagt gewesen, gerade bei jungen Menschen, weil Blasmusik inzwischen fast alle Musikstilrichtungen bediene. Neue Veranstaltungsformate und namhafte Blasmusikfestivals hätten sich entwickelt und Zigtausende Besucher aus allen Altersschichten angelockt. Nun aber sei Mitgliederschwund und fehlender Nachwuchs zu verzeichnen. „Während der Pandemie mussten die Instrumente schweigen“, so Graf. Der lange Wegfall jeder Einnahmen habe trotz der Hilfsprogramme und verbesserten Förderbedingungen „vielerorts die überschaubaren Notgroschen deutlich abgeschmolzen“. Die freiwillige finanzielle Förderung des Freistaats dürfe nicht gekürzt werden. „Nachwuchsarbeit ist die Priorität Nummer eins bei uns, mit der Imagekampagne #MachMusik als Auftakt“, berichtete Graf.

Laut dem Geschäftsführer des Nordbayerischen Musikbundes e.V., Andreas Kleinhenz, habe eine Blitzumfrage im Juli zu den aktuellen Herausforderungen viele Rückmeldungen erbracht. 80 Prozent der Vereine klagten dabei über fehlenden Nachwuchs, ein Drittel über Mitgliederverlust bis hin zur Nichtspielbarkeit der Orchester. Es fehlten Dirigenten, Ausbilder und Funktionäre. Beklagt werde auch die unzureichende Ausstattung der Proberäume, was Akustik und Größe anbelange - und jetzt im Herbst die höheren Heizkosten. Graf machte klar: „Da stoßen wir an Grenzen: Wir finanzieren uns vorwiegend selbst, bekommen wenig kommunale Zuschüsse, keine staatliche Förderung. Bei den Ausbildungskosten decken die Mitgliedsbeiträge der Eltern nahezu 100 Prozent.“ Kleinhenz schilderte aber auch einen Sinneswandel der Bevölkerung: Bei jungen Familien gehe man wegen der Kosten keine langfristigen Bindungen ein und es werde weniger musiziert. Die Zusammenarbeit mit den Schulen müsse darum mit „Türöffnern“ forciert werden.

Der frühe Vogel fängt die Musiker

Auch Oliver Kreitz, Geschäftsführer im Verband evangelischer Posaunenchöre in Bayern e.V., verwies auf „deutliche Spuren“ der Pandemie. Einige Chöre würden nach der Pandemie gar nicht mehr starten. „Andere waren sehr kreativ, haben sich mit Abständen im Freien getroffen“, erklärte Kreitz. Nun sei aber eine deutliche Motivationssteigerung zu bemerken, auch die Aktion „Mach Kirchenmusik“ und neue Formate wie die 3000 Posaunenmusiker am Landesposaunentag würden helfen. Doch die Probleme seien auch hier fehlende junge Leute, „aber auch Erwachsene, die das Instrument neu lernen wollen“. Er hoffe, dass das Ehrenamt in der Musik von der Politik gestärkt werde.

Frauke Peuker-Hollmann, Präsidentin des Landesverbandes Bayerischer Liebhaberorchester, berichtete: „Speziell bei unseren Orchestern zeigt sich schon seit einiger Zeit eine Überalterung, weil das Spielen von Streichinstrumenten keine große Beliebtheit bei Kindern hat.“ Mangels gegenseitiger Motivation hätten nun viele ganz aufgehört. Ähnlich sei es bei den Kindern und Jugendlichen: Mehrere Schulorchester zögen sich bereits aus dem Verband zurück, andere fingen wieder bei null an. Zunehmend könnten Konzertsäle und beheizte Proberäume nicht mehr finanziert werden - Kirchen seien aber im Winter zu kalt zum Proben. Immer weniger Leute besuchten Konzerte. „Aber diese Besuche sind wünschenswert, um Kinder an Musik heranzuführen“, betonte die Präsidentin.

Multiplikatoren und Hilfskräfte

Als Exot unter Musikern wähnte sich Horst Rankl, Präsident des Verbandes Bayerischer Amateurtheater e.V., der jedoch die Corona-Probleme auch in seinem Bereich wiederfindet. „Die ständigen Regelungen haben uns wehgetan, besonders die Begrenzung der Besucherzahlen auf erst 25, dann 50 Prozent.“ Die Hilfsprogramme hätten geholfen, allerdings habe die schwierige Zuschussbeantragung „unsere Leute ein bisschen überfordert“ – wie übrigens auch die Datenschutzregeln. Jetzt sei wieder der Spielbetrieb aufgenommen worden, aber das Publikum lasse die Theater „noch ein bisschen im Stich“ - weil alle noch vorsichtig oder in der Corona-Zeit phlegmatisch geworden seien.

Die Mitgliederzahlen sind auch beim Chorverband Bayerisch-Schwaben e.V. stark zurückgegangen, so dessen Geschäftsführender Präsident Jürgen Schwarz. Im Bereich der Kinder und Schüler habe es über die Corona-Jahre einen „Abschmelzungsprozess von 20 Prozent“ gegeben, das seien 2300 Kinder bei einem Ausgangsstand von 19.300. Nachwuchsarbeit leisteten nun auch Berufsfachschulen für Musik, wie die in Krumbach. „Da investieren wir in Lehrer- und Erzieherausbildung als Multiplikatoren“, um Kinder besonders in Kindergärten und Grundschulen schon für Musik zu begeistern. Der Unterrichtsausfall insbesondere im Bereich Musik könnte vorübergehend aber durch das Hilfspersonal aus Musikfachschulen kompensiert werden.

Sorgenvoller Blick in die Zukunft

Künstlerinnen und Künstler konnten in den letzten zwei Jahren kaum auftreten, viele hätten sich darum anderweitig orientiert, sagte Mathias Wagner, Sprecher der Popularmusikbeauftragten der Bezirke. „Die Kulturinitiativen, die Konzerte organisiert haben, sich um Förderungen und Genehmigungen gekümmert haben, haben durch Corona Leute und Motivation verloren“, so Wagner. Jetzt würden zwar viele Veranstaltungen nachgeholt, aber „mit bis zu 75 Prozent weniger Zuschauern“. Dies liege an der Angst vor Corona, weniger Geld in den Taschen der Bürger und der „Gewohnheit“, zuhause zu bleiben. Viele Bühnen-, Licht- und Tontechniker sowie Sicherheitskräfte hätten die Branche ebenfalls verlassen. „Wer noch da ist, blickt sorgenvoll in die Zukunft: Die Heiz- und Stromkosten sind stark angestiegen und auch die Spritkosten für die Fahrt zum nächsten Auftritt.“

Dr. Elmar Walter, stellvertretender Leiter einer Berufsfachschule für Musik in Altötting, sah seine Schule als Bindeglied zwischen Laienmusik und der professionellen Szene. Mit ähnlichen Problemen. „Unser Fokus der nächsten Jahre wird auf Nachwuchsgewinnung und Steigerung der Schülerzahlen liegen.“ Man wolle die Berufsfachschule auch vor Ort festigen, durch Konzerte, Vortragsabende und Workshops. „Wir wollen als Ausbildungsstätte und Talent- und Nachwuchsschmiede gerade für den Bereich der Laienmusikszene wahrgenommen werden“, betonte Walter.

Stephan Ametsbichler, Redakteur für Laienmusik im BR, ergänzte: Die Wahrnehmung der Laienmusik sei in der Öffentlichkeit stark zurückgegangen. „Es ist auch Aufgabe der Medien, die Sichtbarkeit der Laienmusik wiederherzustellen“, so der Journalist. Durch fehlende Auftrittsmöglichkeiten seien Ersatzspielfelder mit sehr viel Kreativität entwickelt worden, besonders im Bereich der digitalen Formate. BR-Klassik habe einen Wettbewerb für die Suche nach dem besten Ensemble veranstaltet, der diese Strömungen aufgegriffen habe. „Das ist zwar kein Ersatz für Konzerte, aber eine zukunftsweisende Ergänzung.“

Bürokratie abbauen, neue Formate entwickeln

Robert Brannekämper (CSU) wies in der anschließenden Fragerunde darauf hin, dass einige Events ausverkauft seien. Er befürchte deshalb ein verändertes Zuschauerverhalten, für das es neue Formate brauche – wie den Blasmusik-Flashmob im Kissinger Sommer. Susanne Kurz (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN) wollte wissen, was Schulen im Ganztagesbetrieb brauchen, um Musik zu fördern. Volkmar Halbleib (SPD) versprach, die Anregungen zur Kooperation mit Schulen und der Finanzierung der Musik-Ausbildung aufzunehmen.

Kerstin Radler (FREIE WÄHLER) fragte, ob Mädchen speziell zu Musik und Schauspiel hingeführt würden. Doch die Verbände machten deutlich, dass deutlich mehr Mädchen als Jungen teilnehmen. Ulrich Singer (AfD) wollte wissen, wie man kalte Proberäume verhindern könne. Franz Pschierer (FDP) erklärte, dass das Musikangebot nicht davon abhängen dürfe, ob man in einer reichen Kommune lebe.

/ Andreas von Delhaes-Guenther

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