Bayerisches Hochschulgesetz: mehr Autonomie für Hochschulen

München, 14. Oktober 2020

  • In der Expertenanhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst zur Reform des Bayerischen Hochschulgesetz diskutierten die Experten u. a. die Umwandlung der Hochschulen in Körperschaften wie in NRW.
  • Damit Universitäten und Hochschulen ihr Profil schärfen und sich autonom entwickeln können, könnte die Experimentierklausel zur Regel gemacht werden.
  • Die Rekrutierung von Talenten und ihre Förderung müsse wieder mehr in den Fokus rücken.

Prof. Dr. Walter Schober, Vorsitzender von Hochschule Bayern e.V. und Präsident der Technischen Hochschule Ingolstadt, empfahl eine Differenzierung der Hochschulen nach Grundlagenorientierung und Anwendungsorientierung, wobei beide Bereiche gleichwertig seien. Zudem nannte er einige erprobte Regulierungen des Hochschulgesetzes aus NRW – diese könnten auf das Bayerische Hochschulgesetz übertragen werden. „Die klare Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen Präsidium, Senat und Hochschulrat sehe ich dort als positiv. Auch das Organisationsmodell der Körperschaften bietet dort zusätzliche Gestaltungsspielräume für die Hochschulen“, sagte Schober. Aktuell sind die bayerischen Hochschulen sowohl Körperschaften des öffentlichen Rechts als auch staatliche Einrichtungen. Das bedeutet u. a., dass Mittel übertragbar sind und sich Stellen umwandeln lassen.

Körperschaftsmodell oder Stiftung?

Auch für Prof. Dr. Max-Emanuel Geis, Vorsitzender des Landesverbandes Bayern des Deutschen Hochschulverbandes, käme als Alternative zur jetzigen „janusköpfigen“ Organisationsform ein reines Körperschaftsmodell mit seiner mitgliedschaftlichen Struktur einer Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden infrage. Auch das in anderen Bundesländern vorhandene Modell einer öffentlich-rechtlichen Stiftung wäre möglich. Privatrechtliche Gesellschaftsformen seien wegen der komplizierten Konstruktion der Selbstverwaltungsorgane dagegen eher abzulehnen. Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, Vorsitzende von Universität Bayern e.V. und Präsidentin der Universität Augsburg, empfahl, den Ausnahmetatbestand der Experimentierklausel im neuen Hochschulgesetz zur Regel machen und damit den Universitäten die Freiheit zu geben, national wie weltweit im Wissenschaftswettbewerb selbstständig reagieren zu können.

Mehr „unternehmerischer Spirit“

Prof. Dr. rer. nat. Marcus Baumann, Vorsitzender der Landesrektor_innenkonferenz der Hochschulen für Angewandte Wissenschaft e.V. und Rektor der Fachhochschule Aachen, beschrieb die weitgehende Hochschulautonomie in NRW als besonderes Privileg. „Wir sehen sie aber auch als Voraussetzung für die erfolgreiche Entwicklung unserer Hochschulen und der Hochschullandschaft in NRW insgesamt an“, fügte er hinzu. „Die Öffnung der Organisationsstruktur der Universitäten und Hochschulen könnte die Einrichtungen stärken“, stimmte Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang A. Herrmann, Präsident Emeritus der Technischen Universität München, zu. Herrmann rief auch zu mehr „unternehmerischem Spirit“ auf, der den Wettbewerbsgedanken stärker in den Fokus rücke. Bernhard Emmer, Sprecher des Landesverbandes Wissenschaftler in Bayern, wies darauf hin, dass Karrierewege von Wissenschaftlern aktuell durch extrem lange Unsicherheiten gekennzeichnet seien – nur ein Viertel erhalten zum Beispiel eine Professorenstelle. „Je mehr Autonomie die Einrichtungen bekommen, desto mehr Beratung und Kontrolle ist auch nötig“, gab er zu bedenken.

 

Gleichstellung garantiert Exzellenz

Dr. Christof Prechtl, stellvertretender Hauptgeschäftsführer und Leiter Abteilung Bildung, Fachkräftesicherung und Integration der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V. (vbw), appellierte: „Haben Sie keine Angst vor einem richtig großen Wurf! Das zentrale Ziel dabei muss es sein, Vertrauen und Glaubwürdigkeit der Wissenschaft als Institution zu stärken.“ Dr. Margit Weber, Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Bayerischen Hochschulen (LaKoF Bayern), betonte, dass Gleichstellung als Leitprinzip verankert werden müsse und ein Garant für Exzellenz sei. „Familienvereinbarkeit ist dabei nicht nur ein Frauenthema, sondern betrifft auch Männer“, sagte sie.

Finanzielle Ausstattung verbessern

Prof. Dr. Christoph Wünsch, Präsident der Hochschule für Musik Würzburg, forderte vergleichbare Rechte für Mitglieder des Leitungsgremiums an allen Hochschultypen und mehr Verwaltungspersonal in der Größenordnung von 20 Prozent. „Trotz massivem Aufgabenzuwachs in den letzten Jahren erfolgte kein Zuwachs im Personalbereich“, sagte er. Dr. Eduard Meusel, Sprecher der Landesfachgruppe Hochschule und Forschung des Landesverbandes Bayern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), kritisierte ebenfalls die geringen Mitbestimmungsrechte und setzte sich für eine Viertelparität ein. Viertelparität bedeutet, bezogen auf Hochschulen, dass in den Gremien der jeweiligen Hochschule alle vier aktuell existierenden Statusgruppen (StudentInnen, ProfessorInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen sowie MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung) die gleiche Anzahl von Stimmen besitzen. Maximilian Frank, Landes-ASten-Konferenz Bayern (LAK), wies daraufhin, die Qualität der Lehre mehr in den Blick zu nehmen und Regelungen flächendeckend an den Hochschulen zu verankern.

/ AS

 

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