Zukunft der Kultur in Bayern: Betroffene, Expertinnen und Experten über den richtigen Weg in der Corona-Pandemie

Anhörung im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst

7. Juli 2021

MÜNCHEN. Kinos, Konzertsäle oder die noch immer geschlossenen Clubs: Corona-Pandemie und Lockdown haben der Kultur in Bayern zu schaffen gemacht. Wie geht es nun weiter? Mit dieser Frage haben sich im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst 12 Expertinnen und Experten in einer Sachverständigenanhörung beschäftigt, im Maximilianeum oder online zugeschaltet.

Nicht zurück zur Normalität will Daniela Aue, Vorsitzende des Verbandes Freie Darstellende Künste Bayern. Stattdessen wünscht sie sich einen Strukturwandel, der etwa eine Veränderung der Förderinstrumente beinhaltet und einen Austausch auf Augenhöhe.

Einen "New Deal Kultur" fordert Jürgen Enninger, Kulturreferent der Stadt Augsburg. Solch ein Programm solle unter anderem Zwischennutzungen fördern oder sich mit der Weiterentwicklung von Stipendienprogrammen befassen. "Nur mit Kultur gelingt Bayerns Zukunft", betonte Enninger.

"Der Theaterbetrieb muss ab Herbst wieder in der gewohnten Form möglich sein", forderte Jens-Daniel Herzog, Staatsintendant am Theater Nürnberg. Er sorgt sich um das Personal, auch weil Berufsanfängern um ihre Erstengagements gebracht wurden.

Kulturmanager Till Hofmann von der Münchner Lach und Schiessgesellschaft betonte die Bedeutung, die Kultur im ländlichen Raum hat. Kulturveranstaltungen schaffen ein Identifikationspotential mit dem Ort, so Hofmann. Das sei demokratiefördernd.

Forderung nach mehr Unterstützung für Kultur

Wenn Verantwortliche Hilfe bekämen, so Luise Klemens, Landesbezirksleiterin der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di., müsse das an Bedingungen geknüpft sein, etwa an faire Honorare für Künstlerinnen und Künstler.

Damit Leistungen nicht freiwillig bleiben, fordert Carola Kupfer, Präsidentin des Bayerischen Landesverbands für Kultur und Kreativwirtschaft eine "Kultur-Agenda". Die Staatsregierung solle sich nicht auch gesellschaftlich und moralisch für die Kultur verantwortlich fühlen, so Kupfer.

Geht es um Förderung, müsse ohne Lagerdenken die ganze Szene in den Blick genommen werden, sagte Haimo Liebich, Vorstand der Landesvereinigung Kulturelle Bildung Bayern. "Kultur und kulturelle Bildung dürfen kein zweites Mal als Freizeitvergnügen eingestuft werden", sagte er.

"In unserer Arbeit spielt das soziale Miteinander eine wesentliche Rolle", sagte Frauke Peuker-Hollmann, Präsidentin des Landesverbands Bayerischer Liebhaberorchester (LBLO) und Vizepräsidentin des Bundesverbands Deutscher Liebhaberorchester (BDLO). Durch die Pandemie sei das nahezu verschwunden.

Altersvorsorge und Honorare der Künstlerinnen und Künstler sind Thema

Weil viele Künstlerinnen und Künstler im Lockdown ihr Erspartes oder ihre Altersvorsorge aufgebraucht hätten, müssten sie gegen Altersarmut abgesichert werden, verlangte Karin Rawe, Generalsekretärin des Bayerischen Musikrats.

"Wie kriegen wir es hin, dass jemand von seiner Arbeit ganz normal leben kann?", fragte Christian Schnurer, Vorstand des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler im Landesverband Bayern. Denn Vereinbarungen über angemessene Honorare gebe es nicht.

Die Kulturbranche und insbesondere die freie Kultur brauchen einen ständigen Dialog mit dem Landtag, so Bernd Schweinar vom Verband für Popkultur in Bayern. Denn es fehle nicht nur an der Finanzierung, sondern auch am politischen Dialog.

Es müsse sichergestellt werden, dass die Kommunen, die sich in einer Notsituation befinden, nicht im Kulturbereich und an der freiwilligen Leistung Kultur sparen, so Stefan Zimmermann, Vorsitzender des Vereins "Die Theaterinitiative".

Öffnungsperspektive und Nachwuchsarbeit im Fokus der Abgeordneten

In der anschließenden Aussprache thematisierten auch die Abgeordneten einige Fragestellungen. So dürfe die Kultur nicht durch Bürokratie kaputt gemacht werden, sagte Franz Josef Pschierer (CSU). Er sorgt sich um die Kultur in der Fläche. Die Hygiene-Konzepte seien gut, das Wissen sei da, so der Abgeordnete, der auch aus seiner eigenen Erfahrung als Posaunist sprach. Man habe das Know How vor Ort, Hygienekonzepte umzusetzen, so Intendant Herzog. Künstler in Lohn und Brot zu bekommen, sei eine Aufgabe - das Publikum zurückzugewinnen, eine andere.

Wichtig sei eine effiziente Pandemiebekämpfung, sagte Susanne Kurz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie mahnte, Kultur nicht als Problem zu begreifen, sondern auch als Lösung. Die Sachverständige Daniela Aue antwortete auf eine Nachfrage der Grünen-Abgeordneten, dass im Hinblick auf Nachhaltigkeit in der freien, darstellenden Kunst etwa weniger projektbezogene Förderungen und mehr solche, die den Blick eher auf den Schaffensprozess legen, denkbar wären.

Kerstin Radler (FREIE WÄHLER) zeigte sich erfreut, dass Kritisches erwähnt und Positives nicht vergessen wurde. Sie wollte wissen, was getan werden muss, um Kinder und Jugendliche an die Kultur heranzuführen und Berufsanfängern den Einstieg zu erleichtern.

Die Öffnungsperspektive sei nach wie vor unklar, könnte aber viel klarer sein, so der SPD-Abgeordnete Volkmar Halbleib. Jetzt im Sommer sei die Zeit, sie umzusetzen – verantwortungsvoll, wie er betonte. Wie seine Vorrednerin erkundigte auch der SPD-Abgeordnete sich nach der der Jugend.

Wesentlich für das Gelingen sei die Zusammenarbeit zwischen Schule und außerschulischen Partnern wie der Jugendarbeit. In der Pandemie seien gerade die ästhetisch-künstlerischen Fächer sehr zurückgedrängt worden, sagte Haimo Liebich. Wenn wieder gespielt werde, werde der Nachwuchs auch wieder integriert, so Jens-Daniel Herzog.

Sechs Wochen, nachdem jeder ein Impfangebot erhalten habe und jeder, der wolle, geimpft sei, dürfe es nicht zu faktischen Berufsverboten kommen, mahnte Wolfgang Heubisch (FDP). Man müsse den Bürgern ihre Rechte zurückgeben. Er habe das Gefühl, der Staat sei mehr und mehr gefordert, sagte Heubisch, der sich mehr Beteiligung von privater Seite, namentlich der Bürger, wünschte. Diese halte sich durchaus zurück und könne etwa animiert werden, Kunst zu kaufen, so der Sachverständige Christian Schnurer.

/Anna Schmid.

Randspalte

Seitenanfang